SPD: Interessante Veranstaltung, die mehr Teilnehmer verdient hätte
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Oliver Büschgens, Bildungsbeauftragter der SPD Mönchengladbach, hatte ein aktuelles Thema für die Veranstaltung im Geneicker Bahnhof gewählt: Entwicklungen zur Bürgerbeteiligung in NRW.
In seiner Funktion als Bildungsbeauftragter des SPD-Unterbezirks ist Büschgens für Bildungsmaßnahmen für SPD-Mitglieder zuständig, indem er Informations- und Bildungsveranstaltungen initiiert und organisiert.
Es war es ihm gelungen, neben dem kommunalpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Marc Herter, mittlerweile Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Reiner Breuer, Referent der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik NRW (SGK NRW), und SPD-Fraktionsvorsitzender im Neusser Rat, auch Rechtsanwalt Robert Hotstegs, Mitbegründer und Mitglied des Landesvorstandes von „Mehr Demokratie“ und Fachanwalt für Bürgerbeteiligung in den Geneickener Bahnhof zu holen.
Im Bild v.l.: Robert Hotstegs, Marc Herter, Hans-Willi Körfges, Reiner Breuer
Trotz der nur geringen Teilnehmerzahl entspann sich eine von Hans-Willi Körfges (MdL) moderierte Diskussion, die relativ rasch „Bürgerbeteiligungspraxis“ und „Transparenz“ in Mönchengladbach erreichte.
In seinem Eingangsreferat ging Marc Herter (auch SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Hamm) auf die aktuell von der rot-grünen Landesregierung initiierten Änderungen der NRW-Gemeindeordnung (GO) ein:
- Abwahl von Hauptverwaltungsbeamten (OB, Landrat, Bürgermeister)
- Wiedereinführung der Stichwahl bei OB-/Landrats-/Bürgermeisterwahlen
- „Wiederzusammenlegung“ von Rats- und OB-Wahlen
- Reduzierung der Quoren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
- Wegfall der Hürde bei Bürgerbegehren/Bürgerentscheiden, dass die Initiatoren zwingend eine Kostenschätzung vorlegen müssen
Herter erklärte, dass die Änderungen der Gemeindeordnung nicht für Theoretiker , sondern die tägliche Praxis der Kommune seien . Dies ziele sowohl auf die Bürger als auch auf die „gewählten Repräsentanten“ in den Räten ab.
Mit Ausnahme von SPD-Ratsherr Ralf Horst fehlten eben diese „Repräsentanten“ der Mönchengladbacher SPD; außer ihm war niemand aus der Ratsfraktion erschienen. Auch wenn der/die Eine oder Andere einen anderen Termin gehabt haben mögen, ist es unverständlich, dass so wenige SPD-Kommunalpolitiker und Mitglieder aus dem SPD-Vorstand sich für diese Themen zu interessieren scheinen.
Zumal es hierbei explizit auch um die „Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der Räte“ ging, wie es in der Agenda zu dieser Diskussionsrunde stand.
Auch wenn niemand der Veranstalter es aussprach, war deren Enttäuschung und Verärgerung erkennbar.
Wenig tröstlich ist dabei auch die Tatsache, dass sich ein adäquat „schwaches Bild“bei ähnlichen Informationsveranstaltungen der Mönchengladbacher CDU gezeigt hatte, deren Ratsmitglieder ebenfalls durch „Abwesenheit glänzten“.
Im Einzelnen betonte Marc Herter, dass es sich bei der Abwahlmöglichkeit von Hauptverwaltungsbeamten nicht um eine „Lex Sauerland“ oder „Lex Duisburg“ handele, sondern diese schon im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen in NRW dies schon weit vor dem schrecklichen Unglück bei der Duisburger Love-Parade vereinbart worden sei.
Zur Sache meinte er, dass es logisch sei, dass die Bürger, die einen OB direkt gewählt hätten, diesen auch „direkt“ wieder abwählen können müssten.
Die Wiedereinführung der Stichwahl z.B. von Oberbürgermeistern begründete Herter damit, dass ein Kandidat, der im ersten Wahlgang zwar die meisten Stimmen auf sich vereinigen, aber nicht die absolute Mehrheit erreichen konnte, sich mit dem zweitplatzierten Kandidaten noch einmal zur Wahlstellen müsse
Nur so könne sichergestellte werden, dass der OB auch wirklich durch die Mehrheit der Bürger gewählt würde.
