Kaufland in Holt • Teil III: Versprechen, Versprecher oder plakative Augenwischerei? • Aspekt „Gewerbesteuer“ [mit Video]
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Die Gewerbesteuer ist in Deutschland eine reine Kommunalsteuer (zu den Gemeindesteuern zählend), die also vollständig der Gemeinde oder Stadt zusteht, in dem das Unternehmen angesiedelt ist.
Neben der Grundsteuer, Gebühren und Beiträgen, ist sie eine der wesentlichsten und wichtigsten originären Einnahmequellen der Kommunen in Deutschland.
Aus der Gewerbe- und der Grundsteuer bestreiten, so die Idee dahinter, Kommunen, also Städte und Gemeinden, einen großen Teil ihrer öffentlichen Leistungen. Auch Infrastrukturmaßnahmen genannt.
Infrastrukturmaßnahmen sind erforderlich, um für die Bevölkerung die nötige „Grundausstattung“ zu schaffen, auszubauen, zu verbessern und instandzuhalten. Dazu zählen z.B. Straßen, Schulen, Stromleitungen, Wasserver- und -entsorgung.
Kommunen haben ein Hebesatzrecht. Das bedeutet, die Höhe der Gewerbe- und Grundsteuer legt jede Kommune selbst fest.
In den letzten Jahrzehnten klagen Kommunen immer stärker darüber, ein Einnahmeproblem zu haben. Das gilt auch für Mönchengladbach.
In einem Interview in der RP [http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/wir-haben-ein-einnahmeproblem-aid-1.2658502] am 02.01.2012 hatte MdL Hans-Willi Körfges (SPD) im Zusammenhang mit dem Stärkungspakt erklärt: „Es gibt keine Bereiche mehr, wo man kurzerhand viele Millionen einsparen könnte. Mönchengladbach ist insofern ausgepresst wie eine Zitrone.
Es geht daher nur über die Einnahmen, zum Beispiel die Gewerbesteuer. Aber natürlich ist das eine schwierige Diskussion. Wir haben bei allen öffentlichen Haushalten ein Einnahmeproblem. Irgendwann muss man sich dem stellen.“ (Zitat Ende)
Nicht nur vor diesem Hintergrund fällt es selbstverständlich auf, dass Kaufland ausdrücklich erklärt, in Mönchengladbach Gewerbesteuer zahlen zu wollen. Normalerweise, so könnte man meinen, eine Selbstverständlichkeit.
Kaufland-Repräsentant, Volker Hildebrandt, reagierte am 14.08.2014 bei der Veranstaltung in Holt auf die Frage einer Bürgerin merklich gereizt. Die ganz einfache Frage lautete: „Sie haben erklärt, dass Gewerbesteuer in Mönchengladbach gezahlt wird. In welchem Umfang? 100% oder anteilig?“
Die Antwort war erstaunlich.
Hildebrandt wörtlich: „Das kann ich Ihnen nicht sagen, wenn sie Fachexperte in Gewerbesteuer sind, dann könnte ich hier ein bisschen ausholen, das muss ich auch nicht machen. Es gibt die Variante zwischen 0 und 100.“
Allgemeines Gelächter!
Hildebrandt weiter: „Und dann kann man als Unternehmen hingehen, und wenn wir uns bekennen, dass wir dann sagen: Ja, wir zahlen die Gewerbesteuer hier auch in der Stadt, dann tun wir das auch. Es gibt genug Möglichkeiten, da sind wir nicht die einzigen, es gibt vielleicht auch andere Unternehmen, die, ich sag mal von mir aus Plural, deutschlandweit arbeiten, das vielleicht anderweitig sortieren. Das kann man alles entscheiden.
Und wenn wir das jetzt da dran geschrieben haben, das habe ich mir ja vorher überlegt oder vorher im Unternehmen abgestimmt, ob wir das machen. Jetzt steht es da und dann machen wir das auch.“
Hildebrandts Ausführungen verursachten einige Zwischenrufe und die Frage, wie viel Gewerbesteuer es denn nun sein werde. Also 100%?
Darauf meinte er: „Ich bin ja gefragt worden. Ich habe doch gesagt ja, 100%! Habe ich doch gesagt. Jetzt zweimal schon.“
An dieser Stelle beendete Bezirksvorsteher Oellers – ebenfalls sichtlich genervt – sowohl die Fragerunde als auch die Veranstaltung.
Bei vielen hinterließ Hildebrandts Antwort Kopfschütteln und eine gewisse Ratlosigkeit.
Vor allem, bei denen, was die allermeisten gewesen sein dürften, die bisher glaubten, dass ein vor Ort ansässiges Unternehmen auch in Mönchengladbach Gewerbesteuer zahlen würde. Eben wie jeder Einzelhändler, Handwerker oder sonstige Unternehmen.
Dem ist nicht so.
Für die Gewerbesteuer gilt keinesfalls eine generelle, schon gar nicht einfache Regelung.
So kann es durchaus vorkommen, dass eine Kommune von einem Unternehmen, das mehrere Betriebsstätten (Filialen) in Deutschland betreibt, gar keine Gewerbesteuer erhält.
Deshalb Hildebrandts erste Antwort, dass die Gewerbesteuer zwischen 0 und 100 Prozent betragen werde.
Grundlage kann der „Zerlegungsmaßstab“ nach § 29 GewStG (Gewerbesteuergesetz) sein, der sich in der Regel an den gezahlten Arbeitslöhnen der Betriebsstätte in der jeweiligen Kommune orientiert.
Eine oft von Unternehmen gewählte Variante.
Deshalb auch Hildebrandts Hinweis auf andere Mitbewerber, die das, wie er es ausdrückte „vielleicht anderweitig sortieren“.
Was den Schluss möglich macht, dass Kaufland – trotz anderweitiger plakativer Bekundung – nicht gewillt sein könnte oder geeignete Mittel und Wege findet, keine Gewerbesteuer zahlen zu müssen.
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Ypsilon schrieb am 2.09.2014 um 21:18 Uhr:
Welche Rolle spielt der Hinweis auf die angebliche Gewerbesteuerzahlung? Wollen die damit Schön-Wetter machen und suggerieren wie gut sie es mit dieser Stadt meinen?
Kaufland ist keinesfalls der Wohltäter, als der die sich verkaufen wollen!
Und wer glaubt, dass „billig“ nur recht und billig ist und nur darauf geiert dort zu kaufen wo es (vermeintlich) am billigsten ist, wird irgendwann feststellen müssen, dass billige Dinge sehr teuer sind. Letztendlich zahlen wir alle immer wieder dafür – auch für diese vermeintlichen Billgheimer.
Dazu John Ruskin, englischer Sozialreformer, 1819 – 1900:
Es gibt kaum etwas auf der Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.