Kaufland in Holt • Teil VII: Verwaltungsgericht weist Klage zurück • Schon der Praktiker-Markt hätte nicht genehmigt werden dürfen • Leidtragende werden besonders Anwohner der Bahnstraße sein
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
[27.01.2017] Auch wenn sich die Stadt, die Kaufhauskette Kaufland und die Baufirma Jessen nach dem gestrigen Beschluss der 9. Kammer des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf als „Sieger“ sehen mögen, trifft es die „Verlierer“, um bei dieser Diktion zu bleiben, insbesondere einige Anwohner der Aachener Straße in Holt und besonders die an der Bahnstraße, hart.
Sie müssen zukünftig damit leben, als neues Vis-á-vis das 12 bis 14 Meter hohe Gebäude eines Verbrauchermarktes mit ca. 5.000 qm Verkaufsfläche und einem Mehr an Pkw- und Lkw-Anlieferverkehr “vor der Tür“ zu haben.
Dass es überhaupt so weit kommen konnte, liegt ursächlich an einer Baugenehmigung der Stadtverwaltung Mönchengladbach, die vor 20 Jahren für den Praktiker-Baumarkt nicht hätte erteilt werden dürfen, wie die berichterstattende Verwaltungsrichterin Bach in der mündlichen Verhandlung am 26.01.2017 deutlich machte.
Ebenso deutlich machte sie, dass den Klagen gegen die Errichtung eines Kaufland-Marktes möglicherweise Erfolg beschieden gewesen wäre, wenn die ursprünglichen Kläger von der Bahnstraße ihre Klagen nicht zurückgezogen hätten.
Anfänglich gab es 12 Kläger, die durch den Kaufland-Markt durch die Stadtverwaltung ihre Anwohnerrechte massiv beeinträchtigt sahen. Sieben von ihnen zogen ihre Klagen zurück, weil sie das Prozesskostenrisiko zu tragen nicht bereit und/oder in der Lage waren.
Den verbliebenen 5 Klägern sollen seitens der „Bauinteressierten“ 50.000 EURO (oder sogar mehr?) für den Fall angeboten worden sein, dass auch sie auf eine Klage verzichten würden.
Drei von ihnen nahmen das Angebot an und traten von ihrer Klage zurück.
Damals hieß es seitens Jessen-Geschäftsführer Ulrich Bücker (CDU) in einem Schreiben an DIE LINKE und unsere Redaktion u.a.: „Wenn die Frage gestellt wird, warum insgesamt drei Kläger ihre Klage zurückgezogen haben, dürfen wir Ihnen mitteilen, dass die Kläger die Rücknahme ihrer Klage nach entsprechender Diskussion wohl für vernünftig gehalten haben, sonst hätten sie es wohl nicht getan. (Zitat Ende)
Was unter „nach entsprechender Diskussion“ in diesem Fall zu verstehen ist, liegt auf der Hand.
In dieser Angelegenheit haben zwei Oberbürgermeister bemerkenswerte Rollen gespielt.
Oberbürgermeister Norbert Bude/SPD (Jessen-affin), der „par order du mufti“ die Bauverwaltung anwies, die von Jessen/Kaufland gestellte Bauvoranfrage positiv zu bescheiden, was am 18.06.2014 so auch geschah und Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners/CDU, der auf eine Anfrage von DIE LINKE an ihn, diese ohne großes Federlesen direkt von der Firma Jessen selbst beantworten ließ.
In ihrer Einführung in die gestrige mündliche Verhandlung ließ die Vorsitzende Verwaltungsrichterin Bach (im Bild vor der Verhandlungseröffnung), die sich am 26.09.2016 bei einer Ortsbesichtigung persönlich ein Bild von der Situation gemacht hatte, Verständnis für die Kläger und deren Anliegen erkennen.
In der nachfolgenden Erörterung wiederholten die Kläger und deren Anwalt ihre Position, dass Kaufland nicht in die Umgebung passe und eine fast dreifache Verkehrsbelastung zu erwarten sei.
