Was ist anders bei der Landtagswahl 2012? – Teil II: Wahlprogramme & Volker Pispers [mit O-Ton] oder: „Wahlprogramme unter sich“
Red. Politik & Wirtschaft [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Was hat der politische Kaberettist Volker Pispers mit den Wahlprogrammen der Parteien zu tun? Eine sehr berechtigte Frage, die Pispers am Mittwoch, den 25.04.2012 in der Mönchengladbacher Marienschule auf seine ganz besondere Art beantwortete.
Scheinbar zufällig kam er auf die Wahlen zu sprechen und darauf, dass man den Piraten vorwerfe, kein Programm zu haben.
Pispers stellte den etwas verdutzten Zuhöhrern in den ersten Reihen die Frage, ob sie wüssten, was die Partei, die sie gewählt hätten, zum Thema Bildung zu sagen gehabt hätte. Verlegenheit machte sich untern den durchaus als politisch einzuschätzenden Besuchern breit.
[audio: 12-04-25-volksverein-pispers-20-wahlprogramme.mp3][ca. 1 Min.]2010
Vor zwei Jahren hatten alle Parteien genügend Zeit, sich auf den Wahltermin am 9. Mai vorzubereiten und somit auch ihre Wahlprogramme detailliert auszuarbeiten. Die ersten Entwürfe lagen bereits im Januar 2010 vor und waren schon Ende 2009 diskutiert worden.
Dementsprechend umfangreich waren auch die Programme. Umfangreich und selbst für den „interessierten“ Wähler allein schon aus zeitlichen Gründen kaum zu lesen und erst Recht nicht zu vergleichen.
Die Linke war mit ihrem 76-seitigen Wahlprogramm „Original sozial – konsequent solidarisch. Kurswechsel.“ etwas umfangreicher. Beschlossen wurde das Programm am 21.12.2009.
Zumindest gab es auch ein „Kurzwahlprogramm“, wobei die nachfolgende, auf 2012 vorgezogene Landtagswahl sicherlich nicht schon damals auf der FDP-Agenda stand.
Und wenn man den Wahlkämpfern, aber auch den Kandidaten die gleiche Frage gestellt hätte, mit der Pispers sein Publikum in nur einer Minute konfrontierte, wäre es ähnlich ruhig geworden, wie in der Veranstaltungshalle am letzten Mittwoch.
Wollten die Parteien bei der Landtagswahl 2010 den Wähler wirklich informieren und zur „richtigen“ Wahl anmimieren, hätte dieser insgesamt 543 Seiten Wahlprogramme lesen müssen, um eine „korrekte“ Wahlentscheidung treffen zu können.
Oft sind Texte, wie in diesen Programmen passagenweise eine echte Herausforderung, wie dieser Probetext verdeutlicht [Quelle: Wikipedia].
Ein BZMG-„Vorlesetest“ ergab übrigens, dass der Vorleser für 10 „normale“ Textseiten mindestens 20 Minuten benötigt.
Aber nicht nur wegen der Menge, sondern auch wegen der Verständlichkeit sind fast alle Wahlprogramme eine Zumutung; von den Inhalten soll an dieser Stelle gar nicht die Rede sein.
Die Universität Hohenheim nahm die Kommunikation der Parteien unter die Lupe und kam beispielsweise für die Landtagswahl 2010 in ihrem „Phrasen-Monitor“ u.a. zu folgenden Ergebnissen:
„Sprechen Sie politisch?
Immer wieder stoßen wir bei unseren Analysen der Parteien- und Politiker-Texte auf Aussagen, deren Sinn sich für den Normalbürger auch durch mehrmaliges Durchlesen kaum erschließen lassen wird. Ohne Fremdwörterbuch und die entsprechenden Gesetzessammlungen dürften diese Aussagen für viele Bürger ein Rätsel bleiben.
Im Folgenden haben wir einige dieser sprachlichen Verrenkungen zusammengestellt. Strategie oder Unvermögen? Diese Beurteilung wollen wir Ihnen überlassen.“(Ende des Zitates)
Quelle: https://www.uni-hohenheim.de/politmonitor/phrasen-monitor.php
2012
An der für 2010 beschriebenen Situation hat sich vom Grundsatz her auch 2012 nichts geändert, wie die Kieler Werbe- und Marketingagentur New Communication GmbH & Co. KG für die Landtagswahl 2012 in Schleswig-Holstein feststellt:
„Treffsichere Kommunikation beginnt mit gutverständlichen Texten. Dennoch wimmeln viele Texte von Fremdwörtern, Anglizismen, Fachvokabular und Bandwurmsätzen.“
So schreiben viele Parteien konsequent an Ihrer „Zielgruppe“, dem Bürger und Wähler, vorbei.
Das Ergebnis: Sie werden falsch oder gar nicht verstanden, selbst von manchen ihrer eigenen Kandidaten, Parteifreunden oder –genossen.
Diese beschränken sich lieber auf das Verteilen von Flyern (mit oder ohne Kugelschreiber) und sind froh, wenn man sie nicht konkret auf Passagen des jeweiligen Wahlprogramms anspricht.
Am liebsten ist es ihnen, wenn Sie jemanden dabei haben, der am Programm mitgearbeitet hat und so detaillierte Auskünfte geben könnte, wenn – ja wenn – sich ein Bürger (= Wähler) die Zeit genommen hat, mal in die Wahlprogramme hinein zu schauen.
