„Don Carlo“ von Verdi, eine großartige Oper, die man so nicht aufführen sollte
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Ein großer Abend war die Aufführung des „Don Carlo“ von Verdi gewiß nicht, noch nicht einmal eine bei allem Wohlwollen und aller Liebe zum Theater hinnehmbare. Zuviel war nicht in Ordnung.
Verdi schrieb seine große Oper, für Paris im Stile der Grande Opera mit Ballett, wie es Paris wollte, nach Schillers Don Karlos. Auch das Drama Schillers ist Welttheater. Welten stehen zwischen dem Wollen und Wünschen der Beteiligten und dem Machtanspruch auch aus Gründen der Staatsraison.
Carlo wird weder von Schiller noch von Verdi in seiner Musik als Kretin, halb irre und körperlich versehrt, dargestellt. Dies entspricht natürlich nicht den historischen Überlieferungen.
Kann man hier aber Schiller und Verdi korrigieren? Dies geschah hier des Öfteren, nicht zum Vorteil des Abends.
Zu Bühnenbild und Kostümen: Über der Bühne hängt ein blutroter Plafond, der den Druck von Kirche (Inquisition) und weltlicher Macht auf das spanische Volk darstellen soll. Eine gute Lösung, da dieser Deckel die Stimmen auf der Bühne gegenüber den Orchesterwogen in eine bessere Position versetzt .
Leider war eine Abgrenzung auf den Seiten der Bühne nicht oder nur unzureichend vorhanden.
Dadurch ging ein Teil des Bühnenklangs in die Gassen neben der Bühne. Von Zuschauern wurde bemängelt, daß Monitore zu sehen wären.
Ein Bühnenbild also vom Anfang bis zum Ende, von geringen Umbauten auf offener Bühne abgesehen.
Das Autodafé geriet nicht nur durch die eingefügte Person eines Jahrmarktspaßmachers, der vielleicht ein Hofnarr sein sollte, im zweiten Akt aber der Page der Königin Elisabeth war, erheblich gestört. Das Volk war auf einer Tribüne aufgestellt.
Durch das ständige Dirigieren des Hofnarren [?] und die Aufstellung des Chores fühlte man sich an eine Probe zum Requiem von Verdi erinnert. War das evtl. auch beabsichtigt? Hätte ja zur Verbrennung gepasst.
Der Umbau führte zum Beispiel nach dem Tod des Posa zu unfreiwilliger Komik: Der Darsteller rollte von der Bühne!
Im Kabinett des Königs gab es keinen Schreibtisch und keinen Stuhl, an dem er seinen Staatsgeschäften nachgehen könnte, sondern ein ebenerdiges Lotterbett, von dem sich eine Frauengestalt erhob.
Prinzessin Eboli „durfte“ vor einem schnell heruntergelassenen Vorhang ihre große Arie schmettern, ohne sich viel bewegen zu dürfen.
Im 4. Akt stand Elisabeth dann in einem Wald von eilends herbeigeschafften, weißen Holzkreuzen. Sollten hier etwa die Reste der von der Inquisition verbrannten Menschen unter die Erde verbracht worden sein? Sie wirkte auf mich hier wie eine hingestellte Barbiepuppe..
Warum ein Loch in der Mitte der Bühne, aus dem der Darsteller Karl V steigen mußte. Sollte das die Gruft oder die Klause des Kaisers sein?
Zu den Kostümen dieser Veranstaltung: Ein buntes Gemisch aller (hoffentlich) Fundusstücke (Wäre natürlich preiswert gewesen).
Hier fiel mir beim Kostüm des Philipp eine Hose auf, die verflixt einer alten Eisenbahnerhose ähnelte.
Wie sollen Darsteller in solcher Kostümierung eine Nähe zur darzustellenden Person erreichen?
Zur Regie als solcher kann ich nach der vorhergehenden Darstellung nicht viel sagen.
Eine echte Personenregie fand nach meiner Meinung nicht statt, das Wenige, das ich bemerkte, war falsch.
Warum muß Carlos am Ende des 1. Bildes wie ein Idiot Grimassen schneiden und mit dem Kopf wackeln?
Warum muß am Ende des 2. Aktes Carlos der Elisabeth und sie ihm beim Wälzen auf der Bühne an die Wäsche gehen?
Warum sitzt Carlos am Ende des Bildes im immer vorhandenen Loch und wiegt sich als ob er unter Hospitalismus litte?
