Romeo und Julia Ballett im Stadttheater
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
In unserem Haus gab es nach langer Zeit wieder einmal ein Handlungsballett oder auch Kostümballett genannt. Ein gewaltig langes Stück; knappe drei Stunden.
Die Handlung folgt fast genau jener des Theaterstücks von William Shakespeare. Die Kraft und Brillanz des Dramas wird hier aber nicht erreicht.
Prokofjews Musik wirkt am stärksten, wenn sie Volkstänze, Kampfszenen etc. darstellt.
Die lyrischen Passagen, Liebes-Pas de deux etc., wirken etwas langatmig und konstruiert. Da bedarf es einer großen Choreografie und sehr ausdrucksvoller Darsteller.
Vorab sei gesagt, daß, und dies ist doch nicht Sinn eines Ballettabends, das Orchester denweitaus besten Teil des Abends leistete.
Unter GMD Jackson musizierte unser Orchester brillant und klangschön die nicht ganz leichte Partitur. Macht sich hier auch die Arbeit an der Musik der Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“bemerkbar? Herausragend das warme, weiche Spiel der Cello-Gruppe. Bravo für Dirigent und Orchester.
Leider enttäuschte mich die szenische Ausführung etwas.
Warum das Vorspiel szenisch? Muß man wieder Kinder auf die Bühne bringen, die ja immer publikumswirksam sind? Dafür war der Auftritt zu kurz.
Bewundernswert, wie sich die hier als junge Frau auftretende Amme über Jahrzehnte hin ihr Aussehen unverändert erhielt. Das Rezept sollte man veröffentlichen.
Sehr schön die Volkszenen im ersten Akt, aufgelockert durch die hervorragenden Tänzer des Mercutio, Takashi Kondo, und des Benvolio, Paolo Franco, beide quicklebendig tanzend und spielend.
Der entstehende Strei t zwischen Capulets und Montagues war hervorragend inszeniert. Solche Dinge macht Herr North sehr schön.
Etwas verwunderlich, daß hier mit Dolchen gewerkelt wurde, eigentlich wurde doch in diesen Zeiten mit dem Degen gearbeitet. Wurde hier die Nähe zu Westside-Story gesucht?
Der Deus ex Machina, alias Prinz von Verona beendet den Streit.
Ein heiteres Zwischenspiel führt ins Haus der Capulets, wo Julia, Elisa Rossignoli, sehr ausführlich mit ihrer nicht gealterten Amme, Ligia Craciunescu, spielt. Lady und Lord (Contessa und Conte?) Capulet,
Sheri Cook und Robert North treten auf, um ihre Tochter auf einen Freier vorzubereiten.
Dazu wird ein großes Kostümfest gefeiert, zu dem auch Romeo und seine Freunde, natürlich irrtümlicherweise, geladen wurden.
Das Drama kann beginnen, da die mit dem Freier Paris, Razvan Craciunesu, tanzende Julia den ihr noch unbekannten Romeo sieht.
Hier kommt Julias Cousin Tybalt, Emmerich Schmollgruber ins Spiel, der den Aufpasser mimt.
Durch Romeos Freunde Mercutio, dessen Rolle in dieser Aufführung, wie mir scheint, merklich beschnitten wurde, und Benvolio wird er abgelenkt, sodaß Romeo und Julia etwas Zeit haben, sich noch sehr schnell ihre Liebe zu erklären. Er besucht sie unter dem Balkon ihres elterlichen Hauses.
In einer hier nicht sehr glaubwürdig gebrachten Scene gestehen sie sich ihre Liebe.
Im zweiten Akt gibt es wieder Volksbelustigung und sogar eine Komödiantentruppe.
Die Liebenden reißen aus zu Pater Lorenzo, Gianfranco Brogna, um sich segnen zu lassen. Hier findet seltsamerweise schon die Trauung statt, die doch eigentlich erst im dritten Akt dran ist, sonst wäre eine evtl. Trauung mit dem von den Eltern gewollten Freier doch Bigamie. Das hätte Pater Lorenzo doch dann verhindern müssen.
Aber, immer noch im zweiten Akt, wird es dann ernst. Tybalt provoziert Streit und gerät mit Romeos Freund Mercutio und hier auch Anderen aneinander. Er ersticht sehr schnell Mercutio, der dann doch noch sehr lange kämpft. Sehr schön getanzt, aber so ausführlich noch nicht gesehen.
Romeo nimmt, wieder ein einem Zweikampf, Rache und tötet Tybalt. Willkommener Anlaß für das Ehepaar Capulet, Klagearien anzustimmen.
Im dritten Akt wird weiter getrauert.
Romeo trifft sich mit Julia und verbringt die Zeit in ihrem Schlafzimmer. Romeo muß als Verbannter nach Mantua (Warum für solche Gelegenheiten eigentlich immer diese Stadt?)
Herrliche Gelegenheit für einen doch sehr schönen Abschiedstanz.
Während seiner Abwesenheit wird Julia von den sehr häufig und lange auf der Bühne erscheinenden Eltern genötigt, den präsenten Freier zu ehelichen. Sie verwehrt sich in dieser Aufführung sehr lange, trinkt dann einen vom verständnisvollen Pater Lorenzo gereichten, starken Schlaftrunk, träumt sehr schlecht und sehr lange und wird als tot Vermutete aufgebahrt.
Gelegenheit für allerlei Gespensterauftritte. Warum hat man hier nicht einen Ausschnitt aus Puccinis Villis eingefügt?
Romeo kommt zurück und findet Julia scheinbar tot in der Familiengruft. Den anwesenden Bewerber bringt er kurzerhand um und ersticht sich anschließend. Julia erwacht, sieht den toten Romeo und ersticht sich, dekorativ auf seine Leiche fallend.
Frau Rossignoli (Julia) und Alessandro Borghesani (Romeo) taten ihr Bestes, konnten aber ihre Qualitäten durch die Choreografie nicht zeigen.
Auch Emmerich Schmollhuber hüpfte nur auf der Bühne herum. Wo blieben hier seine Tours en l´air, Grand Jetes, usw?
Sehr gut gefielen mir die beiden Herren, die sich den Part des Mercurio teilten, Takashi Kondo und Paolo Franco.
Die kleineren Rollen wurden bereits aufgeführt.
Hier möchte ich zunächst einmal gestehen, daß ich eine Reihe von Aufführungen gesehen habe,
einmal in Ljubljana durch das Bolshoi, einmal in den 80er Jahren im Bolshoi, einmal bei Cranko in Stuttgart und etliche Male in Düsseldorf. Die beste Aufführung war für mich die unter Erich Walter in Düsseldorf. Der Vergleich sei mir daher gestattet.
Die hier gebotene Choreografie konnte mich nicht vom Hocker reißen, die tänzerischen Leistungen
hatten nicht das Niveau, das unsere sonst so hervorragenden Tänzer auszeichnet.
Schade.
Herbert Rommerskirchen