Fracking: Neue Studie kann fachliche Vorbehalte nicht entkräften und weist schwere Mängel auf
Red. Natur, Umwelt & Energie [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Am Mittwoch, den 30.07.2014, stellte das Umweltbundesamt (UBA) den zweiten Teil seiner Fracking-Studie vor. Der sperrige Titel lautet: “Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas insbesondere aus Schiefergaslagerstätten Teil 2 – Grundwassermonitoringkonzept, Frackingchemikalienkataster, Entsorgung von Flowback, Forschungsstand zur Emissions- und Klimabilanz, induzierte Seismizität, Naturhaushalt, Landschaftsbild und biologische Vielfalt“.
Erarbeitet wurde es diesmal von einem Konsortium unter der Führung der Firma RiskCom. Deren Geschäftsführer Dannwolf machte bei der Präsentation des Zwischenstands im Januar keinen Hehl aus seiner Befürworter-Haltung.
So verpflichtete man dann praktischerweise auch gleich für vier der acht Arbeitspakete Autoren, die schon in ExxonMobils “Expertenkreis”-Dialog involviert waren.
Doch selbst unter dieser wohlwollenden Konstellation sind längst nicht alle Probleme gelöst. So fallen die bisherigen politischen Gesetzesvorhaben immer noch weit hinter die jetzigen Empfehlungen zurück.
Wenngleich der Fokus nun auftragsgemäß ausschließlich auf Schiefergas lag, zählt die Studie dennoch auch das umstrittene Tightgas (Gas aus schlecht miteinander verbundenen, wenig durchlässigen Gesteinsschichten, das nicht konventionell gefördert werden kann) ausdrücklich zu den unkonventionellen Vorkommen und empfiehlt ähnliche Standards anzuwenden.
Dies dürfte der Landesregierung Niedersachsen wenig gefallen, versucht sie doch im Einklang mit der Industrie, den Begriff “konventionell” massiv umzudeuten und auf Tightgas-Fracking zu erweitern.
Die inhaltlichen Mängel des neuen Gutachtens legt der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU) – dem die Studie bereits vorliegt – in seiner Pressemitteilung dar:
Zweites Gutachten des Umweltbundesamtes zu Fracking:
Verpasste Chance für eine tiefgehende Analyse der Umweltgefahren des gefährlichen Gasbohrens
Als verpasste Chance, die Umwelt- und Gesundheitsgefahren des Frackings detailliert zu analysieren sowie Schutz- und Vorsorgemaßnahmen aufzuzeigen, bewertet der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) das zweite Gutachten des Umweltbundesamtes (UBA) zu Fracking.
Das Gutachten wurde auf einer Pressekonferenz des UBA vorgestellt werden.
Der Anti-Fracking-Bewegung stand es bereits vorher zur Verfügung. Eine erste Analyse zeigt, dass weiterhin schwerwiegende wissenschaftliche Mängel bestehen, die bereits bei der Vorstellung des Entwurfs des Gutachtens zu Beginn dieses Jahres und bei der nachfolgenden Verbändebeteiligung von Bürgerinitiativen aufgezeigt wurden.
Für den forcierten Einstieg in die Hochrisikotechnik, wie sie Bundes-Wirtschaftsminister Gabriel und Bundes-Umweltministerin Hendricks vor wenigen Wochen in einem Eckpunktepapier angekündigt haben, bietet das Gutachten keinerlei Legitimation.
Oliver Kalusch vom Geschäftsführenden Vorstand des BBU erklärt hierzu:
„Nach der Vorstellung des Gutachtenentwurfs im Januar dieses Jahres hat die Anti-Fracking- Bewegung im Rahmen der Verbändebeteiligung eine fünfzig Seiten umfassende Stellungnahme an das Umweltbundesamt geschickt. Darin wurden detailliert Widersprüche, Erkenntnis- und Ermittlungslücken aufgezeigt sowie nicht nachvollziehbare subjektive Wertungen kritisiert.