Warum sind die Gesandten Flanderns in der Autodafé-Scene in die sie doch mit Carlos einziehen sollen, als Häuflein wackelnder Idioten dargestellt, es sind doch Edle, Abgesandte eines stolzen Volkes.
Was soll die Bebrillung des gesamten Ensembles in diesem Akt? Soll es bedeuten, daß man die Augen verschließt vor Inquisition und Staatswillkür? Dann ist es sehr schlecht dargestellt.
Warum sang die Stimme vom Himmel (Voce dal Cielo) oder Stimme von oben (Programmheft), bezeichnet, nicht von oben, sondern von links nach rechts über die Bühne gehend?
Mir geht die Lust aus, diese Dinge bis zum bitteren Ende des Stückes fortzusetzen.
Zur musikalischen Seite der Sache: Wäre es hier versöhnend gewesen, hätte man vielleicht nicht so genau auf die Bühne geschaut.
Leider war es nicht so.
Angefangen bei den Damen: Frau Bartolova, deren Mittellage sich erstaunlich erholt hat, meinte, jeden hohen Ton entweder fortissimo oder zumindest forte zu singen.
Zaghafte Ansätze zum Pianosingen wurden im Keim erstickt (Francia in ihrer Arie im 4. Akt). Dabei kann sie es doch! Wo ist hier beratende Tätigkeit des Leitungsteams?
Eva Maria Günschmann begeisterte das Publikum bereits mit dem fulminant gesungenen spanischen Lied des 2. Aktes.
Leider wurde sie hier durch zu lautes Orchester in den tiefen Koloraturlagen zugedeckt. Hochmusikalisch in den schwierigen Ensembles blieb sie in der großen Arie hinter meinen Erwartungen etwas zurück.
Hier müßte etwas an der Phrasierung gearbeitet werden. Warum wird ihr nicht vor dem hohen „B“ ,dem Ton vor dem „As“ des Schlusstons, ein Schnappatem gegönnt?
Ungeachtet dieser Hinweise eine tolle Leistung.
Der Tebaldo, Susanne Seefing erfreute durch schönes, frisches Timbre und hochmusikalisches Singen.Leider störte hier Regie und Kostüm. Bravourös die von der Regie geforderte Darstellung als Spaßmacher durch die gesamte Aufführung.
Die Stimme von oben wurde von Debra Hays gesungen.
Nun zu den Herren: Erin Caves sang mit hervorragender Intonation und schönem lyrischem Klang die Titelpartie. Ein Heldentenor, wie in seiner Vita aufgeführt, ist er nicht. Zu raten ist ihm, im hier gesungenen Zwischenfach weiter zu arbeiten.
Musikalisch eine gute Leistung. Eine Regiearbeit konnte ich weder bei ihm, noch bei den anderen Darstellern feststellen.
Die große Überraschung war für mich Igor Gavrilov als Posa. Nach einem, am Anfang etwas rauen, in den hohen Lagen gestemmten Ton, wuchs er immer mehr in seine Rolle hinein.
Schon sein Auftritt im 2. Akt geriet vorzüglich. Im großen Terzett mit Eboli und Carlos, im Ensemble im Kabinett des Königs, und erst recht im Gefängnis des Carlo, in seiner Sterbeszene, zu etwas seltsamer Regie, war er bühnenbeherrschend.
Obwohl ich mir für diese Partie eigentlich einen Kavaliersbariton á la Schlusnus, Ahlersmeyer, Schmitt-Walter, oder auch unseren Bariton Tobias Scharfenberger gewünscht hätte, war er für mich der bedeutendste Sängerdarsteller des Abends.
Der Philipp, Hayk Deinyan, sichtlich beeinträchtig durch seine unkönigliche Ausstattung, lieh seine sammetweiche, sehr schön klingende Stimme dieser Figur.
Aber Philipp hat nicht nur seine schöne Arie zu singen, für die er herzlichen Szenenapplaus erhielt, sondern auch das Duell mit dem Großinquisitor, bei dem Matthias Wippich mächtig auftrumpfte und Philipp nach Längen schlug.
Bei Wippich ist sehr schön zu beobachten wie eine kontinuierliche Entwicklung erfolgt. Wenn nun noch bei gehaltenen Tönen sein etwas kleines Vibrato erweitert würde, würde er gewiß auch an großen Häusern Erfolge haben.
