Kein Brot für Biogas – Initiativen fordern Diskussion über technische Alternativen zur industriellen Produktion von Methangas aus Nahrungsmitteln

Gertrud Stechmesser [ - Uhr]

logo-weitblickDie Initiativen mit Weitblick fordern die Entscheidungsträger in allen politischen Bereichen dazu auf, bei der begrüßenswerten Umstellung auf regenerative Energien alle verfügbaren Optionen vorzustellen und abzuwägen.

Die Umsetzung von Nahrungsmitteln in Gas sei zwar technisch möglich, aber ethisch bedenklich, klimaschädlich und nur durch hohen Einsatz fossiler Brennstoffe umsetzbar.

Das lobenswerte Ziel, unabhängiger vom Erdöl und importiertem Erdgas zu werden, lasse sich durch die geplante Vergärung von Mais und Getreide nicht unter Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien umsetzen. Deutlich besser geeignet seien Energiequellen wie Gülle oder pflanzliche Reststoffe, die in der Region in großer Menge verfügbar sind.

„Auf der diesjährigen Auftaktveranstaltung von Brot für die Welt warnten die Initiatoren, dass immer mehr Lebensmittel, Treibstoff und Futterpflanzen für die Länder der nördlichen Erdhalbkugel angepflanzt werden.

Die Menschen im Süden hungerten aber und ihnen werde der Boden für das tägliche Brot entzogen“, merkte Ernst van Bentum, Ökobauer vom Basitenberghof in Friedrichshausen an.

„Am 29. November 1984 wurde die Single „Do they know it’s Christmas?“ veröffentlicht und ein Jahr danach fand „Live Aid“ in London und Los Angeles statt, um Geld für die Opfer der Hungersnot in Äthiopien zu sammeln.

25 Jahre später schaffen wir durch den fehlgesteuerten Einsatz unserer Subventionen die Voraussetzungen für die nächsten Hungersnöte.“

„Stiller Tsunami“

Nach Angaben der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) leben ungefähr eine Milliarde Menschen von einem US-Dollar oder weniger pro Tag.

Für sie werden steigende Preise für Nahrungsmittel schnell lebensbedrohlich. Bereits 2011 drohen Engpässe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln, wenn die Produktion bestimmter Feldfrüchte nicht ausgeweitet wird, so die Welternährungsorganisation.

Bei den Getreidelagerbeständen werde gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang erwartet von 7%, darunter Weizen mit einem Minus von 10%, Gerste mit minus 35% und Mais mit minus 12%.

Vor dem Hintergrund weltweit sinkender Vorräte wird die nächstjährige Ernte aus Sicht der FAO maßgeblich für die Stabilität der internationalen Märkte sein.

Auf dem Höhepunkt der Nahrungskrise 2008 mit Rekordpreisen für Lebensmittel bezeichnete das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ diesen Missstand als „stillen Tsunami“ und ermahnte die reichen Länder, die Problematik so ernst zu nehmen wie die Finanzkrise der Bankenwelt.

Zum ersten Mal seit 30 Jahren brachen damals Proteste wegen Nahrungsknappheit in mehreren Ländern gleichzeitig aus.

Fast alles, was essbar ist — ob Getreide, Mais oder Zuckerrohr — wird mittlerweile zweckentfremdet. Die Folge dieser Fehlentwicklung ist, dass die Grenzen zwischen der Nahrungsmittel- und Energieindustrie verschwimmen.

Subventionen für Energiepflanzen, Missernten und Spekulationen auf den weltweiten Agrarrohstoffmärkten treiben die Preise in die Höhe.

Am 11. Oktober 2010 erhöhte sich der Preis für Mais um 8,5 Prozent, der höchste Tagesanstieg seit 37 Jahren.

Im Jahresvergleich haben sich die Preise für Weizen um 39%, für Mais um 49% und für Sojabohnen um 35% erhöht, berichtet die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. (Quelle: Nahrungsmittelbericht „Food Outlook – Global Market Analysis“, November 2010)

Hunger nach und Hunger durch Energie

Global agierende Wirtschaftskonzerne bedrohen die Lebensweise von Kleinbauern durch Landvertreibung und Brandrodung, um so Flächen für die Exportlandwirtschaft zu gewinnen.

