Symptome der Macht – Teil XIX: Sind Bürger in politischen Angelegenheiten überfordert?

Bernhard Wilms [ - Uhr]

buerger-eckig-2Diese Frage stellt man sich, wenn man liest, dass CDU und SPD im Land genau das befürchten, wenn es um die Änderung des Kommunalwahlrechts in NRW geht. 

Der eine oder andere Mönchengladbacher Kommunalpolitiker glaubt wohl, dass eine derartige „Überforderung“ auch in der täglichen „Polit-Praxis“ der Fall ist.

Hatte sich doch ein SPD-Ratsherr in einer quasi-öffentlichen Veranstaltung, als bei der Frage zur möglichen Nachnutzung des JHQ die Beteiligung der Mönchengladbacher Bürger angesprochen wurde, gesagt: „Man darf die Bürger nicht überfordern!“

Die Mönchengladbacher Parteivorsitzenden, in Interviews zum Thema „Bürgerbeteiligung“, auf diese Äußerung angesprochen, erklärten durchweg, dass diese Einschätzung unangebracht sei.

Die Linken-Vorsitzende Sabine Cremer hielt dies für arrogant: „Das würde bedeuten, dass die Bürger grundsätzlich dümmer seien, als die Politiker…“

Erich Oberem (FWG) sieht das etwas differenzierter und legt den Schwerpunkt darauf, dass jeder, der sich als Verwaltungsmitarbeiter und Politiker mit  Bürgeranliegen befasst, die Informationen so aufzubereiten hat, dass sein Gegenüber, also der Bürger, sie versteht und damit nicht überfordert wird.

Dr. Günter Krings (CDU) meinte zusammenfassend, dass die Politik manchmal die Bürger eher unterfordere, weil Bürger oft eher langfristiger denken würden als Politiker.

Andreas Terhaag (FDP) versucht, die Aussage mit dem Ineinandergreifen vieler Aspekte zu erklären und stellt den Vergleich zu den Kommunalpolitikern her, die Informationen „nicht nur“ über die Presse, sondern auch durch die Arbeit in Fraktionen, Ausschüssen und Rat ein gesamtes Bild erhielten. Damit sei jedoch nicht gewährleistet, dass die Politiker, die über eine Sache abstimmen, wirklich wissen, worüber sie abstimmen. Vielmehr seien es die Fachleute in den Fraktionen, die die Fraktionsmitglieder informieren und auch mit Hintergrundinformationen versorgen, woraus sich dann ein Votum der Fraktionsmitglieder ergeben würde.

SPD-Vorsitzende Angela Tillmann meinte, dass ein solcher Ausspruch diskussionswürdig sei. In gleicher Weise könnten auch Ratsmitglieder überfordert sein. Schließlich seien auch Politiker zunächst einmal Bürger, die erst im Laufe der Zeit auf gewissen Gebieten Kenntnisse erwerben. Sicherlich gebe es komplexe Themen, die schwierig zu vermitteln seien, wenn es aber Bürger gebe, die sich interessieren, müsse man das darin enthaltene Potenzial erkennen und nutzen.

Noch deutlicher wurde Uli Laubach (B90(Die Grünen): „Das ist völliger Unsinn“.

Dass der Begriff „Unsinn“ gar nicht so weit von der Realität zu sein scheint, beweisen die diversen Mönchengladbach Bürgerinitiativen, die auf eindrucksvolle Weise unter Beweis stellten und stellen, dass Bürger keineswegs „überfordert“ sind, auch wenn es um allgemeine politische Angelegenheiten geht.

Mit hoher Sachkompetenz und großem Engagement zeigen solche Bürger manchen Politikern deren politische und fachlich-inhaltlichen Defizite auf.

Weil letztere das nur ungern sehen, oder gar zugeben, kann bei ihnen durchaus ein Gefühl der Ohnmacht entstehen.

In der Folge entstehen solche „Überforderungseinschätzungen“, die darauf basieren, dass Politiker meist nur aufgrund langjähriger politischer Tätigkeit und Verbindungen über ein „Herrschaftswissen“ verfügen, das sie nicht gerne teilen.

Es stellt sich die sehr interessante Frage, wie es wäre, wenn Bürger generell mehr, verständlichere und vollständigere Informationen erhielten. Informationen, die über Beratungs- und Beschlussvorlagen zu den Ausschussen und den Rat hinaus gehen, die für viele (auch manche Politiker) schon allein wegen ihres „Verwaltungscharakters“ ein Grauen sind.

2 Kommentare zu “Symptome der Macht – Teil XIX: Sind Bürger in politischen Angelegenheiten überfordert?”
  1. Zum Wählen ist der Bürger auf einmal intellektuell in der Lage, sich der Tragweite seiner Entscheidung bewusst? Oder sind wir doch nur Stimmvieh?

    Da schließe ich mich an: Eine absolute Unverschämtheit!

  2. Hier und zu dem Artikel

    http://www.bz-mg.de/nach-den-wahlen/kommunalwahl-2009/breite-unterstutzung-fur-wahlrechtsreform-in-nrw-in-landtagsanhorung-cdu-und-spd-befurchten-uberforderung-der-wahler-burger.html

    Was soll das denn?

    Zitat: Die Sozialdemokraten lehnen wie die CDU eine Wahlrechtsänderung ab, weil sie darin eine Überforderung und Abschreckung der Wähler sehen. Zitat Ende.

    Eine absolute Unverschämtheit!

    Abschreckend ist was den Wählern geboten wird. Es gibt jede Menge überforderte Politiker. Deshalb (aber nicht nur) haben es die Lobbyisten so einfach.

    Haben die Angst um ihre sicheren Listenplätze, die fast immer nur mit Klüngelei zu kriegen sind?

    Die Wähler sind es satt für dumm (überfordert) verkauft zu werden. Dass der Eindruck stimmt beweist die Meinung von CDU und SPD.

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