Eine erste Durchsicht der uns nun vorliegenden Endfassung zeigt, dass das Gutachten sich so gut wie nicht verändert hat. Die Kritik der Bürgerinitiativen, die das Gutachten als mangelhaft einstufen, besteht damit weiter fort.
Statt ’ökologische Leitplanken für Fracking‘ zu errichten, geht mit diesem Gutachten die umweltpolitische Geisterfahrt beim Gasbohren weiter.“
Exemplarisch lassen sich folgende Kritikpunkte aufführen:
Es liegt nach wie vor kein schlüssiges Konzept vor, um die Risiken durch Fracking systematisch zu ermitteln und zu bewerten oder die Auswirkungen von Schadensereignissen, insbesondere zum Schutz des Grundwassers, wirksam zu begrenzen.
Es wird sogar festgestellt, dass ist in geologischen Bereichen mit Überdruck die Frac-Ausbreitung in der Regel nur schwer kontrollierbar ist.
Die bereits bei der Vorstellung des Gutachtenentwurfs geforderte Transparenz der Emissions- und Klimabilanzen wurde nicht geschaffen. Einfache Kontrollrechnungen zeigen, dass die Ergebnisse nicht plausibel sind. Zudem wurden relevante Eingangsparameter ungeeignet gewählt.
Der Gutachtenabschnitt zur induzierten Seismizität ist defizitär. Wie bei der Entwurfsversion sind bei dieser Betrachtung von Erdbeben die unzureichende Berücksichtigung bereits eingetretener relevanter Schadensereignisse, sowie die Fehlanwendung von Naturgesetzen zu kritisieren.
Hinzu kommt ein Sicherheitskonzept, bei dem erst reagiert wird, wenn sich Auswirkungen zeigen. Ein derartiges Konzept widerspricht dem in Deutschland verankerten Vorsorgegrundsatz.
Ein ungelöstes Problem stellt die Behandlung und Entsorgung des Flowbacks, der wieder zu Tage geförderten Mischung von Lagerstättenwasser und verbrauchter Frac-Flüssigkeit, dar.
Es wurde kein Stand der Technik der Abwasserbehandlung ermittelt, vielmehr wurde dieser Aspekt auf zukünftige potentielle Vorgaben der europäischen Union verschoben.
Ein Nachweis, dass es Abwasserbehandlungsanlagen für den Flowback gibt, die mit Erfolg in der Praxis erprobt sind, fehlt.
Zu Beginn der Sitzungswochen des Deutschen Bundestages wird die Anti-Fracking-Bewegung eine detaillierte Kritik an der Endfassung des UBA-Gutachtens vorlegen.
Der BBU betont bereits jetzt, dass es für die von den Gutachtern empfohlenen „wissenschaftlich begleitenden Erprobungsmaßnahmen“ gerade angesichts der Defizite des UBA-Gutachtens keine Grundlage gibt.
Experimente mit dem Grundwasser oder der Stabilität des Untergrundes lehnt die Anti-Fracking-Bewegung konsequent ab. Dies gilt erst recht für die im Gutachten prognostizierten ca. 50.000 Bohrungen im Schiefergestein.
Hier ist die Stellungnahme von über zwanzig Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen zum Entwurf des zweiten UBA-Gutachtens zum Thema Fracking nachzulesen.
Von einem Freibrief kann in Anbetracht der ungeklärten Punkte keine Rede sein. Unser Wasser und Boden ist zu wertvoll, als dass man es einem großflächigen Experiment opfern darf.
Bestenfalls wären damit nach heutigem Kenntnisstand marginale 2 – 3 % des deutschen Energiebedarfs zu decken.
Auch im Rückblick auf das erste Teilgutachten gibt es weiterhin reichlich Klärungsbedarf. Wesentliche Hausaufgaben der Empfehlungen des ersten Teils aus 2012 sind bis heute nicht erledigt.
