26,5 Millionen für Mönchengladbach • SPD-Landtagsabgeordneter Hans-Willi Körfges plädiert für verstärkte Investitionen in Inklusion und Barrierefreiheit • SPD soll Mönchengladbach menschenfreundlicher machen [mit Video & PDF-Download]
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
[10.09.2015] Wer glaubt, Landtagsabgeordnete würden in Düsseldorf in großen, komfortablen Büros mit Blick auf den Rhein „residieren“, der irrt.
Selbst stellvertretende Fraktionsvorsitzende, wie Hans-Willi Körfges (SPD), haben nicht mehr Platz als ihr Vorzimmer oder ihre Mitarbeiter.
Ein Schreibtisch, ein kleiner Besprechungstisch mit drei Stühlen, Einbauschränke, zweireihig mit Ordnern gefüllt, also alles schlicht und durchaus „normal“ war das „Umfeld“ in dem wir mit Hans-Willi Körfges ein „vis-á-vis“-Interview zu einem Thema führten, bei dem es u.a. um über 26 Millionen zusätzliche EURO für Investitionen in Mönchengladbach ging.
Wie schon berichtet, stellt der Bund den Ländern etwa 1,13 Mrd. EURO für Kommunen mit strukturellen Problemen zur Verfügung.
Anders als beim Konjunkturpaket II müssen die Kommunen bei diesen Geldern kaum spezifische Vorgaben oder andere Bedingungen erfüllen.
Darüber und über die denkbare Mittelverwendung in Mönchengladbach führten wir dieses Interview, während dem Körfges zu erkennen gab, dass er als wesentlichen Schwerpunkt darin sieht, längst überfällige Investitionen in den Abbau von bautechnischen Barrieren im Sinne von Inklusion vorzunehmen.
Dem Reiz erliegen zu wollen, solche Zusatzmittel zum Schuldenabbau verwenden zu wollen, sei zwar naheliegend, jedoch mit Blick auf die gegen Null tendierenden Zinsen, wenig zielführend.
Mönchengladbach habe einen erheblichen Nachholbedarf bei Investitionen in die Infrastruktur und dafür seien die 26,5 Mio. EURO, die Mönchengladbach zur unmittelbaren Verwendung erhalte, besser angelegt.
BZMG: Herr Körfges. Gesetz zur Umsetzung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen. Ging es nicht etwas einfacher?
Hans-Willi Körfges: Ich finde, der Name geht einem schwer über die Zunge, aber der Inhalt läuft mir runter wie Öl.
Es geht da im Prinzip ja darum, dass es auf Bundesebene der Erkenntnis geschuldet, dass die Kommunen, gerade in Nordrhein-Westfalen, im Durchschnitt sehr klamm sind, die Absicht gibt, uns zu unterstützen.
Dazu hat der Bund für alle Bundesländer zur Weitergabe an die Kommunen Geld zur Verfügung gestellt.
Normalerweise heißt es nach dem Königssteiner Schlüssel, wir kriegen in Nordrhein-Westfalen immer etwas mehr als 20%.
Allerdings ist es gelungen, worauf ich sehr stolz bin, sowohl durch die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, als auch durch Landespolitik, klar zu machen, dass wir besonders große Strukturprobleme in Nordrhein-Westfalen haben, so dass der Anteil diesmal bedeutend größer gewesen ist.
Wir kriegen also mehr als ein Viertel und das macht für das Land insgesamt einen Betrag von mehr als 1,125 Milliarden Euro aus, die bekommen wir und geben die jetzt an die Kommunen weiter.
Insoweit komplizierter Name aber guter Anlass, d.h. wir teilen das jetzt auf die Kommunen auf, und die können das dann für dringende Investitionen verwenden.
BZMG: Wird dieses Geld eins zu eins aufgeteilt oder bleibt irgendetwas beim Land?
Körfges: Wir haben das Gesetz, das wir gerade so nett als kommunales Investitionsförderungsgesetz bezeichnet haben, deshalb exakt so gemacht, damit klar ist, dass wir alles an die Kommunen weitergeben.
Das heißt es gibt keinen Verwaltungsanteil, gar nichts, da verbleibt nichts beim Land.
Das ist für die Kommunen gedacht und wir geben es eins zu eins weiter.
Wir geben es dann auch, das finde ich auch ganz wichtig, sehr kommunalfreundlich ohne viele Auflagen weiter.
