„Tour“: Rollstuhlfahrer nur nach Anmeldung auf „Sonderfläche“ an der KfH • Mönchengladbacher BSK-Kontaktstelle entrüstet über Diskriminierung • Keine Absprachen mit Behindertenverbänden • War Inklusionsbeauftragte eingebunden?
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
In einer Pressemitteilung von heute (08.06.2017, 17:33 Uhr) teilte die Pressestelle der Stadt folgendes mit:
„Die Stadt weist im Zusammenhang mit der Tour de France am Sonntag, 2. Juli, noch einmal auf einen besonderen Besucherservice für Rollstuhlfahrer hin, die in Absprache mit der Polizei aus Sicherheitsgründen in den Besucherbereichen an der Bismarckstraße keinen Zugang haben.
Hier rechnen die Veranstalter mit bis zu 20.000 Besuchern.
Daher wird die Marketing Gesellschaft im Bereich vor der Kaiser-Friedrich-Halle eine gesonderte Fläche mit Sanitäranlage für bis zu 25 Rollstuhlfahrer einrichten.
Weitere Sanitäranlagen für Behinderte befinden sich im Veranstaltungsbereich hinter der Kaiser-Friedrich-Halle.
Eine entsprechende Anmeldung bei der Marketing Gesellschaft ist aus organisatorischen Gründen notwendig. … Interesseanten erhalten bei der Anmeldung auch nähere Informationen zu den Parkmöglichkeiten.
Zur weiteren Information: Aus Sicherheitsgründen ist der in Richtung Kaiser-Friedrich-Halle gelegene linke Besucherbereich nur für Fußgänger zugelassen.
Die Besucherbereiche auf der rechten Seite sind unter anderem auch für Personen mit Rollatoren und Kinderwagen zugelassen.“ (Auszug Ende)
Möglicherweise reagierte die Stadt damit auf einen facebook-Post von Torben Schultz (DIE LINKE), der etwa um 10:00 Uhr meinte:
„Zur Tour de France entdeckt die Stadt Mönchengladbach eine neue Gruppe der Gefährder: RollstuhlfahrerInnen! … Vielmehr ist es doch erschreckend, dass ein städtisches Unternehmen eine mindestens halbe Million teure Veranstaltung nicht Barrierefrei hinbekommt und sich dafür nicht entschuldigt, sondern die Diskriminierung mit Sicherheit begründet!
Der Sicherheitsaspekt ist bei Fahrrädern und Hunden akzeptabel, aber Menschen mit Behinderung wissentlich auszuschließen finde ich schlimm! …“ (Zitat Ende)
BSK entrüstet
Die Reaktion eines Behindertenverbandes ließ verständlicherweise nicht lange auf sich warten.
Karin Sturm von der Mönchengladbacher Kontaktstelle des Bundesverband Selbsthilfe für körperbehinderte Menschen e.V. (BSK) stimmte den Ausführungen von Schultz zu und ergänzte entrüstet:
„Fraglich ist auch, warum wurden die Behindertenverbände zum wiederholten Male nicht in Planungen eingebunden?
Diskriminierung, ja auch in diesem Punkt sind wir einig.
Rollstuhlfahrer werden förmlich ausgegrenzt.
Das auch Rollstuhlfahrer einen Bekannten-und Freundeskreis haben, (auch gehende Menschen) kann man sich offensichtlich nicht vorstellen.
Geht man in einer Gruppe hin, würde der/die Rollstuhlfahrer ja von dem Freundeskreis getrennt, da man ja in unterschiedliche Blöcke eingestuft wird. …
Standplatz KFH für Rollstuhlfahrer: Es findet sozusagen eine Ausgrenzung statt, man schaut auf das Geschehen, ist aber nicht mittendrin, sondern, außen vor.
So kann keine Inklusion stattfinden, wobei die Örtlichkeit des Standplatzes auch nicht genau klar ist.
Was ist im Notfall? (Gibt es einen Notfallplan für Rollstuhlfahrer?)
Wie will man die Rollstuhlfahrer aus einer möglichen Gefahren-Quelle herausholen?
Dann die WC-Situation: Gibt es wirklich richtige Behinderten WC’s (kein DIXI-Klo) das als Behinderten-WC deklariert wird und wenn ja, wo?
Fragen über Fragen!
Unmöglich und sicher nicht erwünscht, sonst hätte man die Verbände rechtzeitig eingebunden.
Für uns: „Ein absolutes NO GO“ !!!“ (Zitat Ende)
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Organisatoren der MGMG die Inklusionsbeauftragte der Stadt Mönchengladbach, in ihrer Funktion als Behindertenbeauftragte eingebunden hatten und diese der veröffentlichten Regelung zugestimmt hatte.