So ist das niedersächsische Fracking-Kataster bis heute nicht fertiggestellt. Auf Anfrage der Gutachter des ersten Teils erklärte man damals, momentan keine Umweltdaten über bisherige Fracs liefern zu können, da man gerade eine Datenbank zusammenstelle.
Weit über zwei Jahre später ist diese immer noch nicht verfügbar. Dafür hingegen räumte das LBEG zwischenzeitlich ein, dass bislang keine begleitenden Umweltmonitorings erfolgten.
Folglich wenig belastbar ist dann auch die Aussage (UBA-Studie, erster Teil), dass keine Schäden bekannt geworden seien. Man hat ja vorsichtshalber erst gar nicht nachgeschaut…
3.
Heike Steffens schrieb am 22.09.2014 um 14:51 Uhr:
http://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft/milliardenuebernahme-siemens-setzt-auf-fracking-boom,10808230,28482216.html
und
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/09/22/milliarden-uebernahme-siemens-will-ins-fracking-geschaeft-einsteigen/
[Zitat]: Jetzt ist also Fracking das nächste große Ding für Siemens. Der Münchner Konzern kauft das US-Unternehmen Dresser-Rand für 7,6 Milliarden Dollar (5,8 Milliarden Euro) in bar. [Zitat Ende]
Glückwunsch!
Wirtschaftsminister Gabriel ist ja schließlich auch ein glühender Verfechter von Fracking und TTIP findet er ebenfalls super, da muss man sich als Konzern von Weltrang doch gleich mal positionieren. – – –
Ich fürchte, vor dem Lesen von Nachrichten sollte ich künftig vorsorglich Antiemetika einnehmen 🙁
2.
Pincopallino schrieb am 4.08.2014 um 10:45 Uhr:
Insbesondere in der Energieversorgung (aber auch im Gesundheitswesen) wird sehr deutlich, dass die sog. „repräsentative Demokratie“ diesen Namen mitnichten verdient.
Den immer wieder gern zitierten Ausspruch des französischen Sonnenkönigs Ludwig IX „L’etat c’est moi“ könnten unsere angeblich das Volk repräsentierenden Politiker mittlerweile locker für sich selbst beanspruchen, denn sie sind ja ganz offensichtlich der Auffassung, dass sie selbst „der Staat sind“ – zumindest benehmen sie sich so und lassen den Willen des angeblichen Souveräns, des Volkes nämlich, vollkommen außer Acht.
Dass uns die trügerische Illusion, wir hätten durch die periodischen Wahlen einen gewissen Einfluss auf das spätere Geschehen, nicht genommen wird, dient einzig dazu, das System der repräsentativen Demokratie aufrecht zu erhalten und dabei reichen die Mainstreammedien gerne ihre unterstützende Hand.
Zurück zur Stromversorgung, die eigentlich (so wie auch das Gesundheitswesen) in den Bereich der dem Staat vorbehaltenen Daseinsvorsorge fällt oder fallen sollte.
Dem „Staat“ ist es aber gelungen, die Zahl der Stromerzeuger und -anbieter in Europa auf eine Handvoll Großkonzerne zu reduzieren, die gleichzeitig Eigner der Stromnetze sind und die Strompreise völlig ungeachtet der Börsenpreise auf hohem Niveau halten.
Wenn der Staat Innovationen fördert, muss selbstverständlich gesichert sein, dass den Großkonzernen um Himmels Willen kein Schaden entsteht, nein, besser noch: Sie sollen möglichst den Hauptgewinn daraus ziehen.
Ob wir hier nun über Strom, Öl oder Gas sprechen, ist dabei unerheblich. Dass ExxonMobil gerade heftig Lobbyarbeit leistet, um in Deutschland gegen den erklärten Willen eines Großteils der Bevölkerung zu fracken, bestätigt das Bild der einvernehmlichen Zusammenarbeit eindrücklich.
