Rechtsanwälte im Arztkittel: Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund begutachten Juristen medizinische Dokumente
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Recherchen der Berliner Zeitung zufolge beschäftigt die Deutsche Rentenversicherung Juristen als „Beurteiler“ für medizinische Gutachten ein. Lesen Sie hierzu den BZ-Bericht vom 08.12.2008:von Daniel Baumann
BERLIN. Die Deutsche Rentenversicherung Bund setzt seit längerem medizinische Laien ein, die an Stelle von ausgebildeten Ärzten Entscheidungen über bestimmte Leistungen für kranke Menschen treffen. Nach Informationen der Berliner Zeitung werden in der Rentenabteilung derzeit in einem intern umstrittenen Pilotprojekt Juristen statt Ärzte eingesetzt.
Anhand medizinischer Gutachten sollen diese darüber entscheiden, in welchem Umfang erkrankte Mitglieder der Rentenversicherung noch in der Lage sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Gegebenenfalls müssen sie entscheiden, ob die deutsche Rentenversicherung Bund eine Erwerbsminderungsrente bezahlt. Dabei soll es bisher zu erheblichen Fehlern gekommen sein, wie aus Dokumenten hervorgeht, die der Berliner Zeitung vorliegen.
Viele Beanstandungen
Das Pilotprojekt läuft seit Frühjahr dieses Jahres. Damit soll den Ärzten nach Angaben von Mitarbeitern der Rentenversicherung Arbeit abgenommen werden. Die Ärzte seien überlastet. Um Entlastung zu schaffen, haben die Ärzte in der Rentenabteilung – oftmals Fachärzte mit einer Ausbildungsdauer von rund zehn Jahren – den unterstützenden Juristen eilig medizinisches Grundwissen zur Bearbeitung der Dokumente vermittelt, wie Mitarbeiter berichten.
Die Rentenversicherung teilte dazu mit, dass es in dem Pilotprojekt vor allem darum gehe, „zu prüfen, wie sich Abläufe im Rentenverfahren optimieren lassen“. Zwischen Verwaltungspersonal und dem Sozialmedizinischen Dienst finde „regelmäßig ein Austausch zu Aspekten der sozialmedizinischen Sachaufklärung“ statt.
Offenbar mit wenig Erfolg, wie aus einer Auswertung vom Juni 2008 hervorgeht, die der Berliner Zeitung vorliegt. Darin heißt es, dass es „zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen“ gekommen sei. So hätten sich die Juristen beispielsweise dafür entschieden, Patienten mit einer Krebserkrankung im Endstadium keine dauerhafte Erwerbsminderungsrente zu zahlen. Obwohl absehbar war, dass diese Menschen sterben und nicht mehr wie gewohnt einen Beruf ausüben können.
Andererseits hätten die Laienmediziner Versicherten, bei denen nur ein Verdacht auf eine Krebserkrankung bestand, der sich später nicht bestätigen sollte, eine dauerhafte Rente zugesprochen. Insgesamt sei bei Neuanträgen und Widerspruchsverfahren rund die Hälfte aller Voten fehlerhaft gewesen, heißt es in der Studie.
So seien 48 Prozent der bearbeiteten Neuanträge, 44 Prozent der Entscheidungen über Weiterzahlung einer Rente und 44 Prozent der Widerspruchsverfahren gegen Entscheidungen der Rentenversicherung Bund beanstandet worden. Wegen dieser Fehlerhäufung sei dem gewählten Verfahren, Arzt-Aufgaben Laien zu übertragen, nicht der Vorzug zu geben, lautet das Fazit der Studie.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund erklärte auf Anfrage der Berliner Zeitung zu den Studienergebnissen, dass „gegenwärtig geprüft (wird), ob bei eindeutigen medizinischen Sachverhalten weiterer ärztlicher Rat eingeholt werden muss oder ob auf der Grundlage der in aller Regel bereits vorliegenden medizinischen Gutachten eine abschließende Entscheidung möglich ist“.
Diese Prüfung erfolge im Rahmen eines „zeitlich befristeten und eng umgrenzten Pilotprojekts“, dessen Ergebnisse einer Qualitätsprüfung unterlägen. „Im Ergebnis wird das Pilotverfahren aller Voraussicht nach nicht fortgesetzt“, teilte die Rentenversicherung mit.
Es wäre das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass ein Projekt dieser Art gestoppt wird. Auch in der Rehabilitationsabteilung waren Arzt-Aufgaben medizinischen Laien übertragen worden. Die Grundlage dafür war ein Dokument vom November 2007 (intern als „Schmöckwitz-Protokoll“ bekannt). Von Mitarbeitern wurde die Entscheidung als „gefährlich“ und „aus medizinischer Sicht unverantwortlich“ kritisiert. Trotzdem hielten die verantwortlichen Personen ein Jahr lang an der Entscheidung fest.