BZMG: Ohne viel Auflagen heißt, dass also nicht vergleichbar ist beispielsweise mit dem Konjunkturpaket II?
Körfges: Konjunkturpaket II hatte eine andere Zielrichtung.
Das sollte dazu dienen zusätzlich Aufträge in einer konjunkturschwachen Zeit an die Wirtschaft heraus zu geben.
Insoweit gab es da eine ganze Reihe von Einschränkungen. Sowohl inhaltlicher Art als auch bezogen auf die Fördersystematik.
Zum Einen war damals klar, dass man nur Neuinvestitionen tätigen konnte, zum Anderen gab es da auch einen Verwendungsausschluss, der sich, das war ja nur ein Teil, also das Kommunalförderpaket, das andere war diese sogenannte Abwrackprämie.
Das sollte also alles unmittelbar dazu dienen, Konjunktur anzukurbeln.
Das, was wir jetzt machen, das dient dazu, Kommunen die Möglichkeit zu geben notwendige Investitionen auch außerhalb der normalen Haushaltsplanung vorzunehmen.
Deshalb ist eine Voraussetzung, dass die Kommunen, sobald wir im Landtag beschlossen haben, das Geld auch in die Hand nehmen können.
Die brauchen keine gesonderte Haushaltsplanberatung, gar nichts, die können dann anfangen, das Geld auszugeben.
BZMG: Wann wird das Gesetz beschlossen werden?
Körfges: Wir haben uns in dieser Plenarrunde darauf verständigt, dass wir ein verkürztes Verfahren machen. Normalerweise dauern Gesetze richtig lange.
Da wir hier zwischen den Fraktionen überhaupt keinen Stress haben, nach dem Motto: die Kommunen sollen so schnell wie möglich das Geld bekommen, wollen wir nur eine formale Anhörung der kommunalen Spitzenverbände machen.
Die findet in der nächsten Kommunalausschusssitzung statt, so dass wir davon ausgehen, dass wir in der nächsten, spätestens übernächsten Plenarsitzung, also entweder Ende September oder Anfang Oktober, beschließen können.
Dann ist das Gesetz und dann ist das Geld quasi sofort für die Kommunen zur Verfügung zu stellen. Das werden wir dann auch ohne irgendein Zaudern machen.
Ich gehe also davon aus, dass wir irgendwo vor den Herbstferien tatsächlich mit der Nummer fertig sind.
BZMG: Das heißt bei dieser „Nummer“ wurde Mönchengladbach wie viel bekommen?
Körfges: Wir legen zugrunde einen Verteilungsschlüssel, der sich anlehnt an das Gemeindefinanzierungsgesetz, das GFG, das haben wir mal überschlagen.
Die Gesamtsumme kennen wir ja und haben dann den normalen Gladbacher Quotienten rausgehauen, die Zahl wird dann vom Ministerium auch bestätigt, dass wir ca. 26,5 Millionen Euro zusätzliches Geld bekommen.
Mit diesem Geld kann dann in Mönchengladbach sozusagen sofort agiert werden.
BZMG: Das heißt, man damit in Mönchengladbach auch Schulden abbauen …
Körfges: … es gibt ja immer mehrere Möglichkeiten mit zusätzlichem Geld umzugeben.
Zum einen ist es immer toll, wenn man zusätzliche Mittel bekommt. Schulden eigentlich nicht, denn das ist keine Investition – aber, wenn ich mich in die Situation des Kämmerers versetzt, könnte dieser schlau sagen: ich gehe jetzt hin und nehme die Investition, die ich im Haushalt bereits drin habe, nehme das frische Geld des Landes und bleibe mir selbst mit meinem Haushalt aus der Tasche.
Das ist eine Möglichkeit.
Die andere Möglichkeit, die ich persönlich bevorzugen würde, wäre, dass man mal überlegt, was ist in unserer Stadt nötig, was ist überfällig und wofür kann man Geld in die Hand nehmen, um dann die Stadt insgesamt nach vorne zu bringen.
Das wäre auch betriebswirtschaftlich, denke ich, nicht dumm.
Wir haben im Augenblick so günstige Zinsen, das Geld, das wir da haben zur Schuldenabsenkung sicherlich vernünftig ist.
