Weltstar Helen Donath gibt Meisterkurs beim „Opernstudio Niederrhein“
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Ein Weltstar gab einen Meisterkurs in Sachen Musik, speziell in Gesang, aber auch in menschlichen Dingen, die nicht vom Beruf des Sängers zu trennen sind: Helen Donath.
Helen Donath, die in Kürze ihren 74. Geburtstag feiert, erschien vor dem begeisterten, fachkundigen Publikum in der Frische einer jungen Frau.
Mit welcher Intensität sie arbeitete, den jungen Menschen in Wort und Ton erklärte, was und warum diese etwas machen sollten, kam aus der überreichen Erfahrung einer Frau, die aus vollem Herzen weitergibt.
Wie sie, als junge Sängerin in Köln, später Hannover und der ganzen Welt, zunächst im leichten Fach, als Sophie, als Figaro-Susanne, als zutiefst berührende Pamina, dann Mimi, bejubelt und geliebt wurde, dann sehr viel später zur Figaro-Gräfin, zur Agathe, zur Marschallin kam, dann auch noch umjubelt in Essen die Aitra in der“Ägytischen Helena“ von Strauss sang, wird im Gedächtnis aller Musikfreunde haften bleiben.
Unter Karajan sang sie neben vielen anderen Werken die Eva in den Meistersingern, eine junge strahlende Frau, die das Quintett erfüllt führte.
Immer blieb sie dem Lied treu, das sie bis tief in unbekannte Bereiche mit ihrem Gatten Klaus Donath erforschte und sang.
Wie herrlich war es für uns Zuhörer, dieses Miteinander im Konzert zu erleben, das nur durch eine tiefe Beziehung entsteht und sich auf den Hörer überträgt.
Die technischen Dinge, die doch Voraussetzung sind, waren für Helen Donath und Klaus Donath selbstverständlich, in ihren Konzerten natürlich nicht zu hören.
Singen ist Überhöhung, aber auch Diener der Sprache. „Hier gilt es der Kunst“.
Immer wieder der Hinweis:
Was man in der Jugend lernt, sollte dazu dienen, seine Gaben auch im „Alter“ zur Verfügung zu haben.
Sie ist der lebende Beweis, dass dies geht!
Jetzt gibt sie ihr reiches Wissen an Begabte weiter, nun hier im Studio des Stadttheaters.
Als Erster trat der Bariton Sebastian Seitz auf.
Eine sympathische Erscheinung, ein charmanter Strahlemann, der sich auf der Bühne präsentieren kann.
Er hatte sich im ersten Teil, der dem Lied gewidmet war, Schubert´s „Auf der Bruck“ ausgesucht.
Dieses sehr schwierige Stück nach einem Text von Ernst Schulze gehört in die Gruppe der vielen Reiterlieder, die Schubert komponierte.
Es ist sowohl für den Sänger durch weiten Stimmumfang wie auch den Begleiter , leidenschaftlich dahin strömende Oktavenbegleitung, die mich an die Schwierigkeiten der „Erlkönig-Begleitung“ erinnert, verdammt schwer. Der ständige Trab-Rhythmus kann zu metrischem Musizieren führen, was hier aber nicht geschah. Pferde verfügen durchaus über Änderungen im Trab, den einfachen Trab, den Mitteltrab, den starken Trab.
Jesse Wong ist ein Begleiter der Sonderklasse, auf den ich später noch zurückkomme.
Sebastian Seitz hat eine laute Stimme, die, gerade hier auffallend, zum Ausstellen in der Höhe, vibratolosem Ansatz, dadurch zum Abrutschen in den Hals neigt.
Dass durch diese Art des Singens die tiefe Lage nicht anspricht, führte auch hier dazu, dass die Textverständlichkeit litt. Hier griff Helen Donath, immer wieder durch diese Dinge gefordert ständig ein.
Harte Arbeit für Beide! Aber es führte zu doch guten Ergebnissen, Seitz zeigte auf einmal, dass es auch anders geht, dass die Stimme auch zu Mezzoforte, zu klangschönem Gestalten fähig ist.
Zu Diskussionen kam es über das Phrasieren, Seitz sang über Kommata hinweg, da fragte Frau Donath dann, ob nicht Schubert der Komponist sei.
Wo war beim Gesangstudium hier denn der Hinweis auf die Dinge, die Frau Donath einforderte?
Ist das die Ausbildung an deutschen Hochschulen?
Lisa Katarina Zimmermann trat nun auf.
Eine junge, schöne Frau, die zum Liederteil ein Lied aus Alban Berg´s „7 frühen Liedern, „Die Nachtigall“ ,Text von Theodor Storm wählte.
