Neubau Zentralbibliothek oder „Kollektiv der Zahlenjongleure“? – Teil X: Bibliothek an der Blücherstraße kann für ca. 2,5 Mio EURO über 2017 hinaus weiter betrieben werden

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

Das sind Schluss­folgerung und logische Konsequenz aus den Ergebnissen der Baukosten­unter­suchung, die Baudezernent Andreas Wurff am gestrigen Spätnachmittag (15.04.2013) der Presse vorlegte und erläuterte.

Dies seien die Kosten, die nicht nur von der Bauverwaltung geschätzt und zusammengestellt wurden.

Parallel und unabhängig von der Verwaltungsschätzung sei ein externer und unabhängiger vereidigter Sachverständiger auf einem anderen Berechnungswege zu nur in Nuancen abweichenden Kosten gekommen.

Über diese Quasi-Übereinstimmung sei man froh, weil damit die Zweifel an den verwaltungsinternen Kalkulationen ausgeräumt seien.

Daraus darf geschlossen werden, dass das Baudezernat nicht zu den „Zahlenjonleuren“ im Sinne dieser Themenreihe zu zählen ist.

Kosten für den Weiterbetrieb der Zentralbibliothek

Bedingung für einen Weiterbetrieb der Zentralbibliothek an der Blücherstraße über 2017 hinaus ist eine Brandschutzsanierung, die mit 2.527.562,45 EURO veranschlagt wird.

Für den 15 bis 20 Meter hohen Neubau an der Hindenburgstraße werden (einschließlich Einzelhandelsflächen) fast 25 Mio. EURO geschätzt.

Kosten einer energetischen Sanierung

Die energetische Sanierung des Gebäudes an der Blücherstraße ist keine Bedingung für den Weiterbetrieb, sondern allenfalls eine „mögliche“ organisatorisch günstige Maßnahme, wenn sie zeitgleich mit der Brandschutzsanierung durchgeführt würde.

Die momentanen (Gas-)Heizkosten beliefen sich im gesamten Jahr 2012 auf 26.922,93 EURO.

Legt man eine jährliche Einsparung an Heizenergie von 75% zugrunde, hätte sich die reine Investition (ohne Zins- und andere Finanzlasten) nach 99 Jahren amortisiert.

Unterstellt man, dass noch weitere (elektrische) Heizaggregate betrieben werden, wie Baudezernent Wurff auf Nachfrage andeutete, und dadurch Heizkosten in Höhe von insgesamt 35.000 EURO entstehen würden, läge die Amortisationszeit bei 76 Jahren (ohne Berücksichtigung von Zins- und anderen Finanzkosten).

Beide Rechenbeispiele beweisen, dass Investitionen in eine energetische Sanierung unwirtschaftlich sind.

Aber auch, dass die energetische Sanierung kein seriöser Kalkulationsfaktor pro Neubau einer Stadtbibliothek ist, unabhängig vom Standort.

Kosten einer Erweiterung

Grundlage für die Kalkulation einer Erweiterung der Zentralbibliothek an der Blücherstraße ist nach Angabe von Baudezernent Wurff ein „Raumprogramm“ aus dem Dezernat Dr. Fischer.

Es ist nur Aufgabe des Baudezernates, wie Wurff zu Beginn des gestrigen Pressegespräches betonte, als verwaltungsinterner Dienstleister zu wirken. Unter dem Gesichtspunkt ist es auch nicht dessen Aufgabe, „Fachangaben“ zu hinterfragen.

Somit liegt auch die Nennung des Flächenbedarfs für einen Erweiterungsbau ausschließlich in der Kompetenz im Sinne von Zuständigkeit und Verantwortung bei Dr. Gert Fischer und seinem Fachbereichsleiter Bibliothek und Museum, Guido Weyer.

Wie sehr Fischers/Weyers „Vorgaben“ anzuzweifeln sind, macht die Differenz deutlich, die sich aus deren Angaben in der Berichtsvorlage 333/VIII vom 12.07.2011  und den Publikumsflächen die sich auf  Grundlage bemaßter Grundrisszeichnungen errechnen lassen.

Das sind nämlich ca. 1.620 qm, was ein Mehr von immerhin ca. 400 qm ausmacht.

Die von unserer Redaktion am 05.04.2013 über die Pressestelle erbetene Erläuterung, welche Publikumsflächen in den 1.230 qm enthalten sind, steht bis heute (16.04.2013) aus.

Das wiederum legt die Vermutung nahe, dass hier etwas verborgen werden soll.

Hat man „herunter“ gerechnet, um dadurch die Legitimation für die Forderung nach mehr Platz zu haben? Rechnerisch geht es um die nicht geringe Differenz von immerhin etwa 400 qm, möglicherweise aber auch noch mehr…

Außerdem bleibt die Frage nach den Auswirkungen der Onleihe, die nun auch in den Mönchengladbacher Bibliotheken verfügbar sein wird, und deren Entwicklung erst einmal beobachtet werden sollte.

Auch wenn es aktuell noch das eine oder andere Problem mit Verlagen geben mag, wird sich die Situation mit Sicherheit in den kommenden Jahren normalisieren und die Onleihe in einer Hybridbibliothek ihren festen Platz einnehmen.

Das wird mit Sicherheit Auswirkungen auf die Menge an Büchern haben, die physisch an den Bibliotheksstandorten vorgehalten werden.

Der Raumbedarf wird infolgedessen zurück gehen.

