Anonymisierte Bewerbungen – Mönchengladbach kann Vorreiter im Kampf gegen Diskriminierung werden
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Die Mönchengladbacher Jusos setzen sich für die Einführung anonymisierter Bewerbungen bei der Stadtverwaltung und bei den kommunalen Unternehmen ein.
Die SPD schloss sich der Forderung ihrer Jugendorganisation an.
Bei ihrer Vorstandssitzung am Tag der Arbeit befassten sich die Mönchengladbacher Jusos mit dem Problemfeld Diskriminierung in der Arbeitswelt.
Die Jusos begrüßen die Entscheidung der SPD, anonymisierte Bewerbungen auch bei der Verwaltung und den kommunalen Unternehmen einführen zu wollen.
Einem entsprechenden Antrag der Jusos war der Parteitag der SPD unlängst mit großer Mehrheit gefolgt.
„Wenn Menschen gar nicht erst die Chance erhalten, ihren potentiellen Arbeitgeber in einem Vorstellungsgespräch oder einem Einstellungstest von sich zu überzeugen, weil sie in der ersten Bewerbungsphase aufgrund ihrer Herkunft, ihres Alters oder ihrer Religion aussortiert wurden, dann ist das diskriminierend. So etwas muss verhindert werden“, fordert Robert Peters, Vorsitzender der Mönchengladbacher Jusos.
Anonymisierte Bewerbungen werden umgesetzt, indem vor der Entscheidung darüber, welche Bewerber zu einem Gespräch oder einem Test eingeladen werden, die Bewerbungsunterlagen hinsichtlich sensibler Angaben – beispielsweise hinsichtlich des Namens, des Alters, des Geschlechts, der Wohnanschrift und des Aussehens – anonymisiert werden.
Damit soll sichergestellt sein, dass die Personalverantwortlichen ausschließlich aufgrund der Qualität der Bewerbungsunterlagen und der Qualifikation der Bewerber entscheiden können.
Durch den Beschluss des SPD-Parteitags wird die SPD-Ratsfraktion jetzt aufgefordert, konkrete Umsetzungsvorschläge zu entwickeln und voranzutreiben.
Robert Peters dazu: „Es reicht nicht aus, über den Kampf gegen Diskriminierung zu reden. Wenn wir in der Verantwortung sind, dann erwarten die Leute, dass etwas Konkretes gegen Diskriminierung getan wird. Wir sind der Überzeugung, mit unserem Vorschlag einen wichtigen Fortschritt in der Diskriminierungsprävention zu erreichen.“
5.
Hannelore Huber schrieb am 8.05.2011 um 17:07 Uhr:
Sehr geehrter Herr Laumen,
vorab nochmals meine Anmerkung, dass ich die Bestrebungen der Jusos grundsätzlich positiv werte, da sie zeigen, dass Sie (Sie persönlich und die Jusos) sich Gedanken zur Arbeitswelt, Chancengleichheit und ihren Realitäten machen.
Trotzdem kann ich Ihren Ausführungen nicht zustimmen, da hier leider der alte Ausspruch: “Grau, teurer Freund, ist alle Theorie“, zutrifft.
Anonymisierte Bewerbungen werden für versierte Chefs und Personalchefs nicht das kleinste Hindernis darstellen, zu erfahren, was sie zu erfahren wünschen.
Wie Sie richtig schreiben, hat sich „die Praxis durchgesetzt, dass gewisse Fragen in Vorstellungsgesprächen nicht zulässig sind“.
Gegenfrage: Was hat sich dadurch verändert? Wenig bis gar nichts. In der Theorie vielleicht.
Praxis und Realität sehen defintiv vollkommen anders aus. Alles eine Frage der Abhängigkeit einen Job zu bekommen/zu wollen/zu behalten oder nicht.
Wer dann auch noch den Stresstest AC (Assessment Center) hinter sich gebracht hat, z.B. ein mehrtägiges, dürfte so ziemlich der letzten Illusionen beraubt sein.