Warum ist das, was bei den Veilchendienstagsumzügen möglich ist, bei der Tour-Durchfahrt nicht möglich?
Auch bei diesen (mehrstündigen) Veranstaltungen gibt es ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem, in dem die Bedürfnisse der mobilitätseingeschränkten Menschen berücksichtigt werden.
Das Beste wird sein, wenn Rollstuhlfahrer gar nicht erst versuchen, sich die Tour vor Ort anzusehen.
Dann sind sie zwar „geplant“ ausgegrenzt, müssen sich aber auch keine Sorgen machen, wie sie beispielsweise die „weiteren Sanitäranlagen für Behinderte“ hinter der Kaiser-Friedrich-Halle erreichen, wo ihnen doch schon heute die Möglichkeit verwehrt ist an „normalen“ Veranstaltungen in und um der KFH teilzunehmen.
Wie sagte der glühende Verfechter von „Tour-Fieber“, OB Hans Wilhelm Reiners (CDU), als Schirmherr des Aktionstages von und für Menschen mit Behinderungen mit dem Titel „Zeit für Begegnung“ Anfang Mai, Zitat: „…dass Barrieren, insbesondere „in den Köpfen“ abgebaut werden müssten.
Davon scheinen die Organisatoren von „Tour-Fieber“ noch meilenweit entfernt zu sein.
3.
Schimanski schrieb am 13.06.2017 um 08:20 Uhr:
wenn man sich die Kommentare hier zu den bürokratischen Persönlichkeiten einmal verinnerlicht, so könnte bei psychologischer Betrachtung der heutige Brief des Herrn Peter Lauster hilfreich sein:
Dienstag, 13. Juni 2017
Liebe Freundin, lieber Freund,
ich erlebe es immer wieder in der Praxis, wenn über Eheprobleme geredet wird.
Dann wird mir erzählt, dass sich der hochgebildete, promovierte, im Beruf erfolgreiche Ehepartner bei der Trennung verhält »wie ein unreifes Kind« oder »wie ein unmenschliches Schwein«.
Deshalb sage ich immer wieder:
Intelligenz und Bildung schützen nicht vor Dummheit im weiteren Sinn.
Wer nur seine rationalen Fähigkeiten trainiert, aber die Intelligenz des Herzens vernachlässigt hat, der ist unreif – und solch eine Unreife ist eine besondere Form der Dummheit.
Wer seine eigene Psyche ’noch nicht‘ entdeckt hat, ist zwar körperlich und geistig durchaus präsent, aber er ist noch kein wirklich ausgereifter Mensch.
Ich bezeichne deshalb den Vorgang der Selbstwerdung, wenn du deine eigene Psyche entdeckst und ihr nicht mehr ausweichst, als den Vorgang, der zur zweiten Geburt führt. Erst mit dieser zweiten Geburt wirst du zum vollständigen Menschen, erst nach dieser zweiten Geburt bist du ganz auf dieser Welt, weil du erst dann zu einem wirklich eigenständigen Menschen geworden bist, der weiß, wer er ist, weil er zu sich selbst gelangt ist.
Herzliche Grüße
2.
Ypsilon schrieb am 11.06.2017 um 23:44 Uhr:
Wie wahr Herr Heymanns!
So ist es in der Tat: JEDEN kann es jederzeit treffen.
Was dann?
Hoffen, dass ab diesem Moment alles besser wird und man als Behinderter nicht abseits stehen/ausgegrenzt leben muss?
Behinderung ist schon tragisch und schwer zu verkraften. Plötzlich auch nicht mehr als „vollwertiger“ Mensch wahrgenommen und beachtet zu werden ist zutiefst bitter.
1.
Günter Heymanns schrieb am 11.06.2017 um 12:08 Uhr:
Mir stellt sich die Frage, ob die Organisatoren der Tour de France sowie Politik und Verwaltung sich überhaupt einen Gedanken über behinderte Mitmenschen gemacht haben.
Mönchengladbach ist ja leider schon länger dafür bekannt, das sie mit Inklusion nicht viel am Hut hat, trotz Inklusionsbeauftragten.
Darüber haben die der WDR, die Sozialverbände und Bürgerzeitung schon des öfteren berichtet.
Man kann den Entscheidern nur wünschen, nicht in solche Situation zu kommen, ansonsten müssten auch sie bitter feststellen, wie es sich aus der Perspektive anfühlt, wenn man in irgendwelche Ecken abgeschoben wird.