Andrew Nolen als Karl V ließ sich als indisponiert entschuldigen.
Der Chor: In seiner Requiem-Aufstellung klang es etwas unterbelichtet in den tiefen Stimmen. Die Erklärung kam später, als die Bässe des Chors sowohl bei den Kirchenvertretern als auch bei den Flandern auftraten.
Lautstärke durch Forcieren ersetzt nicht die Fülle eines großen Chores. Klangschön war es nicht unbedingt.
Das Orchester: Unter der Leitung von GMD Graham Jackson spielte unser Orchester.
Nach einem, von der Horngruppe des Orchesters fabelhaft gespielten Anfang, wurde der Klang etwas mulmig.
Die Streichergruppe hörte man nur ab und an. War hier eine zu kleine Besetzung oder ist der Orchestergraben umgebaut worden? Schon bei „Le nozze di Figaro“ klang es so.
Es war unhomogen.
Generell wirkte auf mich das Orchester, trotz der Stimmverstärkung der Sänger durch den Deckel, meist, zumal bei den Ausbrüchen, zu laut.
Positiv sei hier noch das wunderbar gespielte Cello-Solo zum Beginn des 3. Aktes erwähnt.
Es versöhnte mit Vielem.
Fazit der Vorstellung: Eine verpasste Gelegenheit, einmal ein tolles Stück auf die Bühne zu bringen.
Vor der Vorstellung habe ich getönt: „Endlich etwas Neues anstelle des alten Muffs“.
Korrektur: Dieser ist immer noch besser als das hier Gebotene!
Herbert Rommerskirchen
7.
Hannelore Huber schrieb am 27.01.2012 um 20:34 Uhr:
Die Kritik von Herrn Rommerskirchen ist offensichtlich ein „Aufreger“.
Grundsätzlich finde ich das gut, da es zeigt, dass sich einige für die Kritik und somit auch die Kultur in unserer Stadt interessieren.
Ich persönlich habe an der der Kritik von Herrn Rommerskirchen nichts auszusetzen. Er hat das getan, was ein Kritiker zu tun hat: seine Meinung zu einer Vorstellung geäußert.
Wie Frau Königs bereits vollkommen zu Recht ausführt, ist das Hinnehmen und Ertragen von Kritik nicht einfach, zumal diese auch noch öffentlich stattfindet. Dergleichen gibt es nur in künstlerischen Berufen.
Was Herrn Rommerskirchen störte, war meiner Meinung nach, dass die Aufführung/Darstellung von Verdis „Don Carlos“ zu viele „freie Interpretationen“ enthielt und das auch noch begleitet von, ich nenne es mal, ungewöhnlicher Kulisse (die auch noch die Akustik beeinträchtigte) und Inszenierung.
Den Grund liefert, so vermute ich, die Figur des Don Carlos selbst.
Wie Herr Rommerskirchen direkt zu Anfang schreibt:
„Carlo wird weder von Schiller noch von Verdi in seiner Musik als Kretin, halb irre und körperlich versehrt, dargestellt. Dies entspricht natürlich nicht den historischen Überlieferungen.“
Von Don Carlos de Asturia (1545 – 1568), Infant (Prinz) von Spanien und Sohn König Philipp II von Spanien, wird noch heute behauptet, dass er verrückt (heute sagen wir eher psychisch krank oder geistig verwirrt) war. Bewiesen ist es bis heute nicht. Als Möglichkeit wird dies durchaus gesehen, da seine Eltern sehr nahe Verwandte (Cousine und Cousin) waren. Außerdem hatte er in seiner Kindheit eine schwere Kopfverletzung, verursacht durch einen Sturz.
Soviel zum „echten“ Don Carlos.
Es kann also durchaus sein, dass in der Inszenierung von François De Carpentries dieser Hintergrund, den Verdi nicht thematisierte, eingearbeitet wurde.
Durch Herrn Rommerskirchens Frage: „Warum muss Carlos am Ende des 1. Bildes wie ein Idiot Grimassen schneiden und mit dem Kopf wackeln?“, hatte ich diesen „Verdacht“.
Eine Frage drängt sich dann allerdings auf, falls Don Carlos wirklich als geistig verwirrt dargestellt worden sein sollte: Wie passt dazu die Liebe von Königin Elisabeth und Prinzessin Eboli? Macht diese die Liebe so blind, dass sie sogar einen geistig Kranken begehren?
