Landtag NRW verabschiedet Inklusionsstärkungsgesetz • Kommunen und Land „gefordert“ • Unabhängige Monitoringstelle soll Umsetzung überwachen [mit Audios]

Bernhard Wilms [ - Uhr]

Etwas Euphorie, aber auch Erleichterung war zu verspüren, als der Düsseldorfer Landtag in seiner Plenarsitzung am 08.06.2016 unter dem Tagesordnungs­punkt (TOP) 5 mit den Stimmen von SPD und Grünen das so genannte Inklusions­stärkungsgesetz (I S G) beschloss.

„Euphorie“ zumindest bei den Sprechern der Regierungsparteien und bei Sozialminister Rainer Schmelzer (SPD). In die Gebärdensprache übersetzt wurde dieser TOP  von Woldemar Dollhäuser

(siehe auch Video-Stream: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/Webmaster/GB_I/I.1/video/video.jsp?id=1002840 ab Minute 4)

Nach der Aussprache, bei der jeweils ein Sprecher der im Landtag vertretenden Parteien abschließende Statements abgaben, wurde über insgesamt neun Anträge (CDU 7, FDP 1, Piratenpartei 1) und schlussendlich über den Gesetzentwurf von SPD und Grünen abgestimmt.

Mit unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen wurden sämtliche Änderungs- und Entschließunganträge abgelehnt, der Gesetzentwurf zum Inklusionsstärkungsgesetz mit den Stimmen von SPD und Grünen angenommen und damit verabschiedet.

Josef Neumann, „Inklusionssprecher“ der SPD-Fraktion erklärte u.a. dass das Gesetz ein „sehr guter Tag“ für 2,7 Millionen Menschen mit Behinderungen in NRW sei. Für diese Menschen werde „mehr Demokratie“ geschaffen.
Begonnen hätte man im Wesentlichen mit einem Aktionsplan mit 100 Maßnahmen in allen Lebensbereichen, das Bild von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft positiv zu verändern.

Das ISG sei ein Artikel- und kein Leistungsgesetz, das eine „inklusive Rechtskultur“ schaffe.

Damit sei NRW das erste Bundesland, das die UN-Behindertenrechtskonvention gesetzlich festschreibe.

[audio:16-06-08-landtag-ISG-01-spd-Neumann.mp3][ca. 6 Min]

Peter Preuß von der CDU-Landtagsfraktion betonte, dass Benachteiligungen für Menschen mit Behinderungen beseitigt werden müssten und zwar in den Köpfen, wie im Handeln auf allen staatlichen Ebenen. Das I S G der Landesregierung bleibe weit hinter dem Auftrag zurück, ein wirksames, handwerklich gut gemachtes Gesetz zu sein.

Preuß warf der Landesregierung und SPD und Grünen vor, nicht bereit zu sein, auch die Finanzverantwortung für Inklusion zu übernehmen. Konnexitätsregelungen würden fehlen.

[audio:16-06-08-landtag-ISG-02-cdu-preuss.mp3][ca. 6 Min]

Die Grünen-Abgeordnete Manuela Grochowiak-Schmieding erklärte für ihre Fraktion, dass man in NRW – im Vergleich zu anderen Bundesländern – was Belange von Menschen mit Behinderungen angehe „ganz gut aufgestellt“ sei. „Die Kommunen haben sich vor langem auf den Weg hin zu einem inklusiven Gemeinwesen gemacht“ zitiert Grochowiak-Schmieding die Vertreterin der Kommunalen Spitzenverbände in NRW Göppert.

Durch das ISG würden keine neuen Aufgaben für die Kommunen formuliert oder übertragen. Vielmehr würde durch dieses Gesetz konkretisiert, wie UN-BRK und Artikel 3 des Grundgesetzes um- und durchgesetzt werden solle.

Der CDU empfahl sie, ihren Antrag zum Thema Konnexität und ihre weiteren Anträge zurückzuziehen.

[audio:16-06-08-landtag-ISG-03-b90-grachowiak.mp3][ca. 7 Min]

Ernst-Ulrich Alda (FDP) betonte, dass Inklusion „Menschen- und Bürgerrecht“ sei. Alda erklärte, dass es gelungen sei, einige Anregungen aus der Anhörung der Behindertenverbände und deren Stellungnahmen im I S G zu berücksichtigen.
Alda kritisierte, dass Vorschläge, beispiels­weise der CDU undifferenziert abgelehnt worden seien.

Beim Inklusionsbeirat sei Ziel der FDP gewesen, die Betroffenen und der Selbsthilfe stärker mit einzubinden. Stattdeesen bestehe der Beirat vorwiegend aus Leistungsanbietern und Experten, sprich: der Wohlfahrtverbände, die unbestritten auch eigenen Ziele verfolgen würden.

[audio:16-06-08-landtag-ISG-04-fdp-alda.mp3][ca. 5 Min]

Die Piratenpartei betrachte die Richtung des ISG-Gesetzentwurfs und einiger zwischenzeitlich aufgenommener Änderungen seien „gut“, erklärte deren Sprecher zum Thema „Inklusion“, Daniel Düngel. „Im Gesetzentwurf wimmelt es von unbestimmten Rechtsbegriffen“, erklärt Düngel.

Es sei eine Ansammlung von „würdens“, „sollens“, „dürfens“ usw., wie selbst der Berichterstatter in der letzten Ausschusssitzung „zähneknirschend“ habe zugeben müssen.

Die Regierungsfraktionen seien noch weit davon entfernt, die UN-BRK ernsthaft und richtig umzusetzen.

Den Vertretern der Menschen mit Behinderungen hätte man in der Anhörung im wahrsten Sinne des Wortes mehr „Gehör“ verschaffen müssen.

Am Ende seiner Ausführungen lobte Düngel die Tatsache, dass dieser Tagesordnungspunkt durch einen Gebärdendolmetscher begleitet wurde und meinte, dass dies generell bei Sitzungen des Landtages erforderlich sei.

[audio:16-06-08-landtag-ISG-05-pirat-duengel.mp3][ca. 4 Min]

NRW-Sozialminister Rainer Schmelzer (SPD) schloss sich – nicht unerwartet – den Aussagen von Josef Neumann an und betonte, dass NWR das erste Bundesland sei, das die UN-Behindertenrechtskonvention auch in Landesrecht umsetze.

Der Aktionsplan „Eine Gesellschaft für alle – NRW inklusiv“ sei ein wichtiger Schritt gewesen und mit dem I S G gehe man einen nächsten Schritt in einen inklusive Gesellschaft. „Dies hat Vorbildcharakter“, sagte Schmelzer.

Er sei froh, dass künftig eine unabhängige und überörtliche Monitoringstelle beim Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin eingerichtet werde, die die Durchführung der UN-BRK in NRW überwache.

[audio:16-06-08-landtag-ISG-06-LREG-schmeltzer.mp3][ca. 5 Min]

Bisher keine Kommentare

Ihr Kommentar