Rollenspiele – Teil V: Die Wahlaufrufer

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

aktiv-fuer-mg„Hauptsach is, mer dont jet…“ Da konnte man die Straße noch so zu plakatieren, da konnten Parteien noch so laut Wähler zur Wahlurne bitten und ein Verein gegen Wahlmüdigkeit auch 20.000 Postkarten (wo immer sie gewesen sein mögen) verteilen, es half nichts: 50 % der Mönchengladbacher sind bekennende Nicht-Wähler.

Alles Pseudo-Aktionismus. Ideen zur Abhilfe finden sich nur über die Beantwortung der Frage: „Warum überhaupt wählen gehen?“

  • Zutiefst-überzeugten Stammwähler können in ihrer Überzeugung eh nichts erschüttert werden.
  • Wechselwähler verfolgen die Politik über die Medien und überlegen immer wieder genau und neu, ob sie wählen.
  • Bei Nicht-Wählern dominieren Frust, Ignoranz, Egoismus, verlorenes Vertrauen und Unkenntnis.

Und zum Baum der Erkenntnis haben die beliebig austauschbaren Wahlflyer und Plakate bestimmt nicht geführt. Gerade an dem Erfolg der kleinen Parteien kann man sehen, dass MEHR nicht auch mehr bewirkt.

Im Gegenteil: ein Übermaß an Plakatierung bewirkt eher endgültiges Abwenden. Es wirkt nur noch übertrieben, Köpfe und Aussagen rollen vorbei, der Bürger schaut nicht mehr genau hin. Es animiert viel mehr zum Wegschauen, weil es zu viel ist. Überreizung total.

Auch – oder gerade Pseudo-Aktiv-Vereine – haben nichts bewirkt. Wurden diese überhaupt wahrgenommen von den Menschen in Mönchengladbach? Welche Aktivitäten dieser „Wahlbeteiligungmaschinchen“ sind uns bewusst geworden oder gar geblieben?

Sie haben im Ergebnis nichts Messbares/Nachweisbares gebracht.

Aber wollen die Parteien eigentlich wirklich mehr Wahlbeteiligung? Oder lebt es sich mit der steigenden Zahl von Nicht-Wählern letztlich nicht auch ganz komfortabel und bequem?

Leider ist „politischer denken“ nicht gleichzusetzen mit „wählen gehen“. Fast 50% der Mönchengladbacher haben nämlich „politisch gedacht“ und sind nicht wählen gegangen.

Möglicherweise auch, weil sie sehen, dass sie nicht wirklich „die Wahl haben“. Denn nach dem momentanen Wahlrecht können sie nicht ausdrücken, „wer mit wem“ soll.

Das können sie allenfalls nach der Wahl, in Interviews, Leserbriefen oder Umfragen. Und das war’s dann.

Nicht umsonst heißt es: „Seine Stimme abgeben“. Zurückholen kann man sie nicht!

In Kenntnis dieser Rolle lassen es die Nicht-Wähler lieber bleiben. Diese Bürger verweigern sich der Rolle nur „Stimm-Vieh“ zu sein.

Auch das „Erst-Zweit-Stimmen-Spiel“ greift nicht mehr, denn auch die Direktkandidaten der „Kleinen“ wollen „ihre“ Erststimme, obwohl sie von vornherein schon verloren ist und um sie oft nur wegen der Befriedigung des eigenen Egos „gekämpft“ wird. Hier ist kluge Aufklärung vonnöten.

Welche Rolle kann der Wähler zukünftig wirklich spielen? Wie können aus Nicht-Wählern wieder Wähler werden?

Eine Idee: der Bürger kann schon bei der Wahl mitbestimmen kann, welche Koalitionen/Kooperationen er sich vorstellt, also mit einem neuen Wahlsystem. In vielen deutschen Kommunen gibt es schon Wahlsysteme, die als „Vorlagen“ dienen könnten.

Was sonst?

Auf die Schnelle gibt es hier keine Trendwende. Es liegt auch an den „Otto-Normal-Wählern“ selbst.

Nicht-Wähler können mit Verständnis und Toleranz rechnen. Sie stehen nicht am Pranger.

Dabei lassen sie ihren Nachbarn, ihren Vereinsfreund, der sich in einer Initiative engagiert, sich für seine Ideale einsetzt, überzeugt, Mitstreiter sucht, schlichtweg in letzter Konsequenz im Stich.

Nachwuchs-Nicht-Wähler kommen auch in den Schulen nicht ans Nachdenken über ihre Position. Mit dem Thema „Rechtsextremismus“ gehen Schulen engagiert um, rücken das Problem z.B. mit Projektwochen und Gesprächen immer wieder in den Blickpunkt der Jugendlichen.

Beim Thema „Wahlverweigerung“ hapert’s ganz mächtig. Hier scheitert hierzulande der Lehrkörper ganz offensichtlich!

Dass es aus anders gehen kann, bewiesen Schüler die Berufsfachschule für Sozial- und Gesundheitswesen am Berufskolleg Viersen Sie haben sich nach der Kommunalwahl intensiv u.a. mit Nicht-Wählern unter Jugendlichen befasst: http://www.bz-mg.de/aus-dem-umland-nrw-und-darueber-hinaus/kreis-viersen/vorstellung-einer-studie-%E2%80%93-teil-i-jugendliche-nichtwahler.html.