Berechtigt ist auch die Frage, was ein Jahrmarktspaßmacher oder Hofnarr nicht nur bei dem Autodafé zu suchen hatte. Das sieht nach sehr viel „künstlerischer Freiheit“ der Regie aus.
Sollte meine Vermutung richtig sein, wäre es m.M. nach sinnvoll gewesen, dem Publikum dies auch mitzuteilen. Zumindest in der Ankündigung
http://www.theater-kr-mg.de/160-8-6587.htm
wäre ein Hinweis auf eine etwas andere Darstellung hilfreich gewesen und hätte vielleicht (aber nur vielleicht) den einen oder anderen Besucher versöhnlicher stimmen können.
Zu der Kritik von „Hein“.
Einiges hat Frau Königs bereits kommentiert. Inhaltlich kann ich mich da nur anschließen. Ich bin mir sehr sicher, dass Herrn Rommerskirchen nichts ferner lag, als mit seinen Ausführungen Menschen mit irgendeiner Behinderung zu verletzen oder gar zu diffamieren. Diese Verbindung habe ich persönlich auf Grund seiner Ausführungen auch nicht herstellen können.
Es gibt Grundregeln einer Rezension, die Sie u.a. hier nachlesen können, die Herr Rommerskirchen, wie ich meine, beachtet hat:
http://www.pangloss.de/cms/uploads/Dokumente/Schule/schuelerzeitung/071130_D_Verfassen_einer_Theaterrezension.pdf
http://www.pangloss.de/cms/
Zwischen Stück und Aufführung, Darstellern und Rollen wird unterschieden.
Der Kritiker vergleicht den Text des Stücks mit der Ausarbeitung durch Regie und Darsteller.
Werturteile werden immer begründet.
Kritik am Stück ist stets konkret, Belege werden genannt.
Der Kritiker spricht nicht in „ich“- Form.
Das hat Herr Rommerskirchen häufiger getan. Wie es mir erscheint, damit ganz klar wird, dass es immer dann um seine ganz persönliche Meinung geht. Sozusagen um zu akzentuieren und nicht zu verallgemeinern. Ich finde das in Ordnung.
Moralische Urteile werden mit Zurückhaltung gefällt.
Die Kritik trennt Gutes von Schlechtem, berichtet aber beides und würdigt das Stück durch differenzierte Bewertung.
Auch das ist, wie ich meine geschehen. Den Künstlern zollte Herr Rommerskirchen Respekt und Lob für ihre Leistung. Ich kann beim besten Willen nichts wirklich Negatives (außer beim Orchester) finden.
Gemessen wird das Stück in der Regel an seiner Neuheit und Originalität, an seiner Wirkung auf die Zuschauer, an der Vorlage (gelungene oder weniger gelungene Umsetzung), an der Aktualität des Themas, an der Wichtigkeit des Themas.
Von Herrn Rommerskirchen wurde eindeutig an der Vorlage, Ausstattung und Regie gemessen.
Das mag Geschmacksache sein. Trotzdem ist das zu weite Abrücken von der Vorlage oder Vorstellung des Komponisten, nicht jedermanns Sache. Daran muss Kritik erlaubt sein. Auch ich gehöre zu denen, die es bei Opern konservativ mögen. Zu experimentell ist nicht mein Geschmack.
In einer Inszenierung des Rosenkavaliers, die ich einmal sah, steckten die Sänger in Trenchcoats statt in Rokoko-Kostümen. Muss ich nicht haben, gefällt mir nicht. Aber wie vieles: Geschmacksache.
6.
schnappi_das_theater_krokodil schrieb am 27.01.2012 um 19:37 Uhr:
Da bin ich wieder, Schnappi, ausgeruht, nachdem ich viele Stunden träge blubbernd im Amazonas mir die Gegen-Gegen-Kritik durchdacht habe, liebster Herr Rommerskirchen.
Ich stelle Sie mir als jemand vor, der mit einer immensen Liebe zu Oper und Kultur gesegnet ist, was mich, aus außerordentlich kulturinteressiertem Krokodil, natürlich innerlich erwärmt, nicht unwichtig für eine wechselwarme Kampfechse.