Ihre Zielsetzungen und Hoffnungen kann ich durchaus erkennen, bin aber sehr skeptisch, dass die Umsetzung anonymisierter Bewerbungen ein höchstmögliches Maß an Chancengleichheit ermöglichen wird.
Sollte es zu diesem Verfahren bei Bewerbungen für die Stadt MG und ihre kommunalen Unternehmen kommen, wird es höchst interessant sein, etwas über deren Auswirkungen oder positiven Effekte zu erfahren. Lassen wir uns (am liebsten positiv) überraschen.
Ich persönlich würde es begrüßen, dass Ihre Anstrengungen von Erfolg gekrönt werden – aber in diesem Fall kann ich nur wiederum sagen: „Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“
Zu groß ist der Spagat zwischen Theorie, Praxis – und Abhängigkeiten.
Trotzdem: Viel Erfolg!
4.
Sebastian Laumen schrieb am 7.05.2011 um 06:59 Uhr:
Sehr geehrte Frau Huber,
der Eindruck, dass anonymisierte Bewerbungen nur etwas für Auszubildende sind, ist falsch.
Es ist das aber Recht eines jeden Bewerbers sich so positiv wie möglich darzustellen. Dazu zählen fachliche, wie fachfremde Qualifikationen. Welche Schlüsse dann der (Personal-)Chef draus zieht, wird man nicht vorschreiben können.
Ziel hingegen ist eine flächendeckende Einführung der anonymisierten Bewerbungen. Dies ist genauso möglich, wie sich die Praxis durchgesetzt hat, dass gewisse Fragen in Vorstellungsgesprächen nicht zulässig sind.
Der Rat der Stadt Mönchengladbach hat nun die Chance über seinen Einflussbereich die gängige Bewerbungspraxis dahingehend zu ändern, dass ein höchstmögliches Maß an Chancengleichheit ermöglicht wird.
Die Stadt Mönchengladbach und ihre kommunalen Unternehmen können nun als gutes Beispiel voran gehen.
3.
Hannelore Huber schrieb am 5.05.2011 um 12:05 Uhr:
Sehr geehrtr Herr Laumen,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Also ist das anonymisierte Verfahren maximal etwas für Berufseinsteiger (z.B. als Auszubildender) und bei diesen wiederum nur für jene, aus deren „anonymer“ Bewerbung trotzdem herauszulesen ist, dass es sich nicht um junge oder nicht mehr ganz so junge Leute handelt, die z.B. ein Studium, ein oder gar mehrere Ausbildungsverhältnisse (was auch vorkommt) abgebrochen haben.
Dies müssen nicht zwingend ungeeignete Bewerber sein, sondern können durchaus solche mit beruflichen Fehlentscheidungen und falschen Vorstellungen sein oder weil z.B. schlicht die Chemie zwischen ihnen und dem Arbeitgeber/Ausbilder nicht stimmte.
Alle diese Dinge gibt es nun einml. So mancher hat letztendlich trotzdem den Einstieg in das Berufsleben geschafft. Wobei es dafür von einigen Unternehmen (z.B. Telekom) bestimmte Ausbildungsangebote gibt.
Zielgruppe dürften also vor allem Auszubildende sein, bei denen auf diese Weise Nationalität, Religion, Migrationshintergrund, Behinderung, Geschlecht und was sonst noch an Auswahlkriterien in Frage kommen könnte aus dem Fokus genommen werden soll.
Wobei ich mir vorstellen kann, dass auch diese Hemmnisse mit zunehmender Verknappung von Nachwuchskräften (demographische Auswirkungen) abnehmen werden. So war und ist es eben immer: viel Auswahl/Angebot, viel „Rosinenpicken“. Wird es knapp, sind auch Arbeitgeber bereit mehr in ihr Pesonal zu investieren. Inklusive einer gewissen „Nachsicht“.