Da bleibt es dann auch nicht aus, dass Fragen zu den oder zu einem speziellen politischen Mitbewerbern unbeantwortet bleiben.
Wie schrieb doch die Mönchengladbacher CDU, als die BZMG-Redaktion um die Beantwortung von 10 Fragen zur Piratenpartei bat: „… wäre es eine gute Aufgabenteilung, die CDU erst über die CDU, die SPD erst über die SPD und die Piraten erst über die Piraten erzählen zu lassen.“
Wenn wir das gemacht hätten, müssten wir uns wahrscheinlich noch monatelang etwas „erzählen lassen“.
Aber vielleicht lernen die Wahlkämpfer 2012 etwas über ihre eigenen Programme und die Programme „der anderen“, wenn sie die aktuellen Landtagswahlprogramme 2012 lesen.
Dann werden sie die „Zumutung“ selbst verspüren.
Ein politischer „Neueinsteiger“ müsste demnach 281 Seiten lesen, um zu erfahren, was er von den Grünen in NRW erwarten darf.
Die CDU begnügt sich mit einem „Wahlaufruf“ über 17 Seiten.
Die Piraten haben für NRW ein 88-seitiges Programm zusammengestellt und titeln mit Bezug auf Vorwürfe etablierter Politiker, die Piraten hätten kein Programm:„Dafür, dass wir kein Programm haben, steht hier viel drin“.
„NRW auf gutem Weg“ ist der Titel des Landtagswahlprogrammes 2012 der SPD.
Zu den Inhalten der Wahlprogramme: Soviel anders als die Wahlprogramme 2010 sind die für 2012 kaum.
Zumindest nicht hinsichtlich der Verständlichkeit und des Anspruches, die Wähler am 13.05.2012 zu veranlassen, das Kreuzchen an die „richtigen Stellen“ zu setzen.
Vor diesem Hintergrund muss man ernsthaft fragen, wozu die Parteien den enormen Zeit- und Kostenaufwand wirklich treiben.
- Zur Motivation der eigenen Mitglieder: „Wir sind toll!“?
- Zur Vorbereitung kommender Koalitionsverhandlungen: „Damit Ihr schon mal Bescheid wisst…“?
- Zur Imagepflege in der Öffentlichkeit: „Wir haben Antworten auf alle Fragen“?
- Zur Information der Wähler? Wohl kaum, denn: siehe oben…!
Wenn man den einen oder anderen aus den unterschiedlichsten Wahlkampfmannschaften darauf anspricht, erntet man Achselzucken und/oder fragende Gesichter.
Eine Dame verwies auf den ausliegenden Wahlkampf-Flyer und meinte, da stände doch alles drin.
Dann fragt man sich erst recht: Wofür das Ganze mit diesem Aufwand?
Abschließend: In diesem Zusammenhang wirken Standardhinweise am Ende mancher Mail geradezu grotesk.
Diese lauten beispielsweise: „Drucken Sie diese e-Mail nur aus, wenn es unbedingt notwendig ist! Schützen Sie unsere Bäume!“
2.
nihil-est schrieb am 30.04.2012 um 15:24 Uhr:
Ist das so – oder ist das auch (Real-)Satire?
Zitat: Wollten die Parteien bei der Landtagswahl 2010 den Wähler wirklich informieren und zur „richtigen“ Wahl anmimieren, hätte dieser insgesamt 543 Seiten Wahlprogramme lesen müssen, um eine „korrekte“ Wahlentscheidung treffen zu können.
Naja, jetzt habe ich mir die Mühe gemacht ( neuhochdeutsch: Recherche ) und wollte auf die angegebene Anzahl von 543 kommen.
Nach wirklich vielen ernsthaften Versuchen – sogar unter Berücksichtigung der Rechenarten welche man von nächtigen Spielshows aus dem TV kennt/kannte – ist es mir auch gelungen.
Gelungen da ich Grundregeln der Mathematik ausser Kraft setzte.
Also, auf 543 Seiten kommt man einzig, wenn man nur einen GERINGEN Anteil der Parteien mit deren Wahlprogramm addiert und hierbei jenseits der Landtagswahl 2010 auch Daten aus 2012 im Austausch nimmt.
Endlich konnte ich also auch den Artikel verstehen. War eine harte Nuss die es zu knacken galt – brauche jetzt bestimmt 1 Monat lang keine Profisodokus mehr lösen.
Falls also geneigte Leser – oder der/die/das Red (Soll ein kleener Witz sein, Alfred E. Neumann als Stichwort -auch Lust auf eine derartige Rechenaufgabe haben sollte: Kein Problem.
Die Lösung lautet bei gleicher Aufgabenstellung, also Anzahl Seiten zur Landtagswahl 2010: 1058 Seiten.
Wer also spass an “ Paramathematik “ hat und wem Sodokus schon immer zu langweilig waren kann sich ja daran versuchen.
Nur so am Rande, nebenbei
1.
D. Pardon schrieb am 30.04.2012 um 11:21 Uhr:
Wahlprogramme für das „Fachpublikum“ – Wahlplakate als polarisierendes, einfaches „Gegenstück“ für die Masse.
Wer mehr wissen will, der muss eben Zeitungen, TV und Internet nutzen.
Notfalls hilft der Wahl-o-Mat.