Die „Lustigen Weiber vom Ballermann“ im Stadttheater – so eigentlich nicht von Otto Nicolai
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Ja, Sie haben richtig gelesen, im Theater gab´s nicht etwa die „Lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai nach dem Lustspiel „The Merry Wives of Windsor“ von Shakespeare, sondern eine Übertragung dieses Stückes nach Mallorca in den achtziger Jahren.
Gibt es eigentlich keine Stücke mehr, die von der Manie, diese unbedingt in die Moderne versetzen zu müssen, verschont bleiben?
Man sollte, bei diesem Lustspiel, doch die Biedermeierlichkeit lassen, nur in dieser Zeit ist es in seiner Schönheit zu erkennen.
Hier waren es die „Lustigen Weiber“, die diesem Zwang zum Opfer fielen.
Die Übersetzer des Textes von Shakespeare waren der doch nicht ganz unbedeutende Dichter Ludwig Tieck und der bedeutende Philosoph und Übersetzer August Wilhelm von Schlegel. Nach dieser Vorlage schrieb H.S. Mosenthal das Libretto für Otto Nicolai.
Es ist Otto Nicolai´s (1810 – 1849) einziges Werk dieses Genres, das heute noch oft aufgeführt wird.
Es erfreut sich wachsender Begeisterung und Beliebtheit. Im Osten Deutschlands und auch im Ausland gibt es Nicolai öfter zu hören.
Dies verwundert nicht, da der in Königsberg geborene Nicolai die deutsche Tiefgründigkeit, die italienische Sangbarkeit, französischen Esprit in dieser Musik auf das Beste verband. Dazu noch eine Instrumentierungskunst, die ganz toll ist.
Die feinsinnigen, beseelten, spritzigen Melodien werden den ihnen zustehenden Platz auch bei der Jugend, die doch wieder zur Romantik drängt, erhalten.
Hier möchte ich auf die auf Mozart hinweisende kapriziöse Arie der Frau Fluth, das Ständchen des Fenton, dessen Lyrik den Melodiker Nicolai von seiner besten Seite zeigt, hinweisen.
Die Arie des Falstaff „Als Büblein klein“ gehört doch heute noch in jedes bessere Wunschkonzert.
Herrliche Ensemblesätze gibt es , z. B. im 1. Finale, die die virtuose Beherrschung des Technischen erkennen lassen.
Die Uraufführung unter Leitung des Komponisten fand am 9.3.1849 an der Berliner Königlichen Oper statt.
Zu erwähnen sei hier noch, dass Nicolai der Begründer der Konzerte der Wiener Philharmoniker war.
Ihm zu Ehren findet alljährlich das „Nicolai-Konzert“ statt, das zu leiten jeder große Dirigent sich als hohe Ehre anrechnet.
Dieses bezaubernde Werk wurde hier im Stadttheater nach Mallorca versetzt, aber nicht etwa auf die wunderschöne Insel, sondern auf den „Ballermann-Teil“.
Lässt sich dies mit Nicolai´s schwebend schöner Musik in den Szenen des Liebespaars, den spritzigen Arien und Duetten der beiden „Weiber“ vereinbaren, mit dem tollen Duett der Herren Fluth und Falstaff?
Nein, es wurde dann vom Band Ballermann-Krach auf den Hörer losgelassen, Nicolai´s Musik wird einfach für diesen Krach unterbrochen.
Es erinnert an den Skandal in Düsseldorf, wo auch in die Musik eingegriffen wurde, dort allerdings in viel schlimmerem Maße. Ich empfinde das als eine Schweinerei, die nichts mit künstlerischer Freiheit zu tun hat.
Zur Aufführung.
Leider wurde wieder einmal schon während der Ouvertüre der Vorhang für eine trostlose Hotelhalle geöffnet, die sich über das ganze Stück hinweg darbot.
Die wunderbare Ouvertüre wurde vom Orchester unter Alexander Steinitz sehr schön geboten , blühend musiziert. Ein paar Geigen mehr hätten es noch besser gemacht.
Warum wird dem Besucher nicht die Möglichkeit gegeben, während der Ouvertüre dem Orchester ohne Zutaten zu lauschen? Die Konzentration auf die Musik wurde durch das dürftige Bühnengeschehen, das hier geboten wurde, stark beeinträchtigt.
Dann ging es ins volle Leben auf Mallorca.
Natürlich nicht in die Stube des reichen Bürgers Fluth, sondern in diese kahle Hotelhalle mit Bar, die weiterhin eine nicht unwesentliche Rolle spielt. In die Halle werden nach Bedarf Zimmer rein- und rausgefahren.
