Rums – ich habe gewählt! • Kommen nun Volksabstimmungen?

Claudine Nierth [ - Uhr]

Jetzt habe ich gemischte Gefühle. Immer noch. Euphorisiert über das allvierjährliche Highlight meiner Selbstwirksamkeit einerseits. Andrerseits melancholisch, mich nun wieder für Jahre in den Sessel zurücklehnen zu müssen. Dazu verdammt, politische Zustimmung oder Ablehnung einzig meinem Fernseher und der Chips-Tüte anzuvertrauen.

Ja, das demokratische Erlebnis ist schon wieder vorbei.

Und das, obwohl mir im Grunde ziemlich einerlei ist, wer regiert.

Vorausgesetzt, ich kann mich mit Ihnen und allen anderen Wählenden oder Nichtwählenden per Volksabstimmung einmischen, wenn was schief läuft.

Wenn es denn notwendig scheint.

Falls mir das eine oder andere Thema nicht gefällt oder es gar nicht erst auf der Tagesordnung steht.

Doch diesmal habe ich gewählt und gehofft, dass möglichst jene an den Regierungstisch kommen, die keine Angst vor Volksabstimmungen haben, ganz nach dem Motto: Wer die Demokratie nicht fürchtet, wird sie auch nicht verhindern.

Und?

Drei von den vier Koalitionsparteien haben Vertrauen im Gepäck! Sie tragen entweder den bundesweiten Volksentscheid im Wahlprogramm (B’90/Grüne), in ihrem Grundsatzprogramm (FDP) oder gar mit Garantieversprechen für die Koalitionsverhandlungen (CSU) im Rucksack.

Wenn sie klug sind, sind sie mit 72 Prozent der Deutschen, die Volksabstimmungen wollen, die Gewinner dieser Wahl!

Das heißt: Für mich hat der Tatort mit dem Wahlsonntag erst begonnen und jetzt sitze ich mittendrin im Film.

Gespannt auf die Koalitionsverhandlungen.

Wie es ausgeht? … weiß ich noch nicht.

Hängt davon ab, ob alle an Bord bleiben.

Auch Sie, an die ich hier schreibe!

Wollen wir Mehr Demokratie machen?

Einfach viel öfter eine Stimme haben?

Ich würde am liebsten mit Ihnen über die Volksabstimmung selbst abstimmen.

Also die Volksabstimmung über die Volksabstimmung.

Das wäre der Königsweg.

Aber dazu brauchen wir sie erst.

Ja – um darüber abzustimmen, ob wir die Demokratie lieber einschränken oder ausbauen wollen, müssen wir sie erst mal einführen.

Deshalb rede ich jetzt mit jedem, der Einfluss auf die Koalitionsverhandlungen hat.

Mit den Grünen, mit der FDP mit der CSU und auch mit der CDU.

Gestern mit Robert Habeck, heute mit Joachim Herrmann, nächste Woche mit Wolfgang Kubicki und zwischendurch mit dem Bundespräsidenten.

Außerdem fordere ich alle Menschen, die ich kenne – meinen gesamten Adressverteiler – auf, sich unbedingt bei volksentscheid.de als Unterstützer/in einzutragen.

Immerhin haben das in der letzten Woche schon mehr als 100.000 Menschen getan und fordern mit uns und einem großen Bündnis die Koalition auf, folgenden Satz in den Koalitionsvertrag aufzunehmen: „Die Regierungskoalition strebt eine Grundgesetzänderung an, mit der Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene – nach Vorbild der Länder – eingeführt werden.“

Rums – das sitzt.

Jetzt hier für bundesweite Volksentscheide unterzeichnen:

https://www.volksentscheid.de

Übrigens:

Am heutigen Sonntag treffen sich CDU und CSU in Berlin zu ersten Sondierungsgesprächen.

So soll vor den Gesprächen mit FDP und Grünen eine gemeinsame Linie ausgelotet werden.

Hier kommen die strittigen Themen auf den Tisch.

Wird die Volksabstimmung dabei sein?

Immerhin hat die CSU für dieses Thema ein Garantieversprechen abgegeben.

Will sie das einlösen, ist es jetzt an der CSU, Druck zu machen und die CDU zu überzeugen.

Wir werden die Union am Wochenende vor dem Verhandlungsgebäude mit einem 9 x 4 Meter großen Plakat daran erinnern, dass sich 72 Prozent der Deutschen, 64 Prozent der Unionswähler/innen und 69 Prozent beim CSU-Mitgliederentscheid für die bundesweite Volksabstimmung ausgesprochen haben.

Claudine Nierth ist selbstständige Prozessbegleiterin mit Schwerpunkt in der Gestaltung sozialer Prozesse in Unternehmen und Bundesvorstands­sprecherin von „Mehr Demokratie“, der größte überparteilichen und gemeinnützigen Nichtregierungs­organisation für direkte Demokratie weltweit. Außerdem ist sie Vorstand der Gemeinnützigen Treuhandstelle Hamburg e.V. und Mitglied im Aufsichtsrat der GLS Treuhand.

Sie war 1997 eine der drei Initiatoren des ersten Volksbegehrens „Mehr Demokratie in Hamburg“, 2011 der Volksinitiative „Mehr Demokratie in Schleswig-Holstein“ und u.a. 2015 ständiges Mitglied der Enquete Kommission für die Weiterentwicklung der Demokratie im österreichischen Nationalrat.

Foto: Mehr Demokratie e.V.

2 Kommentare zu “
Rums – ich habe gewählt! • Kommen nun Volksabstimmungen?”
  1. Stimmt was Sie schreiben.

    „gezielte Meinungsmache“ gibt’s aber auch bei jeder Wahl.

    Die gibt’s auch beim Fernsehen, Radio, Zeitungen (Bild dir deine Meinung!).

    Denke man muss den Leuten auch was zutrauen und dann kommen ja auch Diskussionen in Gang.

    Vielleicht hin und wieder schwer mit einem Ergebnis, das einem nicht gefällt klar zu kommen. Kann ich mir vorstellen. Ist aber auch bei Wahlen so.

    Jamaika habe ich nicht gewählt. Gefällt mir überhaupt nicht wenn Jamaika kommt.

    Das wird noch gruseliger als die GroKo jetzt.

  2. Einerseits sehe ich Volksabstimmungen positiv, auf der anderen Seite gibt es auch reichlich Argumente, die gegen Volksabstimmungen sprechen.

    Das ist ein sehr weitreichendes Thema, daß ich nicht in diesem Kommentar abhandeln kann.

    Es geht bei der heutigen Politikverdrossenheit schon damit los, daß die Beteiligung an solchen Abstimmungen nur gering wären.

    Ferner halte ich es für einen Fulltimejob, Gesetzesvorschläge genau zu verstehen, in den Kontext mit geltendem Recht zu setzen und dann womöglich darüber abzustimmen, ohne die Konsequenzen abzuwägen – siehe z.B. den Brexit.

    Möglicherweise könnten Abstimmungen durch gezielte „Meinungsmache“ auch in gewisser Weise manipuliert werden, in dem Zusammenhang schneide ich nur mal das Thema „Social Bots“ an.

    Es gibt wie o.g. sicherlich noch viel mehr abzuwägen. allerdings ist meine Meinung zu Volksabstimmungen eher druchwachsen.

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