EU erhöht geltende Grenzwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln aus Japan deutlich
Red. Gesundheit & Soziales [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Seit Tagen verweist Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner auf „spezielle Schutzstandards“ und „verstärkte Kontrollmaßnahmen“ was die Lebensmittelsicherheit anbelangt.
Worüber sie die Öffentlichkeit allerdings nicht informiert: die EU-weit geltenden Grenzwerte für radioaktive Belastung von Lebensmitteln aus betroffenen Regionen Japans wurden am vergangenen Wochenende deutlich erhöht.
Das Umweltinstitut München und foodwatch zeigen Unverständnis für eine EU-Eilverordnung.
Nahrungsmittel aus radioaktiv belasteten Präfekturen Japans dürfen gemäß Verordnung der EU-Kommission vom 25. März 2011 eingeführt werden.
Auch wenn es aktuell keinen Anlass gibt, Sorge um hochbelastete Produkte aus Japan zu haben, ist dies keine Rechtfertigung für das Heraufsetzen der Grenzwerte und vor allem erst recht keine für die desolate Informationspolitik der Bundesregierung.
Von verstärkten Kontrollen reden und gleichzeitig verschweigen, dass die Sicherheitsstandards für japanische Lebensmittel gesenkt wurden – das passt einfach nicht zusammen.
Grund für die Möglichkeit der Anhebung der Grenzwerte ist die Tschernobyl-Katastrophe.
1987 wurde die EU-Verordnung 3954/1987 erlassen. Diese besagt, dass im Falle eines „nuklearen Notstandes“ die Höchstgrenzen für die zulässige radioaktive Belastung von Lebensmitteln angehoben werden. Damit soll einer Nahrungsmittelverknappung vorgebeugt werden.
Dass diese Regelung ausgerechnet jetzt in Kraft gesetzt wird, ist nicht nachvollziehbar und absurd. Wir haben weder einen „nuklearen Notstand“ noch Lebensmittelknappheit in Europa.
Der Importanteil von Lebensmitteln aus Japan beträgt gerade einmal 0,05 Prozent. Ein „Ernährungsnotstand“ kann schon auf Grund dieses geringen Anteils nicht eintreten. Dafür nimmt die EU-Kommission vollkommen unnötig eine gesundheitsgefährdende radioaktive Belastung ihrer Bevölkerung in Kauf.
Geprüft wird auch nur die Einhaltung der Grenzwerte für Jod-131, Cäsium-134 und Cäsium-137. Plutonium und Strontium werden nicht überprüft.
Bisherige und seit dem 27. März 2011 geltende neue Höchstwerte für Cäsium-134 und Cäsium-137:
bislang | neu | ||||
EU-Verordnung | 733/2008 | 297/2011 | |||
Säuglingsnahrung | 370 | 400 | Becquerel/Kilogramm | ||
Milchprodukte | 370 | 1.000 | Becquerel/Kilogramm | ||
andere Nahrungsmittel | 600 | 1.250 | Becquerel/Kilogramm |
„Andere Nahrungsmittel“, wie Fischöl oder Gewürze dürfen diesen Wert sogar um das Zehnfache übersteigen. Das bedeutet bis zu 12.500 Becquerel/Kilogramm. Das entspricht dem 20-fachen des bisherigen Limits.
http://umweltinstitut.org/pressemitteilungen/2011/2011_03_29_2-865.html
http://umweltinstitut.org/radioaktivitat/allgemeines/grenzwerte-nahrungsmittel-864.html
4.
Pluto schrieb am 2.04.2011 um 17:57 Uhr:
Die Rente ist sicher, Atomkraft ist sicher und die Lebensmittel sind auch sicher. Das Wort sollte schnellstens zum Unwort des Jahres gewählt werden.
3.
