4. Sinfoniekonzert der Niederrheinischen Sinfoniker: Ein umjubelter Abend im Konzertsaal des Stadttheaters
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Im endlich wieder einmal vollbesetzten Konzertsaal des Stadttheaters gab es ein Konzert, das dem Publikum in allen Teilen gefiel. Ohrwürmer par excellence. Das heißt aber nicht, dass es Werke waren, die nur ins Ohr gehen.
Nein, hohe Klasse der Musik, beginnend mit der wunderbaren Euryanthe – Ouvertüre von Carl Maria von Weber. Ein Werk, das sehr oft, losgelöst von der Oper, die unter dem Textbuch der Helmina von Chèzy leidet, in Konzerten erklang.
Dirigenten wie Herbert von Karajan, Wilhelm Furtwängler, Erich Kleiber, Carlos Kleiber, Rudolf Kempe, Joseph Keilberth, um nur einige Dirigenten der Weltklasse zu nennen, widmeten sich dieser Musik. In allen Fällen handelt es sich hier um intellektuelle Dirigenten, um dem Kurkapellenverdacht zuvorzukommen.
„Euryanthe“ ist eine typische Ritteroper. So geht es auch in der Ouvertüre gleich los.
Prachtvoll setzten gleich die Bläser ein, durchaus mit ritterlichem Glanz brillierend. Das überirdisch schöne Largo, von acht Soloviolinen gespielt gelang vorzüglich, durch die aufgesetzten Dämpfer gab es hier einen fast geisterhaften Klang. Aber bald findet Weber wieder zu strahlendem Forte.
Unter dem kapellmeisterlichen Dirigat von Nicholas Milton (und das ist für mich ein ganz hohes Lob) liefen die Niederrheinischen Sinfoniker zu großer Form auf.
Aber was holte Milton bereits hier durch seinen präzisen Schlag, durch Temperament, durch feine Empfindung, an Orchesterfarben, an dynamischer Feinheit heraus.
Man war gefangen.
Auch Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert gehört zur Gattung Musik, der man oft in Kurkonzerten begegnet. Aber, welch einen Reichtum an Melodien, hinreißender Musik, schuf Mendelssohn hier.
Sechs Jahre verwandte er auf die Verwirklichung seiner Vorstellungen.
Das Konzert, so federnd und leicht klingend, verlangt von den Interpreten des Violin-Parts, aber auch von Dirigent und Orchester höchste Virtuosität und technisches Können.
Dieses war im Konzert in beglückendem Maß zu hören.
Die junge, bildschöne Solistin Tai Murray war ihrem Part mehr als gewachsen, hatte hierdurch Möglichkeiten zum Musizieren, die sie wunderbar nutzte. Natürlich hatte sie ein wunderbares Instrument zur Verwirklichung ihrer Intentionen. War es eine Guarneri?
Großer, voller Klang.
Schon zu Beginn hörte man, über welche Technik sie verfügt. Intonation, Grifftechnik, Bogenführung, ist selbstverständliches Rüstzeug.
Dann aber auch das, was den großen Musiker ausmacht, Klangsinn, Rhythmus, Farbsinn in jedem Moment.
Gerade dies alles zeichnete sie für die Gestaltung dieses Werkes, das man nicht akademisch, steril, wie man es heute so oft von jungen, technisch perfekten Künstlern hört, aus.
Einfach wunderbar gelang alles, wobei mich nicht nur die schnellen, technisch schwierigen Dinge beeindruckten, die so selbstverständlich waren, sondern das Andante, das auch im Piano mit großem, beseeltem Ton musiziert wurde. Es blieb immer spannungsvoll.
Nicholas Milton begleitete mit dem Orchester geschmeidig, jede Phrase vorausahnend, farblich den Orchesterklang der Solistin anpassend, im Piano einen Klangteppich ausbreitend, der selbst die zartesten Geigentöne nur stützte, niemals zudeckte. Im Orchestertutti gings dann aber los, stets musikalisch, nie gellend.
Eine grandiose Leistung der Beteiligten. Ein nicht endenwollender Jubel dankte.
Tai Murray spielte als Zugabe Bach. Sehr still und zuchtvoll. Wieder jubelten die Zuhörer.
Es gab eine zweite Zugabe!!!!, ein Gitarrenstück, für Geige gesetzt, „Recuerdos de la Alhambra“ (Erinnerungen an die Alhambra), ein Bravourstück.
Und nochmals Riesenapplaus.
Man ging angeregt, aufgeregt, diskutierend in die Pause.
Und dann gab es die „Enigma-Variationen“ des englischen Komponisten Edward Elgar. Dieses Werk brachte ihm nach vielen Arbeitsjahren endlich den Durchbruch.
Aber er errang auch durch seine Chorwerke, z.B. „The Dream of Gerontius“, oder den „Caractacus“, große Zustimmung.
Dem großen Dirigenten Hans Richter hatte er zu verdanken, dass der das Werk dadurch, dass er es uraufführte, zu einem überwältigenden Erfolg führte.
Elgar ordnete in diesem Werk die einzelnen Variationen Personen zu. Er hat sie wahrscheinlich gut gekannt und dadurch trefflich charakterisiert.
Es kommt hier zu heiteren Episoden, besinnlichen, liebevollen, aber auch bösartigen Charakterisierungen.
Die Wiedergabe durch Nicholas Milton und die ihm bedingungslos folgenden Niederrheinischen Sinfoniker war spritzig, in jedem Moment differenziert in Klangfarbe, Tempo, dynamischen Schattierungen, den solistisch hervortretenden Orchestermusikern alle Möglichkeiten gebend.
Sein Temperament riss nicht nur die Musiker, sondern auch das Publikum mit. Eine tolle Leistung. Donnernder Applaus, viele Bravorufe.
Als Zugabe gab es dann etwas, was jeder pfeifen kann, jeder mit Elgars Namen verbindet, „Pomp and Circumstance“.
Nochmals jubelnder Applaus, in den der sich nie allein verbeugende Dirigent die solistisch hervorgetretenen Orchestermitglieder oder die Gruppe einschloß.
Etwas, was ich noch nicht gesehen habe, der hervorragende Bratscher Albert Khametov wurde einzeln vorgestellt. Bravo!
Ein großer Abend, nach dem man nur „Danke“ an alle Mitwirkenden sagen konnte.
Seit Jahren habe ich nicht erlebt, das die Zuhörer nicht nur sprechend, sondern auch summend und brummend, glücklich und begeistert das Haus verließen.
Herbert Rommerskirchen