Behindertengerechte WC’s immer noch keine Selbstverständlichkeit
Red. Neuwerk [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Sie haben ein menschliches Problem. Und das Problem ist für viele Seniorinnen und Senioren so drängend, dass sie lieber zu hause bleiben, als „draußen am Leben“ teilzunehmen.
WC’s, die auch Menschen mit alters-, auch medikamentenbedingtem unsicherem Gang, Gehhilfen, Rollatoren oder gar Rollstühlen aufsuchen können, sind leider keine Selbstverständlichkeit.
Dabei sind Probleme einer älter werdenden Gesellschaft und deren Folgen für Veranstalter und Geschäftsleute hoch-aktuell, Maßnahmen zum Um- und Gegensteuern JETZT gefragt.
Das Problem fehlender behinderten-gerechter Toiletten auf öffentlichen Veranstaltungen wird zu Unrecht „nur auf die paar Rollstuhlfahrer“ reduziert, für die sich „Aufwand und Kosten nicht lohnen“.
Das Problem ist tiefer und vielschichtiger, als der erste Anschein hergibt.
Zwar hatte Oberbürgermeister Norbert Bude (SPD) noch am Behindertentag im letzten Jahr versichert, dass die Stadt Mönchengladbach öffentliche Veranstaltungen nur noch mit dem Nachweis einer behindertengerechten Toilette genehmigen würde, jedoch tut sich die Verwaltung mit der Umsetzung schwer (BZMG berichtete).
„Das würde nur für Großveranstaltungen gelten“, hieß es auf Nachfrage des Sozialverbands VdK zu fehlenden Behindertentoiletten zur Frühkirmes in Neuwerk. Kein Einzelfall!
Die Gretchenfrage lautete also, ob die Frühkirmes in einem Stadtteil eine Großveranstaltung ist oder nicht.
Der Sozialverband VdK meint „JA“, zumal wenn ausdrücklich alle Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an den Festivitäten eingeladen und aufgefordert werden: Inclusion will schließlich vor Ort gelebt werden, will man den Anspruch auf „uneingeschränkte Teilhabe am öffentlichen Leben für ALLE Menschen“ auch wirklich umsetzen.
Das ist das Maß, an dem sich alle Entscheidungsträger, gleich ob in Politik und Verwaltung oder in Vereinen messen lassen müssen. Und das, wie gesagt, im eigenen Interesse, denn das Problem der Überalterung ist längst „angekommen“.
Da ist Handeln gefragt, nicht abwarten, will man Strukturen in Stadtteilen mit Geschäfts- und Vereinsleben erhalten.
Und das Handeln fängt im Kleinen an: z. B. bei der Frage behinderten-gerechter Toiletten, eine Frage, die eben „nicht nur die paar Rollstuhlfahrer“ umtreibt.
„Die Dixie-Toilette neben dem Neuwerker Festzelt wurde in diesem Jahr günstiger platziert und bot auch ausreichend Bewegungsfreiheit für Rollstuhlfahrer“, registriert Franz Parsch, der selbst Rollstuhlfahrer ist, die Bemühungen der beiden Neuwerker Bruderschaften und des Zeltverleihers vor Ort.
„Leider löst sie nicht das Problem der Festplatzbesucher“, meint er weiter, denn nur zu Betriebszeiten im Zelt konnte hierfür der Schlüssel abgeholt werden. „Und ein Hinweisschild wäre auch angebracht“.
Einen solchen Hinweis vermisste der Behindertenbeauftragte des VdK Neuwerk auch im Bettrather Festzelt. Hier kann normalerweise der Behinderten-WC des in unmittelbarer Nähe zum Festzelt gelegenen Pfarrheims genutzt werden.
Die Verantwortung für fehlende behindertengerechte Toiletten liegt letztlich nicht bei Bruderschaften und Vereinen, sondern bei Verwaltung und Politik. Von hier müssen klare Anweisungen und Vorschriften kommen.
