Experten offen für bessere Bürgerbegehren – Landtagsanhörung bestätigt Reformbedarf
Hauptredaktion [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Die Spielregeln für kommunale Bürgerbegehren in NRW sind verbesserungsbedürftig.
Das ist der fast einhellige Tenor der heutigen Sachverständigenanhörung des Landtags zu Gesetzesinitiativen der rot-grünen Landesregierung und der Linken.
Bei der Bewertung von Detailfragen gab es zwar Differenzen, dafür aber Zustimmung zur eingeschlagenen Richtung.
Die Initiative „Mehr Demokratie“ begrüßte in ihrer Stellungnahme die geplanten Reformen.
„Der Gesetzentwurf der Landesregierung enthält deutliche Verbesserungen, das von Rot-Grün angepeilte Vorbild Bayern wird damit allerdings nicht erreicht“, sagte Landesgeschäftsführer Alexander Slonka.
Mehr Demokratie vermisst vor allem eine klare Bejahung von Bürgerentscheiden über Stadtentwicklungsfragen und Großprojekte.
„Die leider unverbindlichen Bürgerbefragungen über den Ausbau des Godorfer Hafens in Köln und die Ansiedlung eines Outlet-Centers in Remscheid in diesem Jahr haben gezeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht“, so Slonka.
Der Politikwissenschaftler Timo Grunden von der Universität Duisburg-Essen verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Bürgerbeteiligungsverfahren die Akzeptanz von Bau- und Infrastrukturprojekten erhöhen.
Die Landesregierung will Bürgerbegehren nur zur Einleitung von Bauleitplanungsverfahren erlauben und Abstimmungen über Großprojekte weiter ausschließen.
Kritisch sahen mehrere Experten den Kostendeckungsvorschlag, den Bürgerbegehren vorlegen müssen, wenn der Erfolg ihrer Initiative für die jeweilige Kommune Mehrkosten oder Mindereinnahmen bedeutet.
Aufgrund der Kompliziertheit der Berechnungen unterstützt etwa die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände das Vorhaben der Landesregierung, die Kostenfrage in Zukunft von den Verwaltungen klären zu lassen.
Die errechneten Zahlen muss ein Bürgerbegehren dann nur noch auf seine Unterschriftenliste übernehmen. Mehr Demokratie bemängelt hier, dass der Verwaltung für die Kostenberechnung keine Frist gesetzt wird.
„Das kann dazu führen, dass das Verfahren verschleppt wird, bis Fakten geschaffen sind, gegen die ein Bürgerbegehren nicht mehr vorgehen kann“, befürchtet Geschäftsführer Slonka.
Die stark unterschiedlichen Einschätzungen der Folgekosten eines Ausstiegs aus dem Bahnprojekt Stuttgart 21 allein bei SPD und Grünen zeigten außerdem, dass die Kostenfrage immer so interpretiert werden könne, dass sie politisch ins Konzept passe.
Mehr Demokratie fordert deshalb den Verzicht auf diese Anforderung.
Unterschiedliche Einschätzungen gab es zur geplanten Senkung der Abstimmungshürde bei Bürgerentscheiden in größeren Städten.
Während einigen Experten die Pläne der Landesregierung hier zu weit gehen und sie die Dominanz aktiver Minderheiten befürchten, fordert Mehr Demokratie die Abschaffung des Zustimmungsquorums.
Derzeit gilt, dass Bürgerbegehren unabhängig von der Gemeindegröße die Unterstützung von mindestens 20 Prozent aller Stimmberechtigten erhalten müssen.
In Zukunft soll diese Hürde je nach Gemeindegröße auf eine Höhe zwischen zehn und 20 Prozent gestaffelt werden.
Auf Antrag der Linken wurde auch darüber debattiert, ob nicht alle Einwohner ab 16 Jahren Bürgerbegehren unterstützen und bei Bürgerentscheiden abstimmen können dürfen. Bisher sind nur EU-Bürger eintragungs- und stimmberechtigt.
„Wir halten diesen Vorschlag für richtig, die dem entgegen stehenden verfassungsrechtlichen Probleme kann aber nur der Bundestag durch eine Grundgesetzänderung lösen“, so Mehr Demokratie-Geschäftsführer Slonka.
Die Landesregierung sollte den Vorschlag zum Anlass nehmen, im Bundesrat eine entsprechende Initiative zu ergreifen.