SPECIAL: Neues Entgeltsystem PEPP – Gülistan Yüksel (SPD): „Das Gesetz der Bundesregierung folgt nicht dem Grundsatz, dass das Vergütungssystem der Versorgung dient.“
Red. Gesundheit & Soziales [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
» Der Gesetzentwurf setzt falsche, sehr problematische ökonomischen Anreize. Einrichtungen haben dann einen Vorteil, wenn sie besonders viele Patienten mit geringem Versorgungsbedarf behandeln oder wenn sie ihre Behandlungsstandards so weit absenkten, dass nur relativ wenig pflegerisches und therapeutisches Personal eingesetzt werden muss.
Die Mönchengladbacher SPD steht zu dieser Thematik seit Längerem in engem Kontakt mit dem Personalrat des LVR/MG.
Die Äußerungen der Gesundheitsexpertin der SPD Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis bei der Beratung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-Entgeltgesetz) stehen exemplarisch für die Meinung der SPD und entsprechen auch meiner Auffassung:
In einem Punkt sind wir uns einig: Wir alle wollen die Versorgungsstrukturen für psychisch kranke Menschen verbessern.
Wir wissen, dass die Versorgung von psychisch kranken Menschen hohe Anforderungen an unsere Versorgungsstrukturen stellt und dass in diesem Bereich viele Verbesserungen notwendig sind.
Wir wissen, dass Vergütungsstrukturen, gerade in einem personalintensiven Bereich wie der Psychiatrie, einen entscheidenden Einfluss auf die Versorgungsqualität haben.
Ein modernes, am Bedarf der Betroffenen ausgerichtetes Entgeltsystem für die Psychiatrie erfordert, dass den Bedürfnissen von psychisch Kranken ausreichend Rechnung getragen wird.
Flexible Behandlungsformen müssen gefördert werden. Es müssen Anreize geschaffen werden, den Grundsatz „ambulant vor stationär“ zu stärken und die starren Sektorengrenzen zu überwinden.
Die Entwicklung eines Entgeltsystems für die psychiatrische und psychosomatische Versorgung ist ein Auftrag aus der letzten Legislaturperiode.
Damals wurden bewusst im Krankenhausfinanzierungsreformgesetz die psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser von dem DRG-System für die somatischen Krankenhäuser ausgenommen.
Im § 17 d des KHG wurde verankert, dass ein pauschalisierendes, tagesbezogenes Entgeltsystem zu entwickeln sei.
Dabei sollte „insbesondere von Leistungskomplexen“ ausgegangen werden, die der „Psychiatrie-Personalverordnung zu Grunde liegen“.
Das neue Entgeltsystem erfüllt nach Ansicht der SPD diese im § 17 d KHG verankerten Ansprüche nicht.
Insbesondere durch den Wegfall der Psych-PV und den Diagnosebezug bei der Kalkulation werden finanzielle Anreize zur „Rosinenpickerei“ gesetzt.
Diese grundsätzliche Kritik kann in drei Punkten verdeutlicht werden:
1. Die Psychiatrie-Personalverordnung soll ab 2017 komplett ausgesetzt werden.
Dies wird von der Mehrheit der Verbände und Krankenhäuser zu Recht stark kritisiert. Die Psych-PV setzt den Rahmen für eine adäquate Personalausstattung der Krankenhäuser und gibt damit auch den Rahmen für die Versorgungsqualität vor.
Bisher ist sie jedoch in den Krankenhäusern leider nicht vollständig umgesetzt worden. Dies liegt vor allem daran, dass keine wirksamen Kontrollen stattfinden.
Ohne eine vollständige Erfüllung der Psych-PV in allen Krankenhäusern ist jedoch zu befürchten, dass das neue Entgeltsystem zu einer dauerhaften Unterfinanzierung in der psychiatrischen Versorgung führt.
Insbesondere Kinder und Jugendliche sowie schwer psychisch Kranke brauchen ein Versorgungssystem, das eine ausreichende Zuwendung durch Fachpersonal ermöglicht.
Die Personalsituation darf nicht zu einer experimentellen Spielwiese werden, sondern muss hinreichend gesichert und kontrolliert werden, damit die Qualität der Versorgung sichergestellt werden kann.
Im § 17 d KHG wurde festgelegt, dass die Psychiatrie-Personalverordnung die Grundlage des neuen Entgeltsystems sein soll. Diesen wichtigen Grundsatz hat die Bundesregierung nicht erfüllt.