Hierbei steht die neue gesetzliche Regelung nicht in Übereinstimmung mit den Vorschlägen der Initiative „Mehr Demokratie“. Sie hatte eine so genannte „Zustimmungswahl“ gefordert, bei der die Wähler, mittels mehrere Stimmen, die Möglichkeit hätten, für beliebig viele Kandidaten zu stimmen.
So könne nicht nur der in der Gunst der einzelnen Wähler vorne liegende Kandidat gewählt werden, sondern alle Kandidaten, die als Bürgermeister akzeptabel erscheinen. Gewählt wäre dann der Kandidat der die meisten Stimmen auf sich vereinigt hat.
Nach Meinung der NRW-Regierungskoalition sollen die Wahlen von OB und Räten wieder auf einen Termin gelegt werden. OB und Räte würden als „Verantwortungsgemeinschaft“ wahrgenommen, meinte Herter. Momentan bestehe die Gefahr, dass sie sich beide gegenseitig blockieren, wenn der eine oder der andere keine „ordentliche Politik“ mache.
Über den „richtigen“ Zeitpunkt würde momentan noch diskutiert; man denke zurzeit an 2019/2020. Dies würde bedeuten, dass die nächste Wahlperiode für die Räte beispielsweise auf 6 Jahre verlängert und die der Bürgermeister/Landräte auf 5 Jahre verkürzt würden.
Bei Bürgerbegehren mussten die Initiatoren bislang einen Vorschlag für die Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme vorlegen. Dies bedeutete bei vielen Bürgerbegehren eine nicht zu überwindende Hürde. Diese wird zukünftig entfallen.
Möglicherweise wäre das Bürgerbegehren „gegen 2015“ an eben dieser Hürde gescheitert, hätte die FDP – dessen ungeachtet – damals dem Begehren nicht stattgegeben und damit letztendlich das Ende der Kooperation mit der CDU eingeleitet.
Um den Bürgern „vor Augen zu führen“, welche Kosten durch eine „begehrte“ Maßnahme entstehen würden, ist die Verwaltung zukünftig verpflichtet, die Kosten für das Gemeinwesen zu schätzen und dem Begehren nachrichtlich beizufügen.
Die Höhe der Schätzkosten ist künftig kein „K.O.-Kriterium“ mehr für die Zulassung eines Begehrens.
Betrifft ein Begehren Kosten, die einem „Dritten“ entstehen, werden diese nicht „geschätzt“ und damit auch nicht Bestandteil des Verfahrens.
Bislang bildeten Ausschlusskriterien weitere Hürden für Bürgerbegehren. Ein wesentliches Ausschlusskriterium war, dass Bürgerbegehren gegen Flächennutzungs- und Bebauungspläne nicht möglich waren.
Viele Bürger wenden sich aber gerade gegen geplante Baumaßnahmen. Ihre Meinung konnten sie bislang nur über Stellungnahmen im Rahmen des Bauleitplanverfahrens zum Ausdruck bringen.
Zukünftig sollen Bürgerbegehren auch hierfür zugelassen werden und zwar (nach wie vor) nicht gegen den Satzungsbeschluss des Rates, sondern in vorangehenden „Stufen“ des Bauleitplanverfahrens.
Exkurs: Da in Mönchengladbach Aufstellungsbeschlüsse und Auslegungsbeschlüsse abschließend durch den Planungs- und Bauausschuss getroffen werden, also in dieser Phase kein Ratsbeschluss mehr folgt, wird zu klären sein, ob ein solcher Beschluss „als Ratsbeschluss gilt“ und sich ein Bürgerbegehren somit – nicht wie sonst grundsätzlich vorgesehen – gegen einen Ratsbeschluss, sondern gegen den Beschluss eines Ausschusses richten muss oder kann.
Mit Blick auf die vorangegangenen Kritiken von „Mehr Demokratie“ an der bisherigen Gesetzgebung und Entwürfen der rot-grünen Landesregierung erhoffte sich Hans-Willi Körfges von Robert Hotstegs („Mehr Demokratie“) das eine oder andere „Fleißkärtchen“. Hatte man doch den Dialog mit dieser Initiative gesucht und geführt.