Aber wenn man notwendige Investitionen im Vorgriff tätigen kann, spart man, denke ich, auf Dauer mehr Geld, als es jetzt kurzfristig für schuldfinanzierte Investitionen zu nehmen.
BZMG: Wenn man Sie einigermaßen gut kennt, weiß man, dass Sie das meist nicht abstrakt darstellen, sondern ganz konkret werden.
Welche Ideen haben Sie persönlich, Ihre Fraktion oder Partei zu den Geldern, die jetzt zusätzlich kommen?
Körfges: Mein Opa sagte immer: mit mehr Geld komm‘ ich auch aus.
Sobald man mehr Geld hat, dann gibt es natürlich viele Leute, die sich Gedanken machen.
Ich freue mich darüber, dass es in der SPD im Augenblick den Gedanken gibt, die Stadt insgesamt menschenfreundlicher zu machen.
Das bedeutet für mich. dass Barrierefreiheit ein ganz wichtiger Punkt ist und ich glaube und hoffe, dass auch unser Unterbezirksparteitag einen Antrag, der von der Arbeitsgemeinschaft „Selbst aktiv“ gestellt worden ist, dann beraten und hoffentlich beschlossen werden wird, sich an der Stelle verstärkt zu bemühen Barrieren in der Stadt und zwar dann an wichtigen Plätzen, an wichtigen Orten, in wichtigen Gebäuden abzubauen.
Dafür kann man dann dieses Geld gut nutzen.
Ich glaube auch, dass man das im Zusammenhang, wenn man geschickt überlegt, mit ohnehin anstehenden Investitionsvorhaben machen kann, dass man z.B. energetische Sanierung oder aber auch Sportstätten, dass man sich diese Dinge noch einmal genau anschaut und überlegt, ist da nicht mehr Inklusion möglich, denn das wäre für Mönchengladbach auch eine Art eigenständiges Markenzeichen, nach dem Motto: wir sind eine menschenfreundliche Stadt.
Das richtet sich dann danach, dass wir den Anspruch auch für uns erheben, Teilhabe für alle zu ermöglichen. Das für die Bereiche Freizeit, Kultur, aber auch bei politischer Information.
Ich finde es z.B. ganz wichtig, dass alle Menschen, die sich informieren wollen, sich an Ort und Stelle dies tun können.
Dass alle Menschen, die Kulturelles erleben wollen, das ohne Zugangshindernisse können.
Dass eine Vielzahl an Freizeitmöglichkeiten vorhanden sind.
Wenn man diesbezüglich in der Stadt einmal überlegen würde, was nötig ist, ich kann jetzt kein konkretes Beispiel vor die Klammer ziehen, darüber sollen sich die Fachleute ihre Gedanken machen, aber ich denke, es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wo das Geld sinnvoll einzusetzen wäre. Das sind Investitionen, die wir ja ohnehin tätigen müssen.
BZMG: Also doch einen Teil der ohnehin geplanten Investitionen aus diesem Topf, also den zusätzlichen Mitteln, zu finanzieren?
Körfges: Ja, aber nicht so, dass wir das, was jetzt schon im Haushalt steht, einfach damit finanzieren, sondern, dass wir Dinge, die wir für gesellschaftlich nötig halten, die aber zurück gestellt worden sind, jetzt machen, da wir die finanziellen Möglichkeiten haben.
Für jemanden, der privat denkt und rechnet, sind 26,5 Millionen richtig viel Geld.
Wenn man mal in öffentlichen Bau sich reinversetzt, ist das dann kein Füllhorn, das exorbitant gut gefüllt wäre, aber, ich glaube, wenn man auch mal in den Bestand reingeht, sich ansieht, was haben wir z.B. an öffentlichen Immobilien, was haben wir an öffentlichen Plätzen, da kann man auch mit kleineren Beträgen durchaus große Effekte erzielen.
Ich denke da z.B. an die Einrichtung von Behinderten-Toiletten, an die Nachrüstung mit Aufzügen und ähnliches mehr.
Da gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die man sich dann ansehen müsste.
BZMG: Das erfordert ja, dass sie (plural) auch einen Überblick darüber haben, was denn vorhanden ist, was überhaupt im Bestand ist.