Dennoch ein paar deutlich Worte der Gegen-Gegen-Gegenkritik, wenn auch nur exemplarisch zu einigen Behauptungen: Ich zitiere Rommerskirchen: „Die Selbstverletzung Ebolis habe ich noch nirgendwo, weder im Schauspiel noch in der Oper gesehen. Ich denke, dass die Verbannung ins Kloster doch eigentlich reichte, zumal sie doch Carlos noch befreien will!“.
„Ja sowas ! Da hat sich doch der Regisseur nicht mit dem bescheiden wollen, was dem Kritiker eigentlich schon genügt hätte – und schon kriegt er eins hintendrauf ?“, so mein erster Gedanke – doch dann schaute Schnappi nochmal in ein paar schlaue Bücher und fand da etwas Interessantes:Ana de Mendoza y de la Cerda, so ihr historischer Name, war als Hofschönheit weit bekannt.
Sie verlor ihr rechtes Auge bei einem Reitunfall (wikipedia). Während bei einer Inszenierung von Hugo de Anas (1991, später dann auch wieder im tetro-real in Madrid, die auf die Ausstattungsoper setzt – hier lässt Schnappi einen tiefen Seufzer und würde gerne einen langen Einschub über das notwendige, aber oft problematische Regietheater bringen, den es sich nun verkneift – wurde auch schon diese Klappe auf der Bühne von Eboli getragen.
Und ich finde, dass die Idee, diese Augenklappe nicht als „totes Accessoir“ einer abgeschlossenen Bühnengeschichte, sondern als dynamisches Element zu bringen, das sich logisch in die Handlungsabläufe fügt und zudem „Historizität“ transportiert, sehr gut, geradezu krokodal !
Ein zweites: Dass auch ich so einiges an guten Ratschlägen für den Regisseur, vielleicht auch für den Bühnenbildner hätte – ich werde demnächst mal eine Flaschenpost in den Amazonas werfen – ist klar.
Aber falsch scheint es mir, so in Bausch und Bogen eine Inszenierung in der Totale zu „verdammen“ – wie gesagt: vieles mag der Kritiker einfach nicht gesehen haben, weil er eine wundervolle Aufführung älteren Stils vor Augen hatte, an der sich diese nicht messen lassen kann – und braucht.
Als letztes: Ganz und gar unkrokodal – und hier irrt Herr Rommelskirchen – ist der Gedanke, es hülfe den SängerInnen, wenn sich ein Kritiker öffentliche technische Kritik erlaubt, gar noch mit Vorhersagen über Karrieremöglichkeiten.
So etwas gehört einfach nicht in die Zeitung, sondern – wenn es wirklich eine „Hilfe“ sein soll, in einer vertrautes und vertrauliches Gespräch mit den Künstlern selbst. Ein mächtiger Schwanzschlag – und weg bin ich wieder, Schnappi, das Theaterkrokodil.
5.
Kerstin Königs schrieb am 27.01.2012 um 12:43 Uhr:
@ Hein
Lesen Sie doch bitte noch einmal, was Sie bemängeln und zitieren.
Ist da nicht schon die Antwort zur Regie enthalten?
Gar nicht mehr folgen kann ich Ihren folgenden Ausführungen:
„Ich kenn das von bildungslosen Jugendlichen, die sich als Mongos beschimpfen und das Verhalten ihresgleichen mit medizinischen Fachausdrücken verunglimpfen.
In einer Bürgerzeitung, die sich für die Schwachen, Kranken und Behinderten einsetzt, haben solche Vergleiche nichts zu suchen.“
Ihr Vergleich ist vollkommen unangemessen. Hospitalismus ist keine Beschimpfung, sondern eine Beschreibung, die in diesem Kontext nicht als entwürdigend zu verstehen ist, sondern erklärend. Zumindest habe ich es so nicht verstanden. Ich persönlich habe Hospitalismus als Verhaltensstörung noch nie als Beschimpfung gehört.
Aber sicher können Sie uns dann erklären, warum der arme Don Carlo sich derart verhalten muss? Was will die Regie damit sagen?
Wäre es nicht ebenfalls eine Verunglimpfung von Menschen mit derartigem Verhalten (die es durchaus gibt), wenn die Regie von Darstellern solches Verhalten fordert? Warum kritisieren Sie dies nicht?
Warum muss eine solche Beschreibung direkt in den übelsten Kontext gestellt, und dem Kritiker unterstellt werden, dass er damit „Schwache, Kranke und Behinderte“ verunglimpft und dies in einer Bürgerzeitung, die sich genau für diese Menschen einsetzt, nichts zu suchen habe?
