Großes Musiktheater im Stadttheater zu Rheydt • Tolle Aufführung der Oper „Der Konsul“ • Ein Muß für jeden Opernliebhaber
Herbert Rommerskirchen [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Wusste Menotti bereits Ende der 1940er Jahre dass seine Visionen von einer durch Akten und Formulare regierten Welt, heute sind es ja Computer, sich aufs schrecklichste wiederholen würden?
Wenn man im Rheydter Haus des Theaters Krefeld- Mönchengladbach auf der Bühne fast das erlebte, was in der Welt unübersehbar, unüberhörbar geschieht, die schrecklichsten Dinge, Massensterben der aus ihrem Heimatland Fliehenden, Abweisung durch in scheinbarem Frieden lebenden Menschen bzw. deren Regierungen. Abweichungen davon deuteten auf politisches Kalkül hin.
Dahin vegetieren in menschenunwürdigen Unterkünften oder unter freiem Himmel , welche Angst, Furcht können soweit führen. Abschieben, wenn die Formulare fehlen.
Vergessen ist wohl, dass auch wir Deutschen im Bombenhagel fliehen mussten.
Da wurden unsere Mütter als Flintenweiber, wir Kinder als Bombenkinder bezeichnet.
Dann kam eine Flucht vor den Russen, vor den anderen Aliierten, Durchwaten eiskalter Bäche, Verladung in Kohlenwaggons, ohne Möglichkeit, seiner Notdurft nachzukommen, ohne Essen und Trinken.
Aber die Heimat rief. Da aber kamen dann auch Formulare, Formulare.
Alles das wurde im Theater wieder wach.
Menotti, der Libretto und Musik schrieb, wuchs in ein Umfeld großer Komponisten hinein.
Welch eine fruchtbare Zeit.
Da gab es Strawinsky, Ravel , Copland, Barber, Schönberg, Cage.
Bei einigen dieser großen Komponisten war die Nachfolge durch Henze und Anderer voraushörbar.
Menotti erschuf ein Festival in Spoleto, wurde von dem großen Chandler Cowles gefördet.
Und das in der Zeit des Kommunisten- und Schwulenhassers Joseph McCarthy.
Dann dieses so aufrührende, zutiefst berührende Stück, “Der Konsul“ , der nie in Erscheinung tritt.
Es ist das Drama eines jungen Ehepaars, das durch die politische Tätigkeit des Mannes in sein Unglück stürzt. Er wird entdeckt, angeschossen, flieht zu seiner Frau.
Da die Polizei auf seiner Spur ist, wird er versteckt.
Er kann erneut fliehen, seine Frau, die alte Mutter, das totkranke Kind gelangen in größte Bedrängnis.
Magda Sorel versucht beim Konsul des Landes, in das ihr Mann geflohen ist, ein Visum zu erhalten.
Sie und eine Reihe unterschiedlichster Menschen müssen immer wieder aufs Neue Formulare ausfüllen.
Einige von Ihnen erhalten nach vielen Versuchen ihre Papiere.
Magda Sorel nicht.
Der Mann kehrt zurück, seine Frau diente als Lockvogel, wird festgenommen.
Das Kind stirbt, Magda Sorel wählt den Freitod.
Das Stück hat einige Längen, z.B. in der Zauberer-Szene, die ca. 2o Minuten (gefühlt) dauerte.
Da würde ein kräftiger Strich straffen.
Auch der Schluss, die ausgedehnte Sterbeszene, wirkt durch Wiederholungen nicht wie sie sollte.
Eine hervorragende Leistung der jungen Regisseurin Katja Bening, die jedem der singenden Schauspieler ein eigenes Gesicht gab, zum darstellenden Menschen formte.
Bühnenbild und Kostüme, Udo Hessse, stimmten perfekt zu Regiekonzept.
Die Beleuchtung, Susann Förster und ihre Mitarbeiter leisteten Großes.