Hier treffen sich die beiden „Lustigen Weiber“, die, wie wahrscheinlich etliche andere Weiber, Liebesbriefe des feisten Schwerenöters Sir John Falstaff erhalten haben. Beim Lesen stellen sie fest, dass der Text der gleiche ist, was natürlich der auslösende Punkt zur Rache ist, die gleich beschlossen wird.
Allerhand Ränke werden gesponnen, die darin münden, dass der Ritter Falstaff, als der eifersüchtige Herr Fluth auftaucht, in die passenderweise im Schlafkabinett der Frau Fluth stehende fahrbare Krankenhaus-oder Hotel-Gitterboxpalette, in die die Schmutzwäsche geworfen wird, gepackt wird.
Der eifersüchtige Herr Fluth der den Ritter sucht, merkt die Täuschung nicht. Da geht es dann schon mit der Gefahr einer solchen Umsetzung los.
Würden Frauen des 20. Jahrhunderts sich so benehmen? Wohl kaum, da hätte wohl , da Beide ja wohlhabend sind, ein Rollkommando bessere Dienste getan.
Eine Szene, die die Leitung des Hauses so nicht hätte durchgehen lassen dürfen, war die doch in der Urgestalt fabelhaft angelegte Szene im “Gasthaus zum Hosenbande“. Hier fand sie natürlich in der Hotelhalle statt.
Unter lautem Geschrei kam hier der „Ballermann“ auf die Bühne, es tobte aus den Lautsprechern, es rockte auf der Bühne, aus Eimern wurde mit Strohhalmen gesoffen.
„Passend“ hierzu der Text der Bass-Arie: „Als Büblein klein an der Mutterbrust“ dann: „Komm, braune Hanne her, reich mir die Kanne her, füll mir den Schlauch“ . Allgemeines Saufen unappetitlichster Art. Der arme Darsteller des Falstaff tat mir herzlich leid.
Diese Szene ist willentlich als Fremdkörper angelegt und mit „Fremder Musik“ die nicht reingehört, versehen. Hier hätten nicht einmal Schlafbrillen gereicht, sondern es wären auch Ohrstöpsel nötig gewesen.
Ähnliches geschah in einer Bettszene zwischen Frau Fluth und Falstaff. Hier ertönte aus den Lautsprechern sanfte Barmusik.
Reicht Nicolai´s Musik nicht aus?
Es gab noch viele Seltsamkeiten, Dr. Cajus steigt mit Flossen, die wahrscheinlich noch vom Weihnachtsmärchen „Rusalka“ übriggeblieben sind, aus dem hoteleigenen Pool klatschend in die Halle.
Fenton kommt auf einem Motorroller über die Terrasse in die Halle, singt dann, textlich „wunderbar passend“, „Horch, die Lerche singt im Hain“, warum eigentlich nur eine Strophe?
Die in der Hotelhalle stehende Palme wächst zusehend. Es sieht wie eine etwas wackelnde Erektion aus! Natürlich mussten sich, da das Stück hier in den Achtzigern spielt, fast nackte Damen und Herren am Swimmingpool aalen.
Es zeigte sich hier wieder einmal, wie schwer es ist, eine Komödie zu inszenieren.
Ab und zu einmal kam aus dem Publikum leises Lachen, zu mehr reichten die gebrachten Albernheiten nicht, obwohl die Darsteller sich sehr viel Mühe gaben.
Der Funke sprang nicht über!
Zur musikalischen Ausführung.
Hier ist eine Menge Gutes zu vermelden.
An der Spitze die Sopranistin Debra Hays als Frau Fluth, die sich in Hochform präsentierte, stimmlich und darstellerisch glänzte. Mit wie viel Spiellaune sie auf der Bühne agierte, ihre Stimme, die hörbar größer geworden ist, einsetzte, die großen Ensembles mühelos überstrahlend. Kleine Intonationsprobleme überhörte man da gerne.
Eine ganz große Leistung!
Frau Reich sollte sich stimmlich von Frau Fluth unterscheiden, das war hier leider nicht der Fall, die dunklere Stimmfarbe einer Altistin hat Frau Seefing nicht, sie ist ein heller Mezzo.
Sie brachte ihre nicht ganz einfache Partie, die ihr eigenen schauspielerischen und stimmlichen Mittel ausnutzend, sehr gut über die Rampe.
Die Sopranistin Sophie Witte gab die Anna Reich.