Also suchte der VdK-Behindertenvertreter nach den ersten Gesprächen mit dem Präsidenten der St. Barbara-Bruderschaft nach einer kostengünstigen und umsetzbaren Lösung für ein Behinderten-WC am Kirmesplatz Gathersweg, führte mehrere Gespräche mit Bezirksverwaltung und städtischem Behindertenvertreter.
Letztlich zogen dann Bezirksvorsteher Hermann-Josef Krichel-Mäurer (SPD, im Bild) und Bezirksverwaltungsstellenleiter Hans Rindfleisch an einem Strang, um die Toiletten der Krahnendonkhalle nutzbar zu machen.
Auf diese Nutzungsmöglichkeit konnte der VdK Neuwerk nur per Mundpropaganda hinweisen.
Und auch hier gab es zeitliche Einschränkungen, denn der vorübergehende Schlüsselbesitzer konnte verständlicherweise nicht den ganzen Tag über zur Verfügung stehen.
„Eine absolute Notlösung für dieses Jahr“, kommentiert Franz Parsch, „aber nicht für nächstes Jahr“, betont er weiter.
Die Entfernung vom Schützenzelt zur Halle ist für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nicht optimal. „Als sportlicher Rollstuhlfahrer schaffe ich das schon.
Viele Seniorinnen und Senioren haben jedoch am Rollator oder mit Gehhilfe in der Hand ein eher gemäßigtes, alters- und krankheitsbedingt langsames Gehtempo. Die schaffen die Strecke schlecht oder gar nicht.“
Viele Menschen reduzieren das Problem auf den einzelnen Rollstuhlfahrer und Rollatorbenutzer. „Das ist schlichtweg falsch“, erklärt Franz Parsch und führt aus, dass viele Seniorinnen und Senioren alters- und medikamentbedingt einen unsicheren Gang haben, schlechter sehen, schneller über Kabel und Unebenheiten stürzen.
Wackelige Geländer hinauf in den Toilettenwagen verstärken die Unsicherheit. „Hier sind auch die Festzeltbetreiber in der Pflicht für mehr Sicherheit zu sorgen“, äußert sich der Behindertenbeauftragte des VdK Neuwerk nach seiner Testrunde.
Auch deshalb ist der Sozialverband VdK übrigens zu einem kostenlosen „Null-Barrieren-Check“ auf Anfrage von Veranstaltern gerne bereit – nicht zum Anprangern, sondern um zu Helfen, Barrieren überhaupt zu erkennen und mit einfachen Mitteln zu beseitigen.
„Viele verschweigen aus Scham dann noch ein Problem, das viele ältere Frauen und Männer haben: Inkontinenz“, erklärt er weiter.
„Wie viele bleiben Veranstaltungsorten fern, nur weil sie nicht wissen wohin, wenn sie mal müssen?“, fragt er sich. „Das sind doch auch Einnahmequellen. Und werden die Älteren nicht immer mehr?“, überlegt er weiter.
Eine mobile behindertengerechte Toilette verursacht erst einmal Kosten. Und diese Kosten müssten umgelegt werden. Auf wen? Und wie hoch wären die Mehrkosten genau?
Die Kosten sind nach Parsch’s Recherchen durchaus tragbar, die Umlage auf geschäftliche Nutzer des Kirmesplatzes und für WC-Benutzer durchaus zumutbar.
„Auch darüber gilt es nun zu reden“, meint Franz Parsch, will alle Zahlen und Fakten auf den Tisch sehen.
Wichtig war Franz Parsch und dem VdK-Vorstand Neuwerk die Diskussion um ein Thema, dessen Problem für Betroffene oft schamhaft verschwiegen wird, Menschen vom Besuch des Kirmesplatzes und Veranstaltungen abhält.
„Beide Lösungen, ob Dixie-WC oder Krahnendonkhalle, werten wir als ein Zeichen des guten Willens“, meint hierzu Franz Parsch und sieht diese Zeichen als Anfang einer neuen Bewertung zur gleichberechtigten Teilhabe am öffentlichen Leben.
„Aber die aufgeworfenen Fragen müssen beantwortet, die nun begonnene Diskussion fortgesetzt werden“, gibt sich Franz Parsch kämpferisch. Aufgeben kommt für den Sozialverband VdK nicht in Frage.