Ich für meinen Teil habe die Bezeichnung „Mongos“ auch schon von nicht bildungsfernen Jugendlichen, ja sogar schon von Erwachsenen, die ebenfalls nicht bildungsfern sind, gehört.
Wollte ich (damit ich nur ja nicht von „man“ spreche) es übertreiben, könnte ich Ihnen entgegen halten, dass Sie nur bildungsfernen Jugendlichen derartige Beschimpfungen zuordnen, denn so haben Sie es be- und geschrieben.
Übrigens dürfte diesen, wie Sie es nennen, bildungsfernen Jugendlichen (wie vermutlich auch denen, die nicht bildungsfern sind) gar nicht wirklich bewusst sein oder darum gehen, dass sie einen medizinischen Fachausdruck benutzen mit dem sie jemanden verunglimpfen wollen.
Es geht diesen einfach nur um die Aussage. Es gibt da noch einige Ausdrücke aus demselben Bereich, die ich persönlich auch vollkommen unmöglich finde.
Da hilft dann nur, direkt in dem Moment, in dem ich (man) Zeuge einer solchen Aussage werde, ein paar klärende Worte zu sagen.
Das hilft dann (vielleicht) mehr als hier Herrn Rommerskirchen etwas unterstellen zu wollen, was dieser mit Sicherheit nicht in dieser Weise gemeint hat.
Seine Kritiken animieren, zumindest mich, eher dazu endlich mal wieder ins Theater zu gehen. Bei ihm habe ich den Eindruck eines theaterbegeisterten Menschen, der in diesem Fall einfach nur enttäuscht war und die Dinge beim Namen genannt hat.
Und: Künstler und Regisseure müssen Kritik vertragen. Das ist für mich das schwierigste an diesen Berufen: Das Umgehen mit der Kritik. In dieser direkten Form findet diese in kaum einem anderen Beruf statt.
4.
Hein schrieb am 27.01.2012 um 09:49 Uhr:
Was soll dieser Beitrag darstellen? Einen Kommentar, den Erlebnisbericht eines Besuchers, eine Kritik oder einen offenen Brief?
Der Verfasser übt sich darin Fragen zu stellen, wo bleiben die Antworten?
Er schwankt zwischen einem „man“ und „ich“, und gibt auch zu, dass ihn die Lust verläßt.
Er schreibt von seltsamer Regie. ohne zu erläutern, was er damit meint, oder was der Leser sich darunter vorstellen darf.
Seine Wortwahl läßt oft eine grundsätzliche Wertschätzung den Schaffenden gegenüber vermissen.
Ich greife mal zwei Sätze heraus:
Warum muß Carlos am Ende des 1. Bildes wie ein Idiot Grimassen schneiden und mit dem Kopf wackeln?
…
Warum sitzt Carlos am Ende des Bildes im immer vorhandenen Loch und wiegt sich als ob er unter Hospitalismus litte?
Ich kenn das von bildungslosen Jugendlichen, die sich als Mongos beschimpfen und das Verhalten ihresgleichen mit medizinischen Fachausdrücken verunglimpfen.
In einer Bürgerzeitung, die sich für die Schwachen, Kranken und Behinderten einsetzt, haben solche Vergleiche nichts zu suchen.
3.
Herbert Rommerskirchen schrieb am 25.01.2012 um 13:45 Uhr:
Sehr geehrter Herr/Frau(?) „Schnappi das Theaterkrokodil“
Ihre dezidierte Aussage zu meiner Kritik hat mich gefreut. Jeder Kritiker muss Gegenkritik ernst nehmen.
Bei einem Werk, das ich sehr liebe, und meine fast jeden Ton zu kennen, da ich sehr oft in sehr guten Aufführungen gesehen habe, z.B. in Berlin mit Pilar Lorengar, James King, Dietrich Fischer-Dieskau, Josef Greindl, Martti Talvela, Sawallisch am Pult, war meine Aufmerksamkeit und dann Enttäuschung sehr groß.
Bei der Großinquisitor-Szene habe ich beim Philipp nur Umherlaufen, keine Konfrontation gesehen.