Der Anbau von Energiepflanzen rund um die Welt bringt deshalb keinen langfristigen Wohlstand für die Länder der Dritten Welt, sondern verschärft deren Probleme bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln.

10-11-19-boerse-onlineUnd auch hierzulande forciert die planwirtschaftliche Subventionspolitik den Wechsel von der Landwirtschaft in die Agrarindustrie. Die Zeitschrift „Börse Online“ meldete am 19. November 2010, dass in Deutschland inzwischen Finanzinvestoren die Landwirte als wichtigste Käufergruppe von Ackerland überholt haben. (Quelle: http://mobil.boerse-online.de/versicherung/nachrichten/meldung/:Ackerland–Anleger-uebertrumpfen-Bauern/618773.html)

Die aktuelle Energiepolitik der reichen Industrienationen konterkariert aber auch die eigenen Klima- und Umweltziele.

In seiner Studie „Energieziel 2050: 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen“ schließt das Umweltbundesamt den Anbau von Nahrungsmitteln zur Nutzung in Biogasanlagen aus folgenden Gründen komplett aus: „Dazu zählen ihre Konkurrenz mit der Nahrungs- und Futtermittelproduktion, die negativen Auswirkungen auf Umweltmedien, wie z.B. Qualität von Wasser und Böden, Auswirkungen auf die Wassermenge, auf die Biodiversität und auf den Naturschutz. Zudem ist der Anbau von Biomasse nicht treibhausgasneutral.“

Zu den Kohlendioxid-Emissionen bei der Verbrennung müssen die Belastungen bei der Produktion, durch Pestizide und mineralische Düngemittel gerechnet werden.

Ohnehin ist Kohlendioxid nicht das einzige Treibhausgas; Distickstoffoxyd („Lachgas“) hat beispielsweise ein circa 300-mal höheres Treibhausgaspotential, verbleibt länger in der Atmosphäre und wird beim Mais- und Getreideanbau in großen Mengen freigesetzt. (Quelle: Umweltbundesamt-Studie „Energieziel 2050: 100 % Strom aus erneuerbaren Quellen“, Juli 2010, S. 56)

3 Kommentare zu “Kein Brot für Biogas – Initiativen fordern Diskussion über technische Alternativen zur industriellen Produktion von Methangas aus Nahrungsmitteln”
  1. Neben der unbestreitbaren Tatsache, dass es nicht nur absurd und kontraproduktiv sondern zutiefst unethisch ist, ohne Not Nahrungsmittel zur Erzeugung von Energie anzubauen und zu nutzen, will sich mir beim besten Willen nicht erschließen, warum Methangasanlagen, die mittlerweile doch von jedem halbwegs vernunftbegabtem Menschen als nicht zielführend, weil eher umweltschädigend, erkannt wurden, nach wie vor auf der staatlichen Förderliste stehen.

    Es gibt doch bessere, lohnendere und preiswertere Alternativen: Solar & Wind. Aber hier werden die Subventionen ja jetzt drastisch gekürzt, wie man neuerdings hört. Und warum?

    Da lese ich einigermaßen fassungslos die folgende Schlagzeile: „Deutsche Energie-Agentur warnt vor einem Stromnetz-Kollaps durch Solarstrom. Die Netze seien nicht ausreichend eingestellt“.
    [Für Interessierte: http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article1665703/Droht-Deutschland-ein-Netz-Kollaps-durch-Solarstrom.html%5D.

    Nein, tut mir Leid, das verstehe ich nicht! Da wird jahrelang vehement für den Ausbau der Erneuerbaren Energien getrommelt und gefördert, was das Zeug hält, und ist dann völlig überrascht, dass die Verbraucher und die entsprechende Industriebranche das Angebot annehmen?!

