Zum Stadtschützenfest reitet Wilhelm Zwo über den Alten Markt
Red. Wickrath [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Gladbachs Schützen sollen ihren alten Kaiser Wilhelm wieder haben! Nicht für immer. Aber zum Stadtschützenfest (am 6. September) werden sie