Denn einen Neubau kann man locker machen und dann, wenn Sie von Barrierefreiheit sprechen, ist es ohnehin gesetzlich vorgegeben, wenn man aber in den Bestand geht, wer weiß überhaupt in Verwaltung und Politik, welche Objekte unter welchen Prämissen, in welchem Zeitraum, für welches Geld barrierefrei hergerichtet werden könnten?
Körfges: Ich glaube, dass es da in der Verwaltung an vielen Stellen, wir haben da exzellente Fachleute, im Detail Kenntnisse gibt.
Vielleicht muss man die Erkenntnisse allerdings mal zusammentragen.
Weil das bedeutet ja, wenn man über viele öffentliche Gebäude, die unterschiedlich genutzt werden, von unterschiedlichen fachlichen Dezernaten verwaltet werden, sich zum Teil, ich sage mal, in der Verwaltung von kommunalen Gesellschaften befinden, und, und, und.
Dass man da im Detail vielleicht einmal nachfragen muss.
Ich halte die Mönchengladbacher Stadtverwaltung für leistungsfähig und ich denke, wenn man dann sagt, wir möchten uns in dieser Hinsicht gerne über Prioritäten unterhalten, ich habe eben gesagt 26,5 Millionen Euro ist relativ viel Geld, aber man wird ja trotzdem Prioritäten setzen müssen.
Deshalb wäre, ich will mich da nicht einmischen, ich bin Landespolitiker und freue mich über das Geld, aber ich schätze kommunale Selbstverwaltung sehr hoch.
Aber mein Vorschlage wäre, dass man sich über Parteigrenzen hinweg verständigt und überlegt, brauchen wir nicht eine Art Liste, die wir uns dann mal ansehen und aus der heraus wir Prioritäten bilden, wie man damit vorgehen kann.
Ich würde mir auch vorstellen wir haben da Menschen, die für den Bereich Inklusion – wir haben eine Inklusionsbeauftragte in der Stadt – dann zuständig sind, dass man den nötigen Sachverstand sowohl innerhalb der Verwaltung als auch externen Sachverstand an der Stelle bemüht, um Dinge besser beurteilen zu können.
Das ist alles kein Hexenwerk und ich denke, das kann die Verwaltung auch.
Ich würde mir wünschen, dass es an der Stelle auch einen Impuls gibt, hier Dinge im Zusammenhang zu denken.
BZMG: Nun sind Sie ja durch und durch Sozialdemokrat und kein Kommunalpolitiker, wie sie richtig sagen, glauben Sie denn, dass der Kooperationspartner in Mönchengladbach diesen Weg mitgeht?
Diese Geschichte systematisch anzugehen und daraus dann auch die richtigen Prioritäten zu setzen?
Körfges: Ich denke, wir werden erst einmal in den eigenen Reihen dafür werben müssen, ich bin übrigens sehr froh darüber, dass sich die Arbeitsgemeinschaft „Selbst aktiv“, wo Peter Gabor ja eine wesentliche Rolle spielt, mit dem Thema beschäftigt hat. Wir werden in den eigenen Reihen erst einmal für den Gedanken werben.
Danach gibt es zum Einen die Möglichkeit, das zu formalisieren, aber ich bin da sehr zuversichtlich, dass es nicht nur beim Kooperationspartner, es gibt ja vor Ort keine Koalitionspartner, da eine Reihe von Menschen gibt, die sich des Themas auch annehmen wollen und die sich da auch unter sozialen Aspekten der Sache verpflichtet fühlen und darüber hinaus würd ich mir sogar wünschen, dass man über alle Grenzen, parteipolitische Grenzen hinaus, das einfach mal offen diskutiert.
Denn Kommunalpolitik unterscheidet sich ja glücklicherweise von dem Parlamentsbetrieb dadurch, dass es diese starren Grenzen nicht gibt und dass sehr viele Beschlüsse mit hohem Einvernehmen passieren.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es da auch innerhalb der CDU durchaus Personen gibt, die das für ein wichtiges Anliegen halten, und ich hoffe, wenn das bei uns mehrheitsfähig ist, wovon ich ausgehe, dass dann auch der Kooperationspartner offen für die Gedanken ist.
Ich kann es mir eigentlich auch gut vorstellen, weil ich gerade im Sozialbereich viele Personen kenne, die sehr engagiert mit dem Thema umgehen.
BZMG: Dann lassen wir das mal so stehen, Herr Körfges. Vielen Dank dafür!
Körfges: Ja, ich bedanke mich!