Sammler Walter Keasbach legte wichtigen Grundstein für das Museum Abteiberg
Hauptredaktion [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Mit der Präsentation der von einem Mönchengladbacher Sammler erworbenen Gemälde „Nadja“ von Emil Nolde und „Stillleben mit Apfelschale und japanischem Fächer“ von August Macke im Museum Abteiberg vom 13. bis 20. April rückt auch die Geschichte des Museums in Mönchengladbach in den Blick der Öffentlichkeit. Denn die avantgardistische Leitlinie des Museums wurde – vielen heutigen Besuchern völlig unbekannt – in den 1920er Jahren, somit zu den Zeiten des gegenwärtigen und damals in der Öffentlichkeit höchst umstrittenen Expressionismus gelegt.
Walter Kaesbach (1879-1961), Kunsthistoriker und Sammler, legte den Anfang mit einer Stiftung expressionistischer Kunst, die er als ein Vermächtnis für seine Geburtsstadt Mönchengladbach verstand: Sie sollte „Grundstock“ für ein Museum der Gegenwartskunst werden. Kaesbach gehörte zu jenen Kunstmäzenen, die dafür sorgten, dass der deutsche Expressionismus weltweit bekannt wurde.
Walter Kaesbach wurde am 28. Januar 1879 in Mönchengladbach geboren. Sein Vater, Karl Kaesbach, war Handelskammersyndikus. Nach dem Abitur an der Höheren Bürgerschule in Rheydt 1899 (dem späteren Hugo-Junkers-Gymnasium) studierte er zunächst Nationalökonomie an den Universitäten Leipzig, München und Berlin, bevor er sich der Kunstgeschichte zuwandte.
Eine Italien-Reise war der Auslöser, ab 1904 Kunst zu studieren. In Heidelberg lernte er die damalige Gegenwartskunst, den Impressio¬nismus, kennen. Bald jedoch verlegte er seinen Studienort nach Straßburg, wo er 1905 unter dem Kunsthistoriker Georg Dehio promovierte.
Schon 1906 kaufte Kaesbach – er war damals Volontär an der Nationalgalerie Berlin – über den Hagener Kunstsammler Karl-Ernst Osthaus für 120 Reichsmark das erste Bild („Straße von Weimar“) von Christian Rohlfs, den er persönlich kennenlernte und mit dem er bis zu dessen Tod 1938 in Freundschaft verbunden blieb. Das Bild – es ging 1937 als „entartet“ verloren – sollte der Grundstock seiner Sammlung werden.
1909 wurde er Assistent an der Nationalgalerie, wo er die Freundschaft mit dem am Niederrhein ansässigen Maler Heinrich Nauen schloss. Der dritte im Bunde wurde 1912 Erich Heckel. „Wenn ich an Berlin zurückdenke“, so erinnerte er sich später, „so empfinde ich vor allem, wie gut es mir damals ging. Ich konnte schon vor 1914 Gemälde von Feininger kaufen“. Finanziell unterstützt wurde er von seinem wohlhabenden und „sträflich gutmütigen“ Vater.
Im Ersten Weltkrieg meldete sich Kaesbach freiwillig als Krankenpfleger und konnte so einige Künstler, wie Beckmann, Herbig, Kaus, Kerschbaumer, Nauen und Heckel, vor dem aktiven Kriegsdienst bewahren, indem er sie mit Sanitätsaufgaben betraute. Als er 1922 seiner Heimatstadt Mönchengladbach seine 97 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen umfassende Sammlung vermachte, darunter 41 Bilder von Heinrich Nauen, 35 von Christian Rohlfs und 14 von Erich Heckel sowie weitere von Emil Nolde und Lyonel Feininger, war er bereits seit zwei Jahren Museumsdirektor in Erfurt. Mit dem Geschenk an seine Geburtsstadt wollte er den Bestrebungen um ein Museum einen Impuls geben.
Kaesbach hoffte, mit dieser Schenkung der Stadt aus einer lokalen und richtungslosen Sammeltätigkeit zu hohem künstlerischen Niveau und internationalem Ansehen zu verhelfen. Seine Schenkung sollte die Grundlage für eine öffentliche Sammlung und Ansporn zu weiterem Ausbau sein.