Hotstegs hielt sich mit dem erhofften Lob jedoch etwas zurück. Er bestätigte, dass der Gesetzentwurf „formal wichtige Schritte“ enthalte, verwies jedoch darauf, dass NRW in einem von „Mehr Demokratie“ in 2010 durchgeführten Ranking zu den Schlusslichtern zähle, nämlich Platz 14 von 16 (Bundesländern) belege; dies sei durchaus verbesserungsfähig.
Die Änderungen hinsichtlich der Wahl von OB, Bürgermeistern und Landräten (Abwahl und Stichwahl) würden NRW ganz deutlich auf höhere Plätze aufrücken lassen, prognostizierte Hotstegs.
Mit Bezug auf Bürgerbegehren und Bürgerentscheid meinte Hotstegs, dass die Umsetzung der Forderung nach Reduzierung der „Quorumshürden“ ein guter Ansatz sei. Er verwies auf diverse Bürgerbegehren, die – obwohl alle anderen Bedingungen erfüllt wurden – gerade an den Quoren gescheitert seien.
Da sich viele Begehren auf ortsteilbezogene Angelegenheiten beziehen, sei es besonders in größeren Kommungen bislang sehr schwierig, in der Gesamtstadt die entsprechenden Zustimmungen oder Ablehnungen zu erreichen.
Dass den Bürgern nun die sehr schwere Aufgabe genommen würde, Kostendeckungsbeträge zu schätzen, bewertete Hotstegs mit einigen Abstrichen als durchaus positiv.
Unterstellt man, dass der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form den Landtag passiert, bedeutet das konkret für Mönchengladbach:
- Es muss keine Kostendeckung nachgewiesen werden. Das Ergebnis der vorgesehenen „nachrichtlichen“ Kostenschätzung durch die Verwaltung bedeutet kein Ausschlusskriterium.
- Das Bürgerbegehren muss von 8.320 wahlberechtigten Bürgern unterstützt und unterzeichnet werden (4% von 208.000 wahlberechtigten Bürgern in 2009)
- Ein Bürgerbegehren ist auch im Rahmen von Planungsverfahren nach BauGB (Baugesetzbuch) möglich und zwar in der Phase der Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens.
- Für einen „positiven“ Bürgerentscheid sind beim „Urnengang“ 20.800 JA-Stimmen erforderlich (10% von 208.000 wahlberechtigten Bürgern in 2009)
Die anschließende Diskussion reichte von „Stuttgart 21“ bis hin zur Frage der generellen Akzeptanz des Engagements von Bürgern durch Politik und Verwaltung.
So ziehe sich besonders die Politik gerne auf Formalien zurück, wenn Bürger sich mit konstruktiven und vielleicht sogar innovativen Ideen beteiligen wollten. Nicht selten würden „Todschlagargumente“ verwandt, wie „das geht nicht“ und „das wird nicht gefördert“.
Auch wurde Transparenz in Angelegenheiten angemahnt, die zwar die Bürger und das Eigentum der Stadt betreffen, jedoch durch die Behandlung in „nicht-öffentlichen“ Teilen von Gremien der Öffentlichkeit und damit der frühzeitigen Kenntnis der Bürgerschaft entzogen würden.
Transparenz bedeute, für die Bürger ein mit der Politik gleiches Informationsniveau zu schaffen, denn schließlich seien die Politiker „Vertreter der Bürger“. Die Einstellung „Ihr habt uns gewählt und das legitimiert uns“ oder gar „… dann können wir machen, was wir wollen“, seien inakzeptabel.
„Vertreter der Bürger“ seien die Politiker auch – und in besonderem Maße -, wenn sie eben als „Vertreter“ in die Aufsichtsgremien städtischer Gesellschaften entsandt worden seien. Dies gelte auch dann, wenn die Unternehmensleitungen ihrerseits den Anspruch erheben würden, dass beispielsweise Aufsichtsratsmitglieder (gefälligst) die Vorstellungen des Unternehmens in die Politik zu transportieren hätten.
Die Teilnehmer haben die Veranstaltung sicherlich mit einem Wissensgewinn verlassen, die fehlenden Politiker einiges aufzuarbeiten – so sie denn an Bürgerbeteiligung wirklich interessiert sind.