Die tendenzielle Zustimmung zum Fracking in Deutschland aus Politikerreihen trotz des sehr eindeutigen Widerstands aus der Bevölkerung (zahllose Petitionen erreichen binnen kürzester Zeit hohe Unterschriftsraten / Bürgerinitiativen – auch auf europäischer Ebene, etc.) spricht eine eindeutige Sprache, lässt kaum einen Zweifel daran, wessen Interessen hier vertreten werden.
UNSERE sind es definitiv NICHT!
Die Krönung wird dann wohl sein, dass Fracking dank einer „juristischen Lücke“ womöglich bald erlaubt sein wird. Wie immer ist dabei federführend das unsägliche, längst überalterte und nicht mehr zeitgemäße Bergrecht, mit dem am Ende ja immer alles durchgeboxt wird, was sich die Energiekonzerne so vorstellen.
[Zitat: „„Die Moratorien der Bundesländer gegen Fracking sind eindeutig rechtswidrig“, sagt Walter Frenz, Professor für Bergrecht an der Universität Aachen. Sollte nun der Bund ein Gesetz erlassen, das die Bedingungen für Fracking detaillierter regelt, wären die Moratorien endgültig hinfällig: „So ein Gesetz müssten Gerichte als eindeutige Indizien werten, dass der Bund den Abbau grundsätzlich befürwortet“, sagt Bergrechtler Frenz. Fehlt nur noch ein Unternehmen, das sich traut.” [Zitat Ende]
Quelle: http://www.wiwo.de/technologie/umwelt/fracking-in-deutschland-bruechiges-tabu/10113152.html
1.
Der vom Morken schrieb am 3.08.2014 um 21:21 Uhr:
Ich bin gespannt wie der elastische und flexible Gabriel mit Fracking letztendlich umgeht. Er und Hendricks eiern ja ganz schön herum. Nur ja kein klares NEIN!
Grundsätzlich verstehe ich eines nicht:
Angeblich haben wir eine Repräsentative Demokratie. Demnach müssten also die Politiker die Meinung der Bürger repräsentieren.
Wie ist das beim Fracking (und AKWs, Braunkohle, Energiewende, TTIP und vielen weiteren Themen), das der überwiegende Teil der Bevölkerung ablehnt?
Fracking, das, mit etwas Glück, gerade mal für 10 oder 12 Jahre etwas (meine es sollen ca. 10% sein) an Energie beisteuert. Und dann? Was dann? Was bohren wir dann an?
Für einen so kurzen Zeitraum und im Verhältnis geringen Energiegewinn, wird ein derartiges Rad gedreht? Land durchlöchert wie ein Schweizer Käse?
Bei einem Bohrloch sind im Umkreis von 20 km mindestens 15 weitere Bohrlöcher für das Verpressen des Frackwassers, eines Giftcocktails mit unbekanntem Inhalt (weil geheim!!!) erforderlich.
Sind wir eigentlich noch zu retten?
Statt endlich die Erneuerbaren plus Speichertechnik voranzutreiben und so unabhängig wie möglich zu werden, liefern uns Politiker womöglich noch mehr den Energiekonzernen aus, damit die nur ja noch eine Daseinsberichtigung haben, nachdem die jahrzehntelang die Energiewende verschliefen/ausbremsten und sich gegen die Erneuerbaren wehren, damit ihnen nur ja nicht das Geschäft kaputt gemacht wird.
Handlanger dabei sind Politiker vor allem von der CDU, SPD und FDP, die sich dafür nicht zu schade sind. Na ja, rechnet sich in Parteispenden und Pöstchen in z.B. Aufsichtsräten.
Oliver Krischer von den Grünen brachte es auf den Punkt und sprach in Berlin von einem „Fracking-Ermächtigungsgesetz“. Krischer forderte ein echtes Verbot statt „Schlupflöchern, die so groß sind wie Scheunentore“.