Erst vor wenigen Tagen, Ende November 2008, wurden die Pläne, die in einigen Abteilungen bereits umgesetzt waren, zurückgezogen. Als Grund dafür nennen Mitarbeiter erneute Proteste des Personalrats. Die Rentenversicherung nannte indes als Grund für den Stopp des Projekts lediglich, dass „keine Notwendigkeit für eine Verfahrensumstellung“ bestanden habe.
Betroffen war von dem Projekt der sozialmedizinische Dienst, der auf der Grundlage ärztlicher Gutachten entscheidet, ob zum Beispiel psychisch kranke Menschen oder Unfallpatienten zur Rehabilitation geschickt werden, damit sie später wieder einen Beruf ausüben können. In der Verantwortung der Ärzte lag bisher auch die Entscheidung über Art, Umfang und Dauer der Rehabilitation.
In dem „Schmöckwitz-Protokoll“ waren insgesamt 27 Sachverhalte festgehalten worden, die „ohne Einschaltung des sozialmedizinischen Dienstes grundsätzlich durch die Verwaltung entschieden werden können“. Ein knappes halbes Jahr später protestierte aber der Personalrat:
Bis auf einzelne Punkte wies er in einer Stellungnahme vom 30. April 2008 alle Maßnahmen mit der Begründung der fehlenden medizinischen Kompetenz der Verwaltung zurück. „Der Personalrat fragt sich, ob diese Maßnahmen dem hohen Anspruch der Abteilung Rehabilitation bezüglich einer qualifizierten Entscheidung gerecht wird“, schrieb dessen Vorsitzender, Thomas Schubert.
„Fango-Tango-Reha“
Mitarbeiter beklagen schon seit längerem schleichende Qualitätsverluste. Seit November 2005 gibt es beispielsweise keine Spezialgebiete mehr im sozialmedizinischen Dienst der Rehabilitationsabteilung. Das heißt: Ärzte sämtlicher Fachrichtungen entscheiden über jeden Antrag auf Rehabilitation, der auf ihrem Schreibtisch landet – ungeachtet dessen, um welche Krankheit es sich handelt. Das Konzept basiere auf dem „der Teamarbeit zu Grunde liegenden Gedanken der ganzheitlichen Betreuung („alle machen alles“)“, heißt es in einem Papier, das das neue Arbeitsmodell beschreibt.
Diese Herangehensweise führte prompt zu Problemen. Im August 2006 berichtete – einem Protokoll eines Steuerungsgremiums der Rentenversicherung zufolge – der Leiter des Beratungsärztlichen Dienstes, Thomas Hillmann, über „Schwierigkeiten bei der Beurteilung von Fällen aus den Bereichen Entwöhnungs- und Kinder-Reha durch nicht in diesen Fachgebieten ausgebildete Mitarbeiter des beratungsärztlichen Dienstes“.
Die Mediziner begegnen der Situation inzwischen oft mit Sarkasmus, sagt ein Arzt. In Bezug auf die Qualität der Entscheidungen spricht ein anderer von „Fango-Tango-Reha“. „Mit Sorge beobachten wir, dass die Qualität der Arbeit der deutschen Rentenversicherung Bund überall da leidet, wo sie mit Versicherten und Rentnern zu tun hat“, sagt ein Dritter.
3.
dreyer3 schrieb am 24.03.2009 um 11:52 Uhr:
Vielen Dank für die Mithilfe, ich bin schon seit Jahren Mitglied im VdK!!!
Gruß
Ralf Dreyer
2.
Vorstand VdK MG schrieb am 23.03.2009 um 22:22 Uhr:
Hallo Herr Dreyer,
generelle Vorgehensweisen können nur schwer empfohlen werden, da Vieles von den individuellen Sachverhalten abhängt.
Wir empfehlen Ihnen daher, Ihr Problem kurz in einer E-Mail an
kv@vdk-moenchengladbach.de
zu schildern. Eine unserer Mitarbeiterinnen wird sich dann telefonisch mit Ihnen in Verbindung setzen und Sie kostenfrei beraten.
Unabhängig davon werden wir das Thema noch einmal aufgreifen und in Kürze hier auf BZMG dazu berichten.
1.
dreyer3 schrieb am 23.03.2009 um 18:06 Uhr:
Das Problem kenne ich zur genüge, da werden Verhaltensweisen sichtbar, die niemals ein Arzt entwickelt haben kann.
Wie geht man dagegen am Besten vor!?
Gruß
Ralf D.