Auch hier eine Ausdeutung, die Helen Donath infrage stellte. Stimmliche Dinge wie mangelnde Dynamik, Übersingen von Phrasen, bedurften der Korrektur.
Immer wieder, wie bei Seitz, Hinweise auf das Ausdeuten des Textes, Phrasierung, Deklamation.
Es wurde auf einmal ein anderes Lied.
Zu wenig ging Frau Donath auf die Aussprache von Lisa Zimmermann ein. Sie neigt zum Verschlucken der Konsonanten, gerade der anlautenden, die doch beim Liedersingen das so unglaublich wichtige Verstehen des Textes fördern. Das Singen des Konsonanten „S“ fällt ihr hörbar schwer, man kann es fast als Lispeln deuten.
Hier wäre noch etliches zu erarbeiten.
Dann endlich „Il tenore“: Andrey Nevyantsev verfügt über eine bemerkenswerte schöne, etwas slawische Stimme, die ihn auch für das deutsche Fach, den lyrischen Heldentenor, empfehlen würde.
Eine große Verbesserung der Gesangstechnik, der Sprachbehandlung, ihm ist die Gabe der natürlichen Diktion und Artikulation gegeben, fiel mir bereits beim Lied auf.
Er sang ein russisches Volkslied, das ihm natürlich sehr entgegenkam.
Hier wurden dann Dinge, wie sie auch bei den anderen Stipendiaten auffielen, korrigiert.
Damit tat der junge Mann sich etwas schwer, aber nach einer kleinen Diskussion ging es doch.
Die Zeit verging wie im Fluge.
Im Opernteil zuerst wieder Sebastian Seitz.
Aus „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti sang er die Romanze des Dr. Malatesta, des Kupplers, „Bella siccome un´angelo“ .
Hier kam ihm wieder sein Darstellungstemperament zugute. Das Anschmachten, das Preisen weiblicher Schönheit gelangen ihm vorzüglich.
Aber auch hier wieder die alten Fehler. Das Ausstellen hoher Töne, dadurch das Unterbrechen der musikalischen Linie. Um Korrekturen kam Helen Donath nicht herum.
Lisa Katarina brachte nun die Arie der Ilia aus der Oper „Idomeneo“ von Wolfgang Amadeus Mozart.
Wie schwer ist es doch, den Hass der Trojaner-Prinzessin Ilia gegen die griechischen Feinde und die Liebe zum Sohn des Feindes Idomeneo zu gestalten. Hier griff Frau Donath sehr oft ein.
Wieder die bereits dokumentierten Fehler bei Diktion, Artikulation und Phrasierung.
Es kam zwar nicht zu einem wirklich guten Ergebnis, aber zu einem zufriedenstellenden.
Andrey Nevyantsev hatte sich für den Opernteil die Arie des Lenski „Kuda, kuda“ (Was wird der dunkle Tag mir bringen) aus Eugen Onegin von Tschaikowsky ausgewählt.
Auch wenn einige kleine Korrekturen vorgenommen wurden, seine Interpretation verschaffte mir sich sträubende Haare und ein gerade noch am Wasser vorbeikommendes Gefühl.
Toll!
Wie man dann erfuhr, ist er in die Schlussrunde des Domingo-Wettbewerbs in Amerika gekommen, außerdem gastiert er in Ulm ?? als Alfredo in La Traviata.
Fazit:
Ein sehr interessanter Abend, an dem nicht nur die Sänger, sondern auch die Zuhörer eine Menge lernten, man einen fabelhaften jungen Pianisten, nein, einen Begleiter von Gottes Gnaden, vielleicht auch Korrepetitor hörte, der bereits reagierte, bevor Helen Donath oder Klaus Donath etwas sagten,
Jesse Wong, dessen Namen man sich merken sollte.
Eine Riesenfreude für den Rezensenten.
Nochmals ein Dank an Frau Donath und ihren Gatten. Es war hinreißend!
Nachsatz:
Man verstehe diese Kritik nicht als Miesmachen, sonder als konstruktiv.
Heute ist es ja üblich, in Konzerten nicht mehr auf solche Dinge wie die hier angeführten einzugehen, sondern nur etwas Nettes oder weniger Nettes zu schreiben.
Wenn aber die begründete Kritik fehlt, der Hinweis auf Fehler, wie sollen dann junge Nachwuchskünstler, zumal, wenn sie so begabt sind, über so schöne Stimmen verfügen, wie die hier besprochenen, lernen, mit ihren Lehrern und Korrepetitoren etwas zu ändern?
Helen Donath hatte das Glück, in ihrem Gatten das Ideal zu finden.
Wo gibt es so etwas noch?
Herbert Rommerskirchen