Konzert der Weltklasse in der Kaiser-Friedrich-Halle mit Feng Ning, Violine und Mihkel Kütson, dem ersten Bewerber um die Positiondes GMD
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Wäre ich in einem Hotel der Spitzenklasse gewesen, hätte ich hier von einem Menü eines 6–Sternekochs gesprochen. Eine bezaubernde Vorspeise, vom Chef höchstpersönlich zubereitet, mit den feinsten Spezereien versehen und auf der Zunge zergehend.
Mihkel Kütson, der erste der sich vorstellenden Bewerber um den Posten des GMD (Generalmusidirektor) musizierte spritzig, schwelgerisch, rhythmisch prägnant, immer bei Mozart bleibend, obwohl für Puristen die Orchesterbesetzung bestimmt zu groß erschien und dazu auch noch in satten, weichen Farben erklang.
Aber dieses Sinfönchen wurde nach Mannheim komponiert, also nachdem Mozart die Klangfülle eines groß besetzten Orchesters erlebt hatte.
In den Briefen an seinen Vater schreibt er sehr beglückt hierüber.
Ein Genuß für das von den heutigen, dem „Non Vibrato“ huldigenden Vorstellungen oftmals beleidigte Gehör. Die einzelnen Instrumentengruppen wurden wunderbar geführt, die Hörner, wunderbar spielend, gebührend animiert, und über allem eine große Linie. So sollte man Mozart spielen.
Als Werk, an dem sich Kütson als Begleiter eines Solisten beweisen sollte und auch konnte, wurde das Violinkonzert von Aram Chatschaturjan gewählt. Ein, wie mir zunächst erschien, zu krasser Gegensatz zu Mozart.
Dieser Eindruck verflüchtigte sich jedoch durch das Spiel des grandiosen jungen Geigers Feng Ning sehr schnell.
Wie wunderbar vermochte er es, den zweiten Gang dieses Menus zu servieren. Russische Seele, Chatschaturjan verwandte im ersten Satz das Thema eines armenischen Volksliedes, erklang im zaubrisch süßen Gesang der Geige gegen die wilde Einleitung des Orchesters. Die äußerst virtuos angelegte Kadenz diesen ersten Satzes wurde in unglaublicher technischer Brillanz vorgeführt, ohne doch im Geringsten den Fluß der Musik, des Gesangs zu verlassen.
Auch im zweiten Satz bestach er durch Musikalität und den wundervollen Klang seines Instrumentes, das mich an die Instrumente Oistrachs und Schneiderhans erinnerte. Auf der – G-Saite die dunkelsten Cellotöne, in den hohen Lagen der E–Saite süß und voll. Das Zusammenspiel mit dem Orchester, die unterschiedlichen Farben, prachtvoll!
Im dritten Satz spielte er nun wirklich ein Bravourstück, jede technische, tonliche Finesse bravurös ausnutzend. Ein Geiger der Supersonderklasse, wie ich unter den jüngeren Geigern eigentlich nur Frank Peter Zimmermann nennen möchte.
Aber nicht nur diese Dinge beglückten mich hier.
Wie nahtlos spielte er hier mit unserem Orchester, von Mihkel Kütson fabelhaft begleitet als Primus inter Pares.
Wie verschmolz hier der Ton der Geige mit dem des Orchesters, selbst in sehr starken Passagen des Orchesters nie zugedeckt. Ein atemberaubendes, durchaus kammermusikalisches Zusammenspiel.
Farbliche Differenzierungen, herrliche Entladungen in Solostellen des Orchesters, Tempi rubati, unmerklich vorbereitet, Eine Sternstunde des Musizierens zwischen Solist und Dirigent!
Für den nicht endenwollenden Beifall dankte der Künstler mit einer Caprice von Niccolo Paganini, für zwei Geigen, hier natürlich nur auf einer Geige, Bogen und gleichzeitig Pizzicato spielend, in der er seine stupende Technik nochmals unter Beweis stellte.
Auch der dritte Gang dieses Spitzenmenüs konnte mich total überzeugen.
In der Interpretation Kütsons war sowohl die Form dieses Werkes, wie auch jede Stimmung, die sehr oft in Lautstärke verloren geht, zu hören.
Wie wunderbar stellte er dem finsteren Thema der Einleitung das zweite Thema in B-Dur gegenüber, das in seinen Lyrismen einen wunderbaren Kontrast herstellt.
Durch die Transponierung nach h-moll entsteht eine etwas melanchonische Stimmung die durch das Aufbäumen des Orchesters aufgelöst wird. Trotzdem vergeht dieser Satz eigentlich im Nichts.
Frappant die farblichen Nuancierungen die Kütson hervorzauberte, der Abschluß des Satzes im Nichts – atemberaubend. Man wagte kaum zu atmen.
Auch im zweiten und dritten Satz war die Präzision, die Klangschönheit des Orchesters einfach großartig. Mit wieviel Abstufungen konnte der Dirigent hier aufwarten.
Der etwas dunkle vierte Satz, immer wieder mit der Form ringend, bestach durch die wundervoll aussingenden, nahtloses Legato spielenden Celli.
Der Schluss erscheint mir nicht ganz gelungen und wirkte auch hier etwas aufgesetzt.
Mihkel Kütson erwies sich auch bei diesem Werk als souveräner, äußerst musikalischer und musikantischer Orchesterleiter. Präziser, gut nachzuvollziehender Schlag, keine übertriebene Gestik, klare, knappe Anweisungen an das ihm hervorragend folgende Orchester. Lebendiges, nie überzogenes Musizieren. Sehr gutes Gefühl für Zeitmaße.
Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß das, wie bereits erwähnt, toll aufspielende Orchester gerne mit ihm musiziert, eine wesentliche Voraussetzung für einen wirklich großen Abend, wie dieser es war. Neben unseren doch immer guten Bläsern habe ich unsere Streicher selten so glut- und blutvoll gehört. Einfach wunderbar.
Das atemlos und gebannt lauschende Publikum (Wo gibt es so etwas noch?) dankte Solist,Orchester und Dirigent mit nicht enden wollendem Beifall.
Zu erwähnen sei noch, daß das Haus trotz des Schneesturms erfreulich gut besucht war!
PS: Hier wäre doch als Zugabe einer der slavischen Tänze von Dvorak als Nachspeis durchaus angebracht gewesen!
Herbert Rommerskirchen