Richtig wäre es gewesen, eine verbindliche Personalbemessung nach der Psych-PV umzusetzen und später auf dieser Grundlage Mindestpersonalstandards für die Tagesentgelte festzulegen. Dies ist nicht geschehen.
Die Abschaffung der Psych-PV lehnen wir als SPD ganz klar ab.
2. Das Psych-Entgeltsystem, so wie es im Gesetzentwurf konzipiert ist, überträgt die Strukturen der somatischen Medizin auf die Versorgung von psychisch Kranken.
Das halten wir als SPD für einen großen Fehler.
Insbesondere der Diagnosebezug bei der Vergütung von Leistungen wird mit großer Wahrscheinlichkeit Fehlanreize setzen, Menschen mit schweren psychischen Krankheiten nur unzureichend zu behandeln.
Diese Menschen brauchen eine sehr individuelle, therapeutische und kontinuierliche Behandlung unter Einbeziehung des eigenen Lebensumfeldes. Dies kann nicht mit einer Struktur gelingen, die sich an der Vergütung von Krankheiten auf der Grundlage der DRG orientiert.
Eine psychische Krankheit ist eben nicht mit einem Beinbruch oder einem Herzinfarkt vergleichbar. Im Bereich der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung kann nicht automatisch ausgehend von der Diagnose auf den entsprechenden Behandlungsumfang geschlossen werden.
Krankheitsverläufe in diesem Bereich sind individueller und komplexer. Der daraus entstehende Versorgungsbedarf muss sich auch im Entgeltsystem widerspiegeln.
Es finden sich jedoch im Gesetzentwurf der Bundesregierung keine Ansätze, diesem Bedarf gerecht zu werden.
Für sehr gefährlich halten wir aus diesem Grund auch die im Gesetzentwurf vorgesehenen Zu- und Abschläge bei Abweichung von behandlungstypischen Behandlungszeiten.
Auch hier werden ganz klar Anreize in Richtung einer nicht auf den individuellen Behandlungsbedarf abgestimmten Versorgung gesetzt.
3. Das neue Entgeltsystem ist nicht sektorenübergreifend ausgerichtet.
Es werden keine Anreize gesetzt, stationäre Behandlungen zu vermeiden.
Psychisch Kranke werden auch in Zukunft keine Alternative zu stationären Aufenthalten haben.
Dies entspricht jedoch nicht ihrem tatsächlichen Versorgungsbedarf.
Die im Gesetz festgelegten Pauschalen, die nur auf den stationären Bereich beschränkt sind, hemmen die Entwicklung hin zu einem integrierten Versorgungssystem, wie es schon seit Jahren von der Fachwelt gefordert wird.
Die von der Regierung formulierten Prüfaufträge und die Weiterentwicklung der Vorgaben für Modellvorhaben für eine sektorenübergreifende Versorgung sind unzureichend.
Gute Versorgung darf es nicht nur in Modellprojekten geben.
Bei den im Gesetz vorgeschlagenen Modellprojekten handelt es sich zudem vor allem um eine Bestandswahrung.
Bereits bestehende Modellprojekte sollen weitergeführt werden.
Das ist keine besonders große Innovation. Eine Innovation wäre es, erfolgreiche Modellprojekte in die Regelversorgung zu überführen.
Das Gesetz der Bundesregierung folgt nicht dem Grundsatz, dass das Vergütungssystem der Versorgung dient.
Wir fordern eine regionale, sektorenübergreifende und bedarfsgerechte Versorgung.
Wir fordern ein Vergütungssystem auf Grundlage der Psychiatrie-Personalverordnung.
Wir wollen eine integrierte Versorgung.
Psychiatrische Krankenhäuser brauchen Anreize für den Ausbau personenzentrierter Behandlungs- und Hilfesettings im außerklinischen Bereich.
Und wir wollen, dass auch die besonderen Bedarfe von Schwerstkranken sowie Kindern und Jugendlichen im Versorgungssystem Berücksichtigung finden.
2.
Rendoerseg schrieb am 4.09.2013 um 18:21 Uhr:
@ Brummbär
Was erwarten Sie denn von dieser Frau?
1.
Brummbär schrieb am 3.09.2013 um 18:13 Uhr:
Sorry Frau Yüksel. Es ist zwar sehr freundlich von Ihnen, uns den Text der Gesundheitsexpertin der SPD Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, zur Kenntnis zu geben, aber ob das die Intention der BZMG-Redaktion war?
Diesen Text hätte man sicher auch im Internet finden und hier einstellen können, ohne Sie zu dem Thema zu befragen.