Die Stiftung umfasste Werke seit Beginn des 20. Jahrhunderts, das früheste von 1903, die meisten Werke nicht älter als zehn Jahre. Noch im November 1922 gründete sich ein Kunstverein mit Kaesbach als Ehrenvorsitzendem. Am 9. Dezember 1922 wurden die Gemälde der Stiftung in einer Ausstellung – damals noch im Museumsgebäude am Fliescherberg – der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Bericht der Westdeutschen Landeszeitung über die Ausstellung kommt die Idee Kaesbachs zum Ausdruck: „Aus der Vergangenheit kommen deshalb nur Künstler infrage, die als Wegbahner und Vorläufer der vorhandenen gelten können; im übrigen wird man bei der Ergänzung den Blick mehr auf die Gegenwart und Zukunft zu richten haben. Das ist auch der Wunsch des Stifters“.
Die „Kölner Zeitung“ berichtete 1923: „Das kleine Museum verdient unter den deutschen Sammlungen moderner Kunst einen besonderen Platz“. Als Motiv für die großzügige Schenkung nannte Kaesbach später: „Ich habe in meinen jungen Jahren so wenig Anregung auf diesem Gebiet erfahren, dass ich der heranwachsenden Jugend bessere Möglichkeiten schaffen will“.
Als Direktor des Erfurter Museums stellte er Heckel, Mueller, Pechstein, Schmidt-Rottluff, Feininger, Klee und Kandinsky aus, während man anderswo die Expressionisten als „Bürgerschreck“ und Schlimmeres abqualifizierte. Unter Kaesbach erlebte das Museum einen enormen Aufschwung.
Bereits vier Jahre später wurde Walter Kaesbach zum Direktor der Kunstakademie Düsseldorf ernannt. Zu den von ihm berufenen Lehrern gehörten unter anderem Heinrich Campendonk, Ewald Mataré und Paul Klee. Unter Kaesbach erlebte die Akademie ihre „goldenen 20er Jahre“, eine Blütezeit, die erst von den Nationalsozialisten abrupt beendet wurde.
Begleitet von einer unglaublichen Hetzkampagne, wurde Kaesbach als einer der ersten seines Amtes enthoben, „abgesägt“, wie das Naziblatt „Volksparole“ am 24. März 1933 hämisch verkündete, wegen „Kunstzersetzung und Bolschewismus“. Verbittert zog er sich nach Hemmenhofen am Bodensee, nahe der Schweizer Grenze, zurück, wo er sich nur noch rein privaten Interessen widmete.
Im Dezember 1937 beschlagnahmten die NS-Machthaber im Rahmen der von ihnen als „Säuberungsaktion“ bezeichneten Ausräumung aus den Museen die komplette Sammlung. Als „Entschädigung“ erhielt die Stadt 1941 die lächerliche Summe von 1.450 Reichsmark. Ãœber den Verbleib dieser Arbeiten, die von den Nationalsozialisten verhökert wurden, ist wenig bekannt.
Man weiß aber inzwischen, dass einige der nach dem Krieg in Berlin beschlagnahmten Bilder heute in Russland sind. Die Bemühungen des damaligen Museumsdirektors Heinrich Dattenberg, Bilder aus der Stiftung nach dem Krieg zurückzukaufen, gestaltete sich äußerst schwierig und gelang nur in Einzelfällen.
Von mittlerweile 26 wieder aufgetauchten Arbeiten, die sich zum größten Teil in Privatbesitz befinden, hat das Städtische Museum Abteiberg heute sieben Arbeiten, darunter die „Tulpen“ von Heinrich Nauen, Erich Heckels „Flandrische Ebene“ und „Der Hirte“ von Heinrich Campendonk. 1954, als Kaesbach den Goldenen Ehrenring von seiner Vaterstadt erhielt, schenkte er dem Museum anlässlich seines 75. Geburtstages seine 53 Werke umfassende Heinrich-Nauen-Sammlung.
Walter Kaesbach starb am 1. Juni 1961 im Alter von 82 Jahren in einem Konstanzer Krankenhaus. Auf einem Friedhof in Konstanz liegt er begraben. Rheinischen Boden hat Walter Kaesbach, nach dem in Mönchengladbach in Großheide eine Straße benannt wurde, nie mehr betreten, trotz einiger Bestrebungen nach dem Krieg, ihn wieder ins öffentliche Leben zurückzuholen.