„Stiffelio“ von Giuseppe Verdi, eine lohnende Entdeckung? Aufführung im Stadttheater Mönchengladbach
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Die Ausgrabung einer Verdi-Oper gab es im Theater Krefeld/ Mönchengladbach zu sehen und zu hören. Ein Werk, das selbst in Italien selten oder nicht zu hören ist, an großen Häusern in Amerika oder England mit großen Namen besetzt, auch nur mäßige Erfolge erzielte.
Es handelt sich hier um „Stiffelio“, eine Oper, die zwischen Verdis Oper „Luisa Miller“ nach Schiller und „Rigoletto“ nach Victor Hugo entstand.
Ähnlichkeiten zwischen Luisa Miller und Stiffelio sind, zumal in der Chorbehandlung, nicht zu überhören.
Aber, das ist das Entscheidende:
Als Verdi den Stiffelio zurückzog, die Musik in großen Teilen in die Ritteroper „Aroldo“ übernahm, komponierte er das Trio, das ihn weltberühmt macht: Rigoletto, Troubadour, La Traviata.
Hier hört man vieles aus dem Stiffelio. Was im Stiffelio noch Versprechen ist, kommt dort zur Vollendung.
Als Beispiel sei das Duett „Lina – Stankar“ genannt.
Dieses Duett taucht zwar mit anderer Melodieführung, anderem Inhalt, im Troubadour zwischen Leonore und Graf, in Traviata zwischen Traviata und Vater Germont, und im Rigoletto zwischen Gilda und Rigoletto auf.
Das 1. Finale gibt es, auch perfektioniert, in der großen Ballszene in La Traviata, Finale 3. Akt, im Troubadour im Finale Akt 2. Verdi hat genau gewusst, was er verbessern musste.
Stiffelio ist ein ganz interessantes Werk, wenn man es unter diesem Aspekt sieht und hört.
Wer aber Verdische Melodien, Chöre erwartet, liegt hier falsch. Hier ist keine Melodie, die sich in Ohr und Herz des Zuhörers verankern kann. Arien gibt es kaum, Lina wurde ariose Stellen zugeteilt, Stankar, der Vater erhielt eine große Arie mit Cabaletta, die in allen Verdi-Opern ähnlich vorkommt, im Aroldo merklich verändert (verbessert) .
Damit zur Handlung, die man mit wenigen Worten abhandeln kann.
Der Pastor einer evangelischen Sekte, der von einer Reise nach Hause kommt, erfährt von der Untreue seiner Frau.
Das führt dank emsigen Gebrauchs von Briefen, Klopstocks Messias, verschlossenen Büchern zu Eifersuchts-, Liebesszenen, Rachegedanken und einem wütenden Vater, der letztendlich den Liebhaber umbringt. In einem etwas seltsamen Finale verzeiht der Pastor seiner Frau, als er die Bibel aufschlägt und ausgerechnet die Stelle erwischt, bei der Jesus der Ehebrecherin vergibt.
Er vergibt.
Es gibt für Lina ein Freuden C´´´, damit ist dann Schluss.
Zur Aufführung
Helen Malkowsky gab sich redlich Mühe mit dem etwas sperrigen Stoff, führte die Sänger und, oh Wunder, auch den Chor exzellent. Das hat mir sehr gut gefallen.
Weniger gefiel mir, dass wieder einmal die Ouvertüre (10 Minuten) durch ein unnötiges Bühnenspiel
gestört wurde. Unsicherheiten im Orchester fielen hierdurch allerdings weniger auf.
Es gab hier keinen Applaus, wie auch im ganzen Verlauf des Abends das Publikum merklich zurückhaltend war.
Das Bühnenbild, Hartmut Schörghofer, gefiel mir ganz außerordentlich. Es führte zwar die Handlung nicht weiter, konzentrierte aber durch sängerfreundliche Einfachheit die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Ausführenden auf der Bühne. Susanne Hubrich ersann gute, passende Kostüme.
Warum aber der alte Oberst Stankar, Linas Vater, als „ Penner“ erschien, kann ich mir nicht erklären.
Zur musikalischen Ausführung
Die Krone gehörte hier eindeutig Izabela Matula als Lina. Wie sie sich der Musik, der Handlung hingab, war toll. Eine schwere Partie ist die Lina, die einen Spinto-Sopran verlangt, eine Stimme, die große, starke Töne produzieren, aber auch Piani und Pianissimi singen kann.
Izabela Matula konnte dies in allen Stimmlagen ganz wunderbar, sang dazu beseelt und in großen Bögen denkend. Eine fabelhafte Leistung.
Dann hörten wir einen Tenor!
Michael Wade Lee ist der Prototyp einer fast nicht mehr vorhandenen Stimmgattung, die des italienischen Spinto-Tenors, eines Sängers, der Radames in Aida, Cavaradossi in Tosca, sogar den Andrea Chenier singen kann ( Den möchte ich einmal von ihm hören und sehen) .
Leider verabsäumte Verdi, für den Tenor eine richtige Arie zu schreiben. Wenn er Lee gekannt hätte, hätte er bestimmt eine solche geschrieben. Er kann seine Stimme aufstrahlen lassen, dass es eine Wonne ist, aber auch wunderbar gestütztes Piano singen, was in diesem Fach nicht üblich ist.
Er sieht dazu noch gut aus, spielt, durch die Regie geführt, seine Rolle in totaler Identifikation.
Der Bariton Johannes Schwärsky wurde zu Recht gefeiert, hat er doch eine große, sehr schön timbrierte Stimme, die in allen Lagen, die Verdi von seinen Baritonen verlangt, bestens klingt.
Eine gewisse Einförmigkeit ist wahrscheinlich auf die Führung als absoluter Bösewicht zurückzuführen. Das er auch Vater ist, kam hier nicht zum Tragen.
In kleineren Rollen sangen Hayk Dèinyan, der einfühlsam spielte und balsamische Töne sang, Michael Siemon als Liebhaber Raffaele, er wird immer besser , Andrey Nevyantsev und Eva Maria Günschmann.
Der Chor, Einstudierung Ursula Stigloher, sang präzise und klangschön, spielte dazu ganz vortrefflich.
Personenregie fand statt.
Das Orchester unter GMD Mikhel Kütson hatte keinen guten Tag. Schon in der Ouvertüre wackelte es bedenklich.
Szenenbeifall gab es nur für Frau Matula und Johannes Schärsky, Michael Wade Lee hatte ja leider keine Arie.
Der Schlussbeifall war verhalten, bis eine Reihe von Leuten in gellendes Beifallsgebrüll ausbrachen und den Rest des Publikums mitrissen. Dass die ersten „Bravi“ schon beinahe in den letzten Ton kamen, zeugt nicht von Musikverständnis. Vielleicht nennt man das „Einen rauschenden Erfolg“?
Fazit:
Wer einen unbekannten Verdi kennenlernen und am Stück studieren will, sollte unbedingt die Vorstellungen besuchen, zumal die Sänger überdurchschnittlich sind.
Herbert Rommerskirchen
Foto: Matthias Stutte