Zu den Mitwirkenden:
Hier nenne ich zuerst Satik Tumyan als Mutter.
Wie sie das schauspielerisch macht, sängerisch im Altregister etwas brustend, passt hier wunderbar, die besorgte Mutter, die liebende Großmutter, steht hier, mir eine Gänsehaut verschaffend.
Wie sie z. B. das Schlaflied machte! Toll.
Izabela Matula in der Hauptrolle der Magda Sorel, berührte mich nicht so stark.
Sie macht alles sehr gut, sehr richtig, singt bis auf einige sich einstellende Schärfen ganz prima, blieb aber in der Anklage: „Hier wird Menschlichkeit des Menschen Last“ seltsam blass.
Trotzdem eine große Leistung.
Andrew Nolen verkörperte und sang den John Sorel vorzüglich.
Er setzte seine sehr schöne Stimme an den richtigen Stellen ein, kein Dauerforte, auch ein klingendes Piano kann er.
Schauspielerisch absolut richtig besetzt, ein junger viriler Mann.
Janet Bartolova gab die Schlüsselpartie der Sekretärin so, wie man sich heute eine solche vorstellt.
Vom Chef alles Unliebsame weghaltend, dafür aber selbst die große Herrin gebend.
Eine glaubhafte Studie.
Hayk Deinyan sang mit balsamischem Bass den noch Mitleid empfindenden Kofner.
Ein Genuss, ihm zuzuhören und zuzusehen.
Alle kleineren Partien waren hervorragend besetzt. Matthias Wippich als Agent der Geheimpolizei ist bösartig und singt laut.
Debra Hays als Italienerin, Gabriela Kuhn als Anna, Agnes Thorsteins als Vera, Markus Heinrich als Zauberer, gaben gute Rollenportraits.
Shinyoung Yen als Assan ließ wiederum aufhorchen und spielte vorzüglich.
Als Söhnchen stand Fiona Marie Witt, die Tochter des Kirchenmusikdirektors Udo Witt auf der Bühne und machte ihre Sache sehr gut.
Das Orchester machte unter Diego Martin-Extebarria seine Sache außerordentlich gut.
Sein klarer Schlag forderte Holz, Blech und nicht zuletzt den Streicher- Körper, zauberhafte Celli, klingende Bratschen und Violinen zu singendem Mitgehen.
Hat Menotti Benjamin Britten gekannt?
Die Zwischenspiele im Konsul erinnern doch stark an „Peter Grimes“, natürlich in anderer Tonsprache.
Im Übrigen gilt es etwas zu berichtigen in der Terminologie..
Schumacher war ein vorzüglicher Intendant, der den Konsul schon 1952 auf die Bühne in Mönchengladbach brachte.
Als Solisten Heinz Schulte und der Weltklasse – Bariton Friedrich Gynrod, der in Mönchengladbach, aber auch in Wien, an der Met in New York sang.
Aber in meiner Erinnerung spuckte noch eine frühere Aufführung in Rheydt.
Diese war tatsächlich 1951 in Rheydt als Gastspiel der Kölner Oper unter dem bedeutenden
Dirigenten Richard Kraus mit herausragenden Solisten zu erleben.
Ich kann nur den Besuch dieser Kostbarkeit empfehlen, auch wenn dieses düstere Werk in der Karnevalszeit wenig Chancen hat.
Welch eine Planung der Zuständigen.
Wann wird hier ein solches Werk wohl noch einmal aufgeführt?
Kein Theaterfreund sollte es sich entgehen lassen. Es lohnt sich, vielleicht auch ein zweites Mal.
Eine tolle Aufführung, nach der das gebannt und atemlos lauschende Publikum nicht in der Lage war, sofort Beifall zu zollen.
Der Moment des Innehaltens sprach für sich.
Als bitteres Nachwort:
Das übliche Kreischen, Johlen und Pfeifen der sogenannten Claque.
Ich empfinde diesen Lärm als eine grobe Missachtung des Werks, der Künstler und des Publikums.