Wo blieb hier der Ausbruch bei der Forderung des Großinquisitors zur Übergabe von Posa? Ich habe nichts davon bemerkt. (Weder akustisch noch im Spiel)
Wenn Sie meine Kritik richtig gelesen haben, richtete sich meine Einschränkung an der Leistung von Frau Günschmann, die ich sehr schätze, nicht an sie persönlich, sondern an die Leute, die mit den Sängern arbeiten sollen.
Die Selbstverletzung Ebolis habe ich noch nirgendwo, weder im Schauspiel noch in der Oper gesehen. Ich denke, dass die Verbannung ins Kloster doch eigentlich reichte, zumal sie doch Carlos noch befreien will!
Dass ich auf den Schluss der Arie einging, ist darauf zurückzuführen, dass ich einige Vertreterinnen dieser Rolle persönlich kannte und es durchaus begrüßt wurde, eine fachliche un konstruktive Kritik zu hören.
Kritik, wenn sie wie in diesem Fall hilfreich ist, kann nicht falsch sein. Kritiker, wie von Lüttwitz, Fischer, Neukirchen etc., machten das in ihren Rezensionen. Ich verweise hier auch auf das Buch „Viersen schrieb Kulturgeschichte“ von Dr. Gert Holtmeyer.
Haben auch diese Leute „geistlose Philistereien“ geschrieben? Kritiken dieser Art werden von Künstlern zumeist sehr ernst genommen.
Wenn Sie, wie ich nach Ihrer Kritik an meiner Kritik annehme, in der Vorstellung waren, haben Sie gewiss bemerkt, dass in der Pause etliche Besucher das Haus verließen. Warum wohl?
Auch bemerkt haben Sie gewiss, dass nach der Arie der Elisabeth im 4. Akt der Beifall total ausblieb, obwohl Herr Jackson das Orchester anhielt und das „Brava“ eines Einzelnen belacht wurde. Diese Peinlichkeit habe ich in meiner Kritik nicht erwähnt.
Ich würde mich gern einmal persönlich mit Ihnen unterhalten, da, wie ich zu Beginn schrieb, eine dezidierte Kritik, wie ich diese auch selbst an Kritikern übe, begrüße.
Freuen würde ich mich, wenn ich von Ihnen etwas hören würde; dies gerne per eMail an redaktion.theater@bz-mg.de .
2.
schnappi_das_theater_krokodil schrieb am 24.01.2012 um 18:14 Uhr:
Kann sich eine Bürgerzeitung solch eine Kritik erlauben?
Mir, Schnappi, dem Theaterkrokodil, treten da die Tränen in die Augen dank des unwürdigen Presse-Niveaus – beispielsweise bei diesem Satz – Schnappi zitiert: „Eine echte Personenregie fand nach meiner Meinung nicht statt, das Wenige, das ich bemerkte, war falsch“, .
Da kräuseln sich mir die Hornplatten: Mit welcher Auffassungsgabe ist denn dieser Kritiker gesegnet?
Hat er die zwar sparsame, aber klare Einzelregie während der Großinquisitorszene nicht gesehen? Nicht die schockierende Selbstverletzung Ebolis während ihrer zweiten, großartigen Arie? Nicht das differenzierte Spiel während der „Schleiertanz“-Szene? Nicht die körperhaft dargestellte Verzweiflung Philipps II.?
Und was bedeutet hier „falsch“? Ein unpassendes Adjektiv für szenische Beschreibungen, wie mir scheint.
Meint der Kritiker damit, dass die Personen sich seiner Meinung nach falsch bewegt hätten oder die falschen Blicke auf die falschen Mitspieler gerichtet hätten? Wie auch immer, ein Robert Schumann hätte diese Kritik gequält unter die geistlose „Philisterei“ eingeordnet.
Am peinlichsten jedoch vermisse ich eine gewisse natürliche Achtung: Von hier aus den Künstlern des Theaters gute Ratschläge über ihre Technik zu erteilen ähnelt dem Ratschlag eines Kritikers einer amerikanischen Provinzzeitung, der über ein Konzert des legendären Wladimir Horowitz schrieb: „Mr. Horowitz war großartig… aber ich verstehe nicht, wieso er nicht die Gelegenheit genutzt hat, bei unserem hiesigen Klavierprofessor noch ein paar Stunden zu nehmen…“
1.
Kerstin Königs schrieb am 23.01.2012 um 21:39 Uhr:
Kann sich eine Theater gGmbH so etwas erlauben?