Genauso wie die Einwohnerzahl Mönchengladbachs, für die zwischen 2003 und 2020 ein Rückgang um 3,4 Prozent prognostiziert wird (Quelle: „Wegweiser Demographischer Wandel 2020“, Bertelsmann Stiftung).

Auch im Hinblick darauf ist es angeraten zu analysieren, wie sich die Bibliothkes-Kunden künftig zusammen setzen werden (z.B. mehr oder weniger Kinder und Jugendliche oder Senioren), um deren unterschiedlichen Ansprüchen Rechnung tragen zu können.

Auch das wird Auswirkungen auf den Raumbedarf und Angebote der Bibliothek wie z.B. die Leseförderung haben.

Im Hinblick auf den aktuellen Raumbedarf muss auch der Bereich „Non-Book“ (z.B. CDs, DVDs) auf den Prüfstand. Hier ist gemäß der Deutschen Bibliotheksstatistik ein klarer Abwärtstrend erkennbar.

Der Höchststand in diesem Bereich war 2005 mit 474.748 Ausleihungen.

Dagegen waren es im Jahr 2011 nur noch 369.914. Der größte Einbruch seit 2004 war von 2010 (420.131 Ausleihungen) auf 2011 (369.914 Ausleihungen) mit einem Minus von 50.217 Ausleihungen.

Dies bestätigt einen eindeutigen Abwärtstrend, dem ebenfalls Rechnung getragen werden muss und kritisch beobachtet werden sollte, wohin die Entwicklung letztendlich gehen wird. Dies nicht nur im Hinblick auf den Raumbedarf.

Non-Book-Medien sind derzeit auf einer äußerst großzügig bemessenen Fläche von ca. 187 Quadratmetern im Obergeschoss der Bibliothek untergebracht.

Diese Fläche wird über kurz oder lang wieder für eine andere Nutzung zur Verfügung stehen.

Fazit:

  1. Außer Frage steht, dass der Brandschutz den aktuellen Vorgaben angepasst werden muss. Die Kosten hierfür stehen mit 2.527.562,45 EURO in keinem Verhältnis zu denen für einen Neubau von rd. 25 Mio. EURO.
  2. Die Energiekosten sind definitiv kein Argument für einen Neubau.
  3. Der gesamte Platzbedarf muss endlich unter Berücksichtigung diverser Faktoren detailliert nachgewiesen werden, um damit z.B. eine Wunscherweiterung, die immerhin rd. 4,3 Mio. EURO kosten würde, legitimieren zu können.
  4. Im Lichte der nunmehr vorliegenden Kosten wirken die Argumente für einen Bibliotheksneubau noch fadenscheiniger und unausgegorener.
  5. Der Bau eines, wie es nun heißt, „Kultur-, Bildungs- und Medienzentrums“ ist ein Wunschkonzert der Ampel, das gespielt werden kann, wenn wieder mehr Geld in der aktuell absolut leeren Haushaltskasse ist.
2 Kommentare zu “Neubau Zentralbibliothek oder „Kollektiv der Zahlenjongleure“? – Teil X: Bibliothek an der Blücherstraße kann für ca. 2,5 Mio EURO über 2017 hinaus weiter betrieben werden”
  1. Wir können von Riesenglück sprechen, dass an dieser Stelle erst mal (hoffentlich bleibt es dabei!) keine Bibliothek gebaut wird.

    Das ist doch entsetzlich!

    Wer hat sich diese monströse Scheußlichkeit ausgedacht?

    @ Ypsilon. Richtig, egal was noch an Entwürfen gekommen wäre, geht einfach nicht. Grundstück ist zu schmal, und es muss in die Höhe gebaut werden.

    Damit wäre da oben wirklich alles kaputt.

    Erinnert an die künstlichen Bauten der Reißbrettstadt Brasilia. Mit dem Unterschied, dass dort zwar auch geklotzt wurde aber viel Platz zur Verfügung steht. Übrigens auch heute noch. Will keiner haben.

    Monsterbauten kann man dort hin setzen, wo es viel mehr Nachfrage nach Flächen gibt als noch Platz vorhanden ist. Die Situation haben wir in MG nicht. Im Gegenteil.

  2. Noch irgendwelche Fragen?

    Mit welchen Argumenten sollten wir Bürger bei Aufführung dieser Tragikomödie hinters Licht geführt werden! Es wurde nichts ausgelassen.

    Oder anders ausgedrückt: Für wie dumm hält die Ampel die Bürger dieser Stadt, die für solche unrealistischen Hirngespinste zur Kasse gebeten werden sollen!

    Selbstüberschätzung von Politikern und sträfliche Unterschätzung der Bürger. Volksverdummung.

    Und dann dieser Entwurf! Egal was noch an Entwürfen käme, klar ist, dass diese Stelle für ein Gebäude dieser Größe absolut unmöglich ist. Passt wie Faust auf’s Auge.

    Soll für die „Sichtachse“ auf’s Museum dann auch noch die Citykirche weichen oder wie soll die hergestellt werden?

    Grausam. Der nächste Monsterbau, den es dann an der Hindenburgstraße neben den demnächst alles dominierenden, nicht minder hässlichen Arcaden zu besichtigen gäbe. Leerstände inklusive.

    Die Ampel wäre sehr gut beraten dieses unwürdige Theater ganz, ganz schnell zu beenden und zu hoffen, dass diese unrühmliche, peinliche Darbietung dem Vergessen anheim fällt.

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