Letztendlich sind Wirtschaft und Demographie untrennbar. Besonders massive Einschnitte kommen dann hinzu, wenn, wie in den letzten Jahrzehnten auf unangenehme Weise erlebt, Rationalisierungseffekte und Wirtschaftskrisen hinzu kommen.
Bleibt also nur den wenigen, die evtl. von einem anonymisierten Bewerbungsverfahren profitieren könnten, viel Erfolg zu wünschen.
2.
Sebastian Laumen schrieb am 5.05.2011 um 08:26 Uhr:
Sehr geehrte Frau Huber,
damit sprechen Sie einen entscheidenden Punkt an, der sich auch mit anonymisierten Bewerbungen nur schwer beheben lässt.
Selbst wenn das Geburtsdatum aus dem Lebenslauf verschwinden würde, ließe sich doch über die Anzahl der bisherigen Arbeitsstellen, Praktika oder die Dauer der jeweiligen Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnisse Rückschlüsse ziehen.
Es liegt ja auch im Interesse der Bewerberin/des Bewerbers sich möglichst positiv darzustellen und die persönliche Qualifikation hervorzuheben.
Ausgeschlossen wäre damit allerdings, dass ein bestimmtes Datum als Fixpunkt gesetzt würde, aufgrund dessen beispielsweise alle Bewerber, die älter als 50 Jahre sind aus dem Bewerbungsverfahren sortiert werden.
So stünde dann tatsächlich die Berufserfahrung und sonstige Qualifikation im Fokus.
Wenn diese vom Arbeitgeber dennoch nicht gewünscht ist, weil dieser dann auch von höheren Gehaltskosten oder geringerer Belastungsfähigkeit ausgeht, liegt das im Bereich der Freiheit des Arbeitgebers.
Ziel der Bestrebungen der Jusos ist es ja vielen Menschen den Berufseinstieg überhaupt da zu ermöglichen, wo die Realität ihnen unnötig und ungerechtfertigt Steine in den Weg legt.
Mit freundlichen Grüßen
1.
Hannelore Huber schrieb am 4.05.2011 um 21:41 Uhr:
Grundsätzlich positiv zu bewerten.
Eines der größten Einstellungs-Hindernisse stellt seit Jahren das Alter des Bewerbers dar. Schon Arbeitnehmer ab Anfang bis Mitte 40 gelten für nahezu alle Arbeitgeber als „alt“ und werden oft schon deshalb aussortiert.
Wie will man das altesbedingte Aussortieren bei anonymisierten Bewerbungen verhindern?
Spätestens beim Lebenslauf/beruflichen Werdegang und Zeugnissen/Referenzen lassen sich mühelos Rückschlüsse auf das Alter ziehen. Oder wird auch dieser Teil bei diesen Bewerbungen anders abgefasst?
Lt. Spiegel-Online haben sich z.B. nur fünf (Deutsche Post, Telekom, L’Oreal Deutschland, Mydays GmbH, Procter und Gamble) von 30 angefragten Firmen bereit erklärt an einem Versuch teilzunehmen.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,713583,00.html
Allerdings werden diese Firmen das Verfahren nur für einen kleinen Teil ihrer Bewerbungen anwenden, nämlich für die Auswahl von Auszubildenden.
So etwas als „Versuch“ zu bezeichnen, ist schon nahezu lächerlich. Vielleicht besser als nichts und ein Anfang? Mag sein.
Gerade die Gruppe der älteren Bewerber, für die dieses anonymisierte Verfahren wirklich interessant wäre, kommt in diesem Fall gar nicht erst zum Zug.
Wie werden Rückschlüsse auf das Alter auf Grund von Zeugnissen und Angaben zu Tätigkeiten/Erfahrungen verhindert?
Gibt es hinsichtlich der praktischen Umsetzung, was z.B. diesen Punkt anbelangt, bei der SPD Vorschläge, Richtlinien oder sind diesbezügliche Erfahrungen aus anderen Ländern bekannt?