„Wer nicht wählt, unterstützt finanziell alle Parteien, auch die Rechten. Wollt ihr das?“ Das wäre ein richtiger Aufruf. Vielen Bürgern ist nämlich die Parteienfinanzierung gar nicht klar. Hier ist Aufklärung geboten – gerade auch im Politikunterricht der Schulen.

Aber ob das die Parteien wirklich wollen? Wo die Finanzkrisenzeit dem Bürger alles abverlangt? „Wo ist hier der Beitrag der Parteien?“, werden Bürger fragen. Gefährlich!

Ein echter runder Tisch muss her, zu dem auch Schulen und Bürgerinitiativen eingeladen werden, kein Wähleraktivierungsverein, wovon einer der führenden „Köpfe“ mal gemeint hat: „Demokratie ist Zeitverschwendung“.

Da  kämen vielleicht so unangenehme Sachen für die Parteien wie „weniger Plakate“ bei raus, Parteien würden gezwungen werden, sich mit ihrem Selbstbild und Bürgerbild auseinander zu setzen, aber der Bürger selbst würde auch in die Pflicht genommen werden.

Heraus kämen vielleicht auch völlig neue, provokative Plakate, die zur Wahl aufrufen.

Heraus käme eine Diskussion über das Thema unter „normalen“ Bürgern, nicht nur zu Wahlzeiten.

Heraus kämen vielleicht auch mehr Bürger, die mitmischen wollen. Auch hier gilt: gefährlich für die Parteien.

Deswegen wieder die Frage: Leben die Parteien mit der steigenden Anzahl von Nichtwählern nicht trotzdem komfortabel weiter?

Tja, einfacher sind pflichtgemäße Wahlaufrufe und vorgetäuschter Aktionismus, um dann anschließend weiter zu machen, wie bisher.

Gesellschaftlich-brisant wird es allerdings, wenn sich irgendwann der geballte Politiker-Frust der Nicht-Wähler auf der Straße entlädt.

Nicht-Wähler wird es immer geben. Aber rüttelt nicht letztlich jeder Nicht-Wähler an unseren demokratischen Werten? Warum sollte er gehen, wo doch die anderen das für ihn übernehmen?

In letzter Konsequenz gibt es für Dauer-Nicht-Wähler als Idealform nur zwei Regierungsarten: die absolutistische Monarchie – oder die Diktatur.

Da braucht er auch nicht zu denken, keine Verantwortung zu übernehmen. Die übernehmen andere.

Und wie ist das anders in unserer „Demokratie“, wo die „alt-etablierten“ Parteien nicht realisieren wollen, dass sie nicht mehr zu zweit oder zu dritt und die Bürger (Wähler wie Nicht-Wähler) ein Mehr an aktiver Beteiligung fordern?

Davon wollen die Politiker nichts wissen. Die meisten sind zufrieden mit dem Wahlsystem, dass ihnen ihre Pfründe sichert: http://www.bz-mg.de/politik-verwaltung-parteien/mg-politik/burger-wollen-mehr-demokratie-beim-wahlen.html

Ein Kommentar zu “Rollenspiele – Teil V: Die Wahlaufrufer”
  1. Wie heißt es doch so schön in Artikel 20 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Es gibt aber im Volk ein Gefühl von Machtlosigkeit. In Gesprächen höre ich immer wieder solche oder ähnliche Sätze: „Die da oben machen eh was sie wollen, die sind doch eh alle gleich, die bereichern sich doch alle, ist doch eh egal, was ich wähle!“

    Weiter heißt es in Artikel 21 GG: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“. Aber kein Politiker hat den Mut, folgenden Satz dahinter zu schreiben: „Der Wille des Volkes ist durch Abstimmung festzustellen.“

    Die Programme der großen Parteien sind inzwischen ein Gemischtwarenladen – für jeden muss etwas dabei sein. Dadurch, und das ist durchaus ein Widerspruch, fühlen sich immer mehr Menschen offenbar von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten.

    Der „normale“ Wähler hat doch weder einen Einfluss auf das Wahlprogramm noch auf die Kandidatenliste. Er muss doch nur das Kreuz (oder auch zwei) an die richtige Stelle machen. Das soll die ganze Staatsgewalt sein?

    Notorische Nichtwähler wird man auch nicht durch Wahlpflicht und Strafandrohung an die Urne holen. Viel schlimmer ist doch, das politisch interessierte Bürger sich der Stimme enthalten – und das ganz bewusst. Alarmierend ist nicht die Politikverdrossenheit – die gibt es nämlich so nicht. Was immer mehr zu spüren ist, ist eine Politikerverdrossenheit.

    Warum gibt es immer mehr Misstrauen, Abneigung, ja Wut gegenüber der politischen Elite? Warum wird die Abkürzung „MdB“ übersetzt in: „Machbesessene doofe Bonzen!“? Diese Fragen müssen sich die Politiker selbst stellen und nicht die Schuld auf die Nichtwähler schieben.

    Wenn also die Wahlbeteiligung steigen soll, dann müssen die Politiker bei sich selbst anfangen: Demut gegenüber dem Volk üben und zuhören können.

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