SPECIAL: Neues Entgeltsystem PEPP – Attac kritisiert Zustimmung der Krankenhausgesellschaft zu Entgeltsystem – Psychiatrische Kliniken als Geschäftsmodell für Investoren?
Red. Politik & Wirtschaft [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
[19.11.2013] Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kritisiert den weiteren Schritt der Privatisierung und Kommerzialisierung im Gesundheitswesen.
Nach den herkömmlichen Krankenhäusern werden jetzt auch die psychiatrischen Kliniken dem Prinzip der Fallpauschalen unterworfen.
Vor wenigen Tagen hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) dem neuen Pauschalierten Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) für 2014 zugestimmt.
PEPP orientiert sich in Struktur und Wirkungsweise am Fallpauschalsystem (Diagnosis Related Groups/DRGs) herkömmlicher Krankenhäuser.
„Damit wird auch in der Psychiatrie der Weg zum Geschäftsmodell für Privatinvestoren geöffnet, wie er sich im somatischen Bereich schon durchgesetzt hat“, sagte Dagmar Paternoga, selbst Therapeutin und Mitglied des bundesweiten Attac-Rats.
Seit der Einführung der DGRs vor zehn Jahren haben sich die privaten deutschen Klinikkonzerne zu den größten weltweit entwickelt. Nirgendwo auf der Welt ist der Anteil privater Häuser an der stationären Versorgung so groß wie in Deutschland.
„Das war nur möglich, weil die Fallzahlen finanziell attraktiver Behandlungen dramatisch gesteigert wurden, zum Teil um mehr als die Hälfte“, stellte Werner Rätz vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis fest. „Damit werden die Beiträge der Versicherten und staatliche Fördergelder unmittelbar zu Gewinnen für die Investoren.“
Fast alle Berufs- und Betroffenenverbände lehnen PEPP ab.
Nur einzelne psychiatrische Krankenhäuser beteiligen sich an der aktuellen Testphase im Jahr 2013. Obwohl die Krankenhausgesellschaft die Kritik an PEPP bisher teilte, hat sie kürzlich der Ausdehnung der Testphase auf 2014 zugestimmt.
Sie teilte mit, diese Zustimmung sei unter anderem auf der Basis eines „Schreiben(s) des gesundheitspolitischen Sprechers der CDU, Herrn MdB Spahn, vom 21. Oktober 2013“ erfolgt.
Dazu Werner Rätz: „Unter demokratischen Gesichtspunkten ist es ein erstaunlicher Vorgang, dass ein einzelner Parteipolitiker eine kammerartige Organisation dazu bewegen kann, sich gegen die fundierte Position fast aller in ihr organisierten psychiatrischen Kliniken zu stellen.“
Attac hat mit Verdi und anderen Verbänden gemeinsam die umfassende Kritik in der Kampagne „Weg mit PEPP“ gebündelt.
Fast alle Verbände und zahlreiche Leitungen betroffener Kliniken haben den Appell, PEPP nicht einzuführen, unterzeichnet. „Diesen Druck werden wir aufrecht erhalten“, kündigte Dagmar Paternoga an.
„Noch ist es nicht zu spät für eine Kurskorrektur.“ Die endgültige politische Entscheidung über PEPP steht für die erste Jahreshälfte 2014 an.
1.
Ypsilon schrieb am 19.11.2013 um 14:58 Uhr:
Wenn PEPP wirklich kommt, was durchaus zu befürchten ist, wird es einen der schwächsten Teile unserer Gesellschaft „erwischen“.
Jeder, aber wirklich jeder sollte dann nur beten, niemals in die missliche Lage einer psychischen Krise zu geraten.
„Passieren“ kann es jedem. Burnout, der ganz normale Alltagswahnsinn, eine Lebenskrise, schon ist man dabei.
Wer dann in die Mühlen der Fallpauschalen gerät ist schon verloren.
Nach Operationen werden Patienten schon oft viel zu früh (wie es heißt „blutig“) entlassen. Das ist oft hart und belastend für die Betroffenen.
Bei psychischen Erkrankungen ist das der Horror und der Weg in die Klinik, schlimmstenfalls dann sogar mit Zwangseinweisung, weil alles aus dem Ruder gelaufen ist, vorprogrammiert.
Das wird dann richtig teuer und eine erneute Erholung rückt in noch weitere Ferne, weil die gesundheitlichen Folgen dieser „Drehtür-Behandlungs-Politik“ immer schwerer zu behandeln und therapieren sind.
Jeder, der aus dem Krankenhaus nach einer Behandlung entlassen wird, assoziiert damit mindestens einen gesundheitlichen Fortschritt. Das ist auch gut so. Allerdings gerade bei psychischen Erkrankungen, die eigentlich noch nicht abgeschlossen sind, ein fataler Trugschluss, der ausgerechnet bei solchen Patienten infolge Falsch-und Selbstüberschätzung richtig „daneben“ kann.
Hier trifft mal wieder der Spruch zu: Billige Dinge sind teuer.
Aber, was interessiert das Lobbyisten, die der Gesundheitsindustrie nur zu gerne zuarbeiten und die Frage ist auch berechtigt, warum Politiker solchem Wahnsinn (Macht von Großunternehmen und Konzernen) zuarbeiten, der nach immer demselben Muster schließlich schon viele Lebensbereiche okkupiert hat.