Greenpeace zu Doel und Tihange • Nur 60 Kilometer von NRW entfernt: Tausende weitere Risse in belgischen Atomkraftwerken
Red. Natur, Umwelt & Energie [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Tausende neu festgestellte Risse in den Reaktordruckbehältern der beiden belgischen Atomreaktoren Doel 3 und Tihange 2 haben möglicherweise schwerwiegende Konsequenzen für sämtliche Atomkraftwerke weltweit.
Zwei renommierte Materialwissenschaftler warnten am 13.02.2015 nach ihrer Neubewertung der Funde davor, die Risse könnten durch ein bisher unbekanntes Phänomen der Materialermüdung entstanden sein.
Davon könnten auch die deutschen Atomkraftwerke betroffen sein.
Greenpeace fordert, sämtliche 439 Reaktoren weltweit genau zu überprüfen.
„Wie so oft bei Atomkraftwerken wurde die Tragweite des Problems offensichtlich verkannt“, sagt Heinz Smital, Kernphysiker und Atomexperte von Greenpeace.
„Es ist dringend notwendig, die Risse im Metall ernster zu nehmen als bisher und weltweit umfangreiche Untersuchungen durchzuführen.“
Atomaufsicht verweigert Greenpeace die Untersuchungsberichte
Als ein mögliches „globales Problem der Atomkraftwerke“ bezeichnete der Leiter der belgischen Atomaufsicht FANC (Federal Agency for Nuclear Control), Jan Bens, die Risse in den Druckbehältern.
Bens empfiehlt ebenfalls eine globale Untersuchung der Atomanlagen.
Greenpeace hat in Belgien auf Herausgabe aller Untersuchungsdokumente geklagt und dieses Verfahren im Januar auch gewonnen.
Die belgische Atomaufsicht verweigert jedoch bisher die Übergabe mit der Begründung, die Papiere zunächst auf etwaige Verschlusssachen überprüfen zu müssen.
Bereits im Sommer 2012 wurden bei der Revision des belgischen Reaktors Doel 3 mit Ultraschalluntersuchungen unerwartete feine Risse im Stahl des Reaktordruckbehälters festgestellt.
Wenig später entdeckten Inspekteure ähnliche Risse im Druckbehälter des Reaktors Tihange 2.
Experten deuteten die Risse als sogenannte Wasserstoffflocken, Fehleinschlüsse bei der Herstellung des Reaktors. Daher wurden hauptsächlich alte Herstellungsunterlagen gesichtet.
Eine komplette und genaue Untersuchung der Reaktordruckbehälter blieb aus.
Herstellungsfehler konnten jedoch nicht belegt werden. Die Atomaufsicht ordnete weitere Tests an und veröffentlichte im Dezember 2014, dass dabei weitere Tausende Risse in den Druckbehältern gefunden worden waren, deutlich mehr als erwartet.
Insgesamt wurden 13.047 Risse im Reaktor Doel 3 und 3149 Risse im Druckbehälter von Tihange 2 entdeckt.
Der Druckbehälter ist das Herzstück eines Atomreaktors, er beinhaltet unter anderem die hochradioaktiven Brennelemente, hier findet die nukleare Kettenreaktion statt.
Ein plötzliches Versagen des Druckbehälters ist in den Auslegungen der Atomreaktoren nicht vorgesehen und könnte zu katastrophalen Freisetzungen radioaktiver Strahlung führen.
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Die Atomkraftwerke Doel und Tihange (Baubeginn 1969 bis 1978) werden von dem in Belgien und den anderen Benelux-Staaten, Niederlanden und Luxemburg, führenden Energiedienstleister Electrabel S.A. betrieben.
Electrabel ist eine Tochter von GDF Suez SA, das wiederum aus der Fusion von GDF (Gaz de France) und dem Mischkonzern Suez (jenem, der einst als „Compagnie universelle du canal maritime de Suez“ den Suez-Kanal baute und betrieb, bevor dieser verstaatlicht wurde) hervor ging. 1998 wurde Electrabel Energie Deutschland AG, Berlin, gegründet.