Naturgemäß widersprach der städtische Jurist Dr. Kay-Uwe Rhein, der vom Abteilungsleiter Bauordnung Herpens, vom örtlich zuständigen Bereichsleiter Koczula und dem für so genannte Sonderbauten zuständigen Sachbearbeiter Willms begleitet wurde, den Positionen der Kläger.
Richterin Bach verwies auf zwei durch das Gericht zu prüfende „Angriffspunkte“ der Klagen, nämlich den sog. „Gebietserhaltungsanspruch“ (Art des Baugebietes, wie beispielsweise „Mischgebiet“) und ein sog. „Rücksichtnahmegebot“.
Bei dem Gebietserhaltungsanspruch müsse man nicht konkret beeinträchtigt sein, wohingegen beim „Rücksichtnahmegebot“ konkrete Aspekte beispielsweise zu Verkehrs-, Lärm-, Schadstoffbelastungen usw. geprüft werden müssten.
Das Rücksichtnahmegebot käme nur für einen der beiden Kläger in Betracht, nämlich für den, dessen Grundstücke sich an der Aachener Straße unmittelbar gegenüber dem Kauflandmarkt befindet.
Bach betonte, dass es sich bei den vorliegenden Klagen um „Nachbarschaftsklagen“ handele und es in diesem Verfahren nicht darum ginge, ob die Baugenehmigung zu Recht erteilt worden war, sondern nur darum ob Nachbarschaftsrechte beeinträchtigt sind.
Sie ließ Verständnis für die Argumentation der Kläger, schon der Praktiker-Baumarkt hätte in Holt nie hineingepasst, erahnen, und betonte, dass der Fehler vor 20 Jahren gemacht worden sei, als die Stadt hierfür eine Baugenehmigung erteilt habe.
Daraus ergebe sich die Schlussfolgerung, dass diese Nutzung des Geländes nunmehr auch durch einen Verbrauchermarkt „faktisch“ möglich sei, was die Kläger hinzunehmen hätten. Insofern ergebe sich daraus kein „Gebietserhaltungsanspruch“.
Schlussendlich wurde von der 9. Kammer des Verwaltungsgerichtes, auch vor dem Hintergrund der von Kaufland/Jessen vorgelegten Gutachten, festgestellt, dass sich die Situation für den unmittelbar betroffenen Kläger hinsichtlich Verkehr und Schadstoffbelastung gegenüber der ehemaligen „Praktiker-Nutzung“ des Geländes nicht wesentlich verschlechtern würde.
Ob die fünf Verwaltungsrichterinnen (zwei von ihnen waren ehrenamtliche) mehrheitlich oder einstimmig zu diesem Beschluss gekommen waren, ließ sich nicht erkennen.
Möglicherweise hätte das Verfahren einen anderen Verlauf genommen, wären die Kläger von der Bahnstraße „bei der Stange“ geblieben und hätten sie sich nicht eines anderen „überzeugen“ lassen.
Nun kann trefflich darüber spekuliert werden, ob der eine oder andere von ihnen selbst noch an der Bahnstraße wohnen bleibt oder auch unter Inkaufnahme eines Wertverlustes sein Haus verkaufen und sich eine weniger belastende Bleibe suchen wird. „Finanzspritzen“ könnten einer solchen Entscheidung demzufolge durchaus dienlich gewesen sein.
Eine Anfechtung des gestrigen Beschlusses vor dem Oberverwaltungsgericht ist nicht zuglassen, wohl jedoch eine Klage gegen diese Nichtzulassung. Eine solche Klage dürfte am Sachverhalt jedoch nichts ändern.
Ändern jedoch könnte sich das Klima in Holt, denn die beiden verbliebenen Kläger haben sich letztlich auch für die übrigen Betroffenen eingesetzt. Da sie unterlegen sind, scheint Häme nicht ausgeschlossen, die in jedem Fall aber unangebracht wäre.
Zeichnungen: bdmp Architekten & Stadtplaner BDA GmbH anlässlich der öffentlichen Infotage im August 2014
BZMG-Artikel in der Themenreihe „Kaufland in Holt“ (teilweise mit Videos)