Grandiose Sängerleistungen in Bellinis „Norma“ im Stadttheater
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Solche Sängerleistungen, wie sie in der Premiere von Bellinis Oper „Norma“ geboten wurden, dürfte man momentan weit und breit, auch an den renomiertesten Häusern, nicht hören. Zuhörer, die aus umliegenden Großstädten angereist waren, hörte man seufzen.
Der Wortlaut in etwa:
Wie lange haben wir solche Sänger nicht mehr gehört. Einfach toll. Da fahren wir nochmal hin.
In dieser Aufführung hatte man das Glück, in den beiden weiblichen Hauptrollen „ entfesselte Weiber „ (Hervorragende Sängerinnen) zu erleben, die mit ihrem Einsatz, ihrer stimmlichen Brillanz, ihrem Material, ihrer Musikalität , einfach vom Hocker rissen.
Barbara Dobrzanska und die ihr ebenbürtige Eva Maria Günschmann, die sich stimmlich unterscheidend, vom Äußeren her absolut richtig besetzt waren. Hier sah man auf der Bühne keine ehrwürdige Matronen, die nicht angemessen für diese Partien sind, sondern schöne, junge Frauen.
Die Titelpartie, von Barbara Dobrzanska gesungen, nein, erlebt, fesselte durch eine stimmliche Darstellung dieser schweren Rolle, die von Richard Wagner, der „Norma“ besonders schätzte, in ihrer Schwierigkeit über die Isolde oder Brünnhilde gestellt wurde.
Schon ihre Auftrittsarie „Casta Diva„ wurde fast perfekt dargeboten, leider wurde nach der Arie berechtigter, großer Beifall gezollt, so stand dann aber die schwere Cabaletta isoliert da.
Ihre edlen, schlanken Töne, perfekt fokussiert, blieben im Piano wie auch in extremen Fortissimo-Ausbrüchen, bei denen sie beinahe den Raum sprengte, nobel und klangschön. Herrliche hohe und sehr hohe Töne sind im Piano zu hören. So blieb zum Beispiel ihr „ Io“ (Ich), mit dem sie ihr Verbrechen bekennt, durch die Intensität und Schönheit des Tons noch stundenlang im Ohr.
Wer will ihr diese Partie heute nachsingen? Koloratur-Sängerinnen, auch Kanarienvögel genannt, wie es eine Zeit üblich war? Nur wie hier gesungen, geht es.
Eva Maria Günschmann ist im Moment die ideale Adalgisa. Eine warme, wunderbar geführte Stimme, klangvolle breite Mittellage, gut gefärbte Tiefe, eine ausladende, immer schöne Höhe, machen sie zum glaubhaften Gegenpart zur herberen Norma. In ihren Arien verströmte sie puren, doch immer dramatischen Wohllaut. In den Ensembles immer hörbar, immer musikalisch singend.
Einfach überwältigend, wie die so gegensätzlichen Stimmen in den Duetten dann verschmolzen.
Das ist höchste Gesangskunst, das, was man Belcanto nennt.
Auch Kairschan Scholdybajew , der Darsteller des Pollione, konnte wieder einmal mit seiner Stimme glänzen.Wie er gleich zu Anfang seine Arie „In rammentario io tremo“ hinlegte und mit einem strahlenden Hohen „B“ krönte, war einfach toll.
Auch in den vielen Duetten, Terzetten, Ensembles, war er stimmschön und stimmstark. Was er hier bot, dürfte wohl zur Zeit in deutschen Landen konkurrenzlos sein.
Sänger wie Jonas Kaufmann natürlich ausgeschlossen.
Hayk Dèinyan gab mit seinem balsamischen Bass den Oroveso.
Die beiden, dem Studio entliehenen jungen Sänger, Charlotte Reese, die mir bereits in einer Hochschulaufführung von Mozarts „Cosi fan tutte“ auffiel, und der Tenor Andrey Nevantsev,mit einer sehr schönen Tenorstimme begabt, gefielen sehr gut.
Warum allerdings in der 3-stündigen Oper noch ein Vivaldi-Stück eingefügt wurde, blieb unerklärlich.
Musikalisch also wirklich ein Ereignis, das man nicht hoch genug werten kann.
Mit der Umsiedlung des Werkes in die Zeit der vierziger Jahre und in ein römisches Ghetto konnten große Teile des Publikums, wie man in der Pause und am Schluß der Vorstellung hörte, nichts anfangen.
Der deutsche Text in der Übertitelung entsprach in keinster Weise dem, was auf der der Bühne zu sehen und zu hören war. Ein Beispiel gerade zum Anfang im Duett Adalgisa – Pollione.
Er singt „Vieni in Roma, ah, vieni, o cara“, sie sind doch längst da.
Außerdem fand Regie, besonders Personenregie nicht statt. Für den Chor immer nur stehen, Arm und Hand rauf, Arm und Hand runter. Ein bisschen von der Bühne runter, dann wieder rauf. Das war es nicht!
Der Chor sang präzise, aber nicht klangschön. Es klang sehr Vieles zu direkt, sprich emotionslos und brav. Einstudierung Maria Benyumova. Schade.
Das Orchester hatte einige Durststrecken zu überwinden, die es aber nicht zu vertreten hatte.
Andreas Fellner leitete umsichtig und behutsam. Einige Tempi waren mir zu langsam.
Dass der Vorhang schon während der Ouvertüre aufging und dadurch Gelegenheit gab, dem Chor wüstes Geschrei und „Libertá – Brüllen“ abzuverlangen, war demjenigen, der Norma kennt, fremd. Es störte sehr, vermutlich auch das Orchester.
Aber, etwas seltsame Regieleistungen sind ja, nicht nur hier, üblich.
Regie Thomas Wünsch, Bühne und Kostüme Heiko Mönnich.
Facit: Ein überwältigendes musikalisches Erleben, das das Publikum zu großem Beifall hinriss.
Da sollte man Regieuntaten übersehen!
Norma in einer solchen Qualität hören zu können ist eine Sensation.
Herbert Rommerskirchen