    Man wollte doch lieber früher als später das erklärte Ziel der 100%igen Deckung des Strombedarfs über EE erreichen und die Atomkraft nur noch als unverzichtbare „Brückentechnologie“ nutzen … oder habe ich das falsch verstanden? Und wenn wir jetzt schon – also viel früher als geplant, erhofft, gedacht – so viel Strom zusätzlich über Solar & Co. erzeugen, na dann können wir doch flugs ein altes AKW oder Kohlekraftwerk abschalten – Etappenziel erreicht! Stattdessen wird verkündet, dass der Ausbau von Solar & Wind jetzt erst mal nicht im gleichen Tempo weitergehen soll und darf, da werden Auflagen gemacht, wie viel zusätzliche MW nächstes Jahr höchstens noch verbaut werden dürfen. Das begreife, wer will…!

    Aber die Förderung von ganz und gar nicht CO2-neutralen, von ganz und gar nicht umweltpositiven, von ganz und gar nicht ungefährlichen Methangasanlagen, nein, diese Förderung wird wohl nicht gekürzt – zumindest hat man davon offiziell noch nichts gehört.

    Fazit: Will man der aktuellen Regierung nicht Unvermögen und Inkompetenz auf ganzer Linie bescheinigen, kann man kaum umhin, zu dem Schluss zu kommen, dass ihre energiepolitischen Entscheidungen nichts als ein Kniefall vor den führenden (oder sollte man sagen: herrschenden?) Energiekonzernen sind.

    Erbärmlich!

  2. Guten Tag,

    habe gerade gelesen, es wird eine Holding geben mit NVV und den Niederrheinwerken?

    Na, das ist doch ganz prima für die NVV.

    Damit vergrößert sich das Baugebiet für Biogasanlagen doch um einiges.

    Aber es vergrößert sich auch die zu prüfende Fläche für den besten Standort.

    Die Bezirksregierung sollte dies erkennen und eine Überprüfung veranlassen.

    Nun läßt sich sicher ein besseres Baugebiet bestimmen.

    Und es können endlich auch Viersener Bauern zu Energiewirten umgeschult werden.

    Oder es könnten gar größere und gleich mehrere Methangasanlagen in die Welt gebaut werden.
    Wie war das, zu wessen Wohl oder Wehe?

  3. Die Problematik des Bioenergiewahnes wird hervorragend dargestellt.

    Es ist ein absoluter Wahnsinn, welche weltweiten Folgen die sogenannte „Bioenergie“ verursacht. Konzerne füllen sich die Taschen dank fehlgeleiteter Subventionspolitik und reiben sich die Hände. Landwirte werden „Energiewirte“.

    Es geht nicht mehr um Ernteertrag sondern Wertschöpfung.

    Die Bundesrepublik Deutschland verramscht ihr Tafelsilber, nämlich Ackerland, das wir in einigen Jahren dringendst benötigen werden, für den sprichwörtlichen „Appel und ‘n Ei“.

    Wie dumm und kurzsichtig sind wir? Warum lassen wir uns das bieten?

    Und das allerschlimmste daran: Wir tragen zu Not und Elend in der Welt bei und zerstören dabei auch noch so ganz nebenbei, dafür aber mit System, unseren Planeten nachhaltig. Nicht alles was machbar ist und Geld bringt, muss auch getan werden!

    Das alles nur, damit reiche Konzerne noch reicher werden? Was muss eigentlich noch passieren, dass wir endlich wach werden?

    Diese Frage geht selbstverständlich auch an „unsere“ NVV und deren Ausichtsratsvorsitzenden Lothar Beine.

    Aber auch dort zählt einzig und allein, dass so viel Geld wie möglich verdient wird. Angeblich zum „Wohle“ der Sadt MG. In Wahrheit zum Wohle von RWE, die sich „grün“ gibt. Nicht umsonst erhielt RWE dieses Jahr den „Worst EU Lobby Award“.

    Nachhaltigkeit? Davon sind wir Äonen entfernt! Wann begreifen wir, dass man Geld nicht essen kann?

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