Jose schrieb am 31.03.2011 um 15:16 Uhr:
Krisenmanagment der anderen Art: Schön strahlend reden statt handeln. Geht alles. Ganz so wie es gerade passt. Das nennen Politiker dann „Verantwortung übernehmen“ und „Handlungsbedarf erkennen“.
Lebensmittel aus Japan spielen bei uns nahezu keine Rolle. Schlimmer ist die Tatsache, dass diese Möglichkeit grundsätzlich überhaupt besteht!
Getreu dem Motto: Darf’s ein bisschen mehr sein?
Wie Politiker „ticken“ sehen wir doch auch gerade beim Atomausstieg vom Ausstieg des Ausstiegs.
Plötzlich sind sie schon fast auf einer Linie mit diesen „paar Spinnern“ Anti-Atom-Demonstranten, Dagegen- oder Wutbürgern. Und das ganz fix.
Warum eigentlich nicht gleich?
Könnte es sein, dass unter den Millionen Bürgern doch viele sind, die (schon immer) klüger sind als so mancher aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft?
Vor allem haben diese Bürger ständig weder Wahlen noch lukrative Pöstchen im Blick.
Egal mit welcher Erklärung diese Heraufsetzung nun legitimiert werden soll: Wozu waren die ursprünglichen Grenzwerte jemals gut? Wie sieht es mit den vielen anderen Werten, die in allen möglichen Bereichen als verbindlich gelten, aus? Nur Nonsens?
2.
DarkGrey schrieb am 31.03.2011 um 00:15 Uhr:
Erinnert mich an Gegebenheiten vor gut 20 Jahren 🙂
Gab es in der DDR einen Enpass an Schweinefleisch, war Fisch soooo gesund.
Gab es einen Überschuss an Hühnereiern, klebten überall Hinweise „Iss ein Ei mehr“
Haben alle Fisch und Eier gekauft, kam es zu einem Engpass bei diesen Lebensmitteln, also war Schweinefleisch wieder wichtig für den Erhalt der Arbeitskraft.
Jeweils nach Belieben.
Deutschland/EU haben Verträge mit Japan. Diese müssen, soweit es geht, eingehalten werden.
Ergo wird das Ermessensmaß nach oben korrigiert.
Ich bin jetzt mal ganz böse…… 🙂
Würden die Salafisten vom Verein Einzug zum Paradies ein Mineralwasser abfüllen, würde die Gladbacher Politik eine Empfehlung für das Paradieswasser ausgeben.
Nur niemandem weh tun – niemandem ausser den Bürgern… Aber die Bürger können das ab. 🙂
1.
Pincopallino schrieb am 30.03.2011 um 16:25 Uhr:
„… dass im Falle eines „nuklearen Notstandes“ die Höchstgrenzen für die zulässige radioaktive Belastung von Lebensmitteln angehoben werden. Damit soll einer Nahrungsmittelverknappung vorgebeugt werden.“
„Nahrungsmittelverknappung“??
Ja klar – ohne Lebensmittel aus Japan gibt’s ja in Europa nix mehr zu essen! Diese Argumentation ist wohl ähnlich unsinnig wie die, dass ohne die Uralt-AKW in Deutschland die Lichter ausgehen! Absurdes Theater, oder was?
Es drängt sich die Frage auf, wozu wir überhaupt so etwas wie „Grenzwerte“ haben. Ich dachte bisher, diese richteten sich nach dem, was dem menschlichen Organismus (an schädlichen Stoffen, Substanzen, Strahlen, etc.) zugemutet werden kann, ohne diesen mittelbar oder unmittelbar zu schädigen.
Wie es scheint, richtet man sich bei der Festlegung solcher Grenzwerte aber nach den jeweiligen Gegebenheiten und nicht nach dem gesundheitlich Vertretbaren.
Angesichts dieser Feststellung muss man sich fragen, wozu wir dann überhaupt Grenzwerte brauchen, wenn sie – je nach Situation – flugs angehoben werden, was die Sinnhaftigkeit solcher Grenzwerte ad absurdum führt.