Eigentlich sollte sich diese Partie deutlich von den beiden anderen Frauenrollen abheben, hier ist eine lyrische Stimme erforderlich, die Frau Witte (noch) nicht hat. Ich nehme an, dass sie sonst Soubrettenpartien singt. Hier ist ein warmer lyrischer Sopran angemessen.
Ihre schwache Tiefe und Mittellage kompensiert sie durch leuchtende Töne in der oberen Quint. Diese beeindrucken wirklich, wenn sie nur nicht so steif intoniert würden.
Von der Regie wurde sie ziemlich allein gelassen, sie wurde hier als blondes Dummchen dargestellt. Das entspricht nicht der musikalischen und textlichen Anlage der Figur.
Bei einem Regisseur, der sie geführt hätte, wäre ihr unzweifelhaftes Talent besser über die Rampe gekommen.
Zu den Herren.
Hier gebührt die Palme dem wunderbar spielenden, wie immer hervorragend singenden Tobias Scharfenberger.
Eine große Freude, ihn wieder zu hören.
Hatte man seinen Vertrag nicht unverständlicherweise nicht verlängert? Toll, dass er zu unserer Freude wieder auf der Bühne ist.
Michael Siemon sang den Fenton. Er hatte mich in Maskerade restlos überzeugt.
Was war hier los? Er verengte die Tongebung, die Stimme klang hierdurch viel kleiner.
Der Fenton ist gewiss eine sehr schwere Partie, sie bewegt sich stark in der Bruchlage, der sogenannten Passagio. Bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass er hier Probleme sah. Die Stimme blühte nicht wie gewohnt.
Sein Spiel war untadelig.
Hayk Dèinyan war nicht der Falstaff, den ich mir erhofft hatte,
Nach all den wunderbaren Leistungen, die er hier in unserem Haus zeigte, wirkte er hier unsicher, kurzatmig, manchmal auch unbeteiligt. Wurde er vom Regisseur als alternder Mafioso gesehen?
Ich führe es auf die Regie und ihre Untaten, die ihn ganz speziell betrafen zurück. Eine Zumutung nicht nur für den Sänger ist es was hier passierte, „Ballermann“ seiner großen Arie zu unterlegen!
Kein Beifall nach einem solchen Ohrwurm, wenn man ihn gehört hätte in dem Krach! Nicht seine Schuld. Ich habe es von ihm schon ganz anders gehört.
Andrew Nolen sang und spielte einen sehr jungen Vater der Jungfrau Anna Reich.
Reichte es hier nicht zu einer guten Maske? Es tat seiner Darstellung nichts, souverän spielte und sang er, alle Vorzüge seines Bassbaritons präsentierend.
Markus Heinrich sang und spielte den Junker Spärlich richtig gut. Leider lispelte er nicht. Das hätte hier den Pfiff obendrauf gegeben.
Gereon Grundmann, Dr. Cajus, in der Pressevorlage einmal als Gast, einmal als Studiomitglied angekündigt, im Programmheft steht nichts von Beidem, hat in der tiefen und mittleren Lage eine voluminöse, gut klingende Stimme, nach oben klang sie etwas eng.
Das soll kein endgültiges Urteil sein nach den wenigen Tönen, die in dieser Rolle zu hören waren. Gespielt hat er vorzüglich.
Der Chor, einstudiert von Maria Benyumova und Ursula Stigloher, warum eigentlich gleich von zwei Einstudierenden, tat seinen Dienst, im Mondchor übrigens fast unhörbar.
Das Orchester, wie bereits erwähnt, spielte unter der Leitung des hervorragend begleitenden Alexander Steinitz, der den Sängern wirklich eine große Hilfe war, niemals zudeckte, klangschön und diszipliniert.
Zur Regie, Andreas Baesler, der doch hier einen wunderbaren Britten „Tod in Venedig“ brachte, brauche ich wohl nichts weiter sagen.
Bühne und Kostüme waren, denke ich, im Team abgesprochen.
Zu erwähnen ist hier noch, dass das Bühnenbild außergewöhnlich sängerfreundlich ist.
Die Wände des Hotels unterstützen die Schallentwicklung in den Raum.
Fazit:
Ein sehr zwiespältiger Abend. Musikalisch ok, die Regie für mich nicht in Ordnung, die neu geschriebenen Rezitative waren gewiss nicht besser als die alten, viel zu lang.
Die Jägermeister-Arie und die ganze Szene hätte man sich und uns ersparen können. Auch ohne Rezitative kann man der Handlung unbedingt folgen. Es musste nicht 3 Stunden 15 Minuten dauern.
Herbert Rommerskirchen