Was ist anders bei der Landtagswahl 2012? – Teil III: Wähler, ihre Stimmen und ihr Wahlverhalten
Red. Politik & Wirtschaft [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Seit 2010 haben die Wähler die Möglichkeit, neben den Direktkandidaten (Erststimme) mit ihrer Zweitstimme die Listen der Parteien zu wählen und über die „Variation“ von Erst- und Zweistimme in sehr engem Rahmen die Sitzverteilung im NRW-Landtag zu beeinflussen.
Besonderheit in NRW ist, dass etwa zwei Drittel der 181 Sitze über die Erststimmen und ein Drittel über die Zweitstimme vergeben werden. Im Gegensatz zu den übrigen Bundesländern, im Bund und in den Kommunen.
Daraus ergab und ergibt sich, dass Kandidaten der übrigen Parteien nur über ihre jeweiligen Listen in den Landtag einziehen können.
Falls eine Partei mehr Direktmandate gewonnen hat, als ihr über die Zweitstimme zustehen, wird die Zahl der Landtagsabgeordneten so lange auf die nächst höhere, ungerade Zahl aufgestockt, bis für alle Parteien eine Sitzverteilung nach dem Verhältnis der Zweitstimmen möglich ist (Überhang- oder Ausgleichsmandate).
Es ist nicht möglich, eine Koalition zu wählen. Einen geringen „Einfluss“ auf eine Koalition hat der Wähler dennoch.
Möchte er eine Partei stärken, die seiner Ansicht nach ein Koalitionspartner für eine andere Partei sein könnte, wählt er mit seiner Erststimme den Direktkandidaten des vermeintlich größeren Koalitionspartners und mit der Zweitstimme die Liste der Partei, von der er glaubt, dass diese als „kleinerer“ Koalitionspartner in Betracht kommt.
Das ist natürlich Theorie und kann nur wirklich „greifen“, wenn man eine Zweierkoalition möchte.
Will man nur eine Partei „stärken“ gibt man ihr Erst- und Zweitstimme.
Eine Partei muss landesweit mindestens 5% der Zweitstimmen auf sich vereinigen, um bei der Verteilung der Sitze berücksichtigt zu werden (Fünf-Prozent-Klausel).
2010
Die Ergebnisse der Landtagswahl 2010 ergaben, dass die CDU ihre Sitze ausschließlich und die SPD fast ausschließlich über Direktmandate errungen haben, für sie also die Zweitstimmen kaum Relevanz hatten.
Hätten die beiden CDU-Kandidaten Norbert Post und Michael Schroeren bei der Landtagswahl 2010 ihre Wahlkreise nicht gewonnen, wären sie mit ihren Positionen auf der CDU-Landesliste (33 bzw. 88) nicht mehr in den Landtag eingezogen.
SPD-Kandidatin Angela Tillmanns hatte keinen „glücklichen“ Listenplatz und verfehlte den Einzug ins Landesparlament.
Wie knapp der Wahlausgang speziell im Wahlkreis 49 war zeigen diese Zahlen.
Hans-Willi Körfges (SPD) gelang über Platz 4 auf der SPD-Landesliste erst nach Auszählung aller NRW-Wahlbezirke der Wiedereinzug in den Landtag, weil die SPD landesweit überraschend mehr Direktkandidaten durchbrachte, als erwartet wurde. Somit bot der 4. Platz zunächst nicht mehr die „Sicherheit“ wie vor der Wahl vielleicht anzunehmen gewesen war.
Die anderen Parteien stellen derzeit keine Abgeordneten aus Mönchengladbach.
Ein zahlenmäßiges Indiz dafür, dass 2010 „Lagerwahlkampf“ geführt wurde, zeigen die Differenzen zwischen den jeweiligen Erst- und Zweitstimmen von FDP und B90/Die Grünen.
2012
Bei der Landtagswahl am 13.05.2012 werden die „Karten neu gemischt“. Ein „Lagerwahlkampf“ findet 2012 nicht statt.
Und dies nicht nur, weil auf Grund der aktuellen Wahlumfragen die FDP um das Erreichen der Fünf-Prozent-Marke bangen muss. Auch DIE LINKE und die Piratenpartei sind weitere „Unbekannte“, die die politischen Konstellationen beeinflussen werden:
Nimmt DIE LINKE die Fünf-Prozent-Hürde?
Wie viele Sitze erringen die Piraten?
Dass die Wähler die „Unbekannten“ schlechthin sind, ist natürlich eine Binsenweisheit. Wobei sich auch diesmal die Frage stellt, wonach sie ihr Wahlverhalten ausrichten:
- Nach den Wahlprogrammen?
Dazu dürften die Wenigsten Lust verspüren und/oder die Zeit haben oder aufwenden wollen. - Nach den Wahlflyern? Vielleicht, weil die Schlagworte in diesen „Kurzformen“ zumindest Richtungen zeigen.
- Nach den Wahlplakaten? Vielleicht, weil sich die Wähler emotional angesprochen fühlen.
- Nach Berichten in Medien?
- Nach Sympathie für einen Kandidaten?
- Nach „Aggressivität“ einzelner Kandidaten?
- Nach der Häufigkeit der Präsenz von Kandidaten an den Infoständen?
- Oder Vorträgen von „Polit-Promis“ auf Veranstaltungen?
- Nach Diskussionsergebnissen mit den Kandidaten und/oder Wahlkämpfern?
- Nach Rede-Duellen der Spitzenkandidaten oder „Elefantenrunden“ im Fernsehen?
- Aufgrund persönlicher „Hausbesuche“ der Kandidaten?
- Weil sie immer schon „so“ gewählt haben?
- Weil sie es der bisherigen Partei „ihrer Wahl“ mal zeigen wollen?
Viele Institutionen und Vereine bieten beispielsweise im Internet Vergleichsmöglichkeiten an, indem sie Thesen aufstellen und die Nutzer um ihre Einschätzung bitten.
Am Ende der zwischen 20 und 40 Thesen, die der Nutzer mit „Zustimmung“, „Ablehnung“ und „Unentschieden“ oder „Neutral“ beantworten kann, wird die Übereinstimmung mit den Positionen der Parteien bzw. einzelnen Wahlkreiskandidaten dargestellt.
Wahlempfehlungen sind das natürlich nicht, allenfalls Orientierungshilfen. Der von der Bundeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit der entsprechenden Landeszentrale angebotene Wahl-O-Mat bietet diese Orientierungshilfe für alle 17 zur Landtagswahl 2012 zugelassenen Parteien.
Der Interessierte kann dabei 38 Thesen selbst zuordnen und erhält danach eine Auswertung, die ihm zeigt, wie sehr seine Einschätzungen mit denen der Parteien übereinstimmen.
Abgeordnetenwatch.de bietet eine Orientierung an den Wahlkreisen. Den Kandidaten wurden Thesen vorgelegt, denen sie zustimmen oder nicht zustimmen bzw. zu denen sie sich mit „unentschieden“ positionieren konnten.
Optional haben die Kandidaten auch die Möglichkeit entsprechende Begründungen abzugeben.
Auch hier können die Nutzer ihre eigene Position zu den Thesen mit denen der Kandidaten vergleichen und ggf. daran ihr Wahlverhalten ausrichten.
Auch ob sich Kandidaten an dieser (freiwilligen) Aktion von abgeordnetenwatch.de beteiligen, oder nicht kann das Wahlverhalten beeinflussen, denn wenn ein Kandidat sich zu Thesen nicht äußert, kann man ihn und seine Position auch nicht kennen.
Nach der Wahl festzustellen woran sich die Wähler wirklich orientiert haben, ist natürlich äußerst schwierig und kann – falls überhaupt – nur durch repräsentative Umfragen von Meinungsforschungsinstituten in Erfahrung gebracht werden.
Neu könnte bei dieser Wahl der Einfluss von bisherigen Nicht-Wählern sein. Denn dort fischen die Piraten, so scheint’s, erfolgreicher als die „konventionellen Parteien Stimmen „ab“.
Durch die in den letzten Jahren zunehmende Wahlverweigerung von Bürgern erhielten die Stimmen der wählenden Bürger letztlich mehr Gewicht. Wichtig war es also bisehr, die Stammklientel zur Wahl zu bewegen.
Diese Stammklientel der etablierten Parteien bröckelte allerdings zusehends.
Neben der unbekannten Größe der „Nicht-Wähler“ sind daher die Wechselwähler im Visier der Parteien.
Auch bei diesen Bürgern könnten die Piraten scheinbar erfolgreich „fischen“ und den anderen Parteien Stimmen abknöpfen.
Bekommen die informierten Bürger, die „Wutbürger“, also über die Piraten mehr Gewicht?
Etwas könnte natürlich auch passieren:
Die Piraten erhalten soviele Zweitstimmen, dass eine Koalition zwischen SPD und Grüne oder CDU und Grüne auch rechnerisch nicht gebildet werden kann, „droht“ eine große Koalition.
Die wolle in der SPD niemand, wie Hans-Willi Körfges im BZMG-Vis-á-vis-Interview sagte, so dass denkbar sei, dass man sich von Fall zu Fall Mehrheiten suchen müsse; Hannelore Kraft „könne auch Minderheitsregierung“.
Dass bei einer großen Koalitition in NRW für 5 Jahre „Stillstand“ einziehen würde, befürchten manche, die sich an andere große Koalitionen erinnern, weil sich dann SPD und CDU „auf den kleinsten gemeinsamen Nenner“ verständigen würden und nichts Positives für NRW zu erwarten sei.
Natürlich könnte es erneut zu einer rot-grünen Minderheitsregierung kommen, dann vielleicht mit den Piraten als „Zünglein an der Abstimmungswaage“, wenn sie sich an Sachthemen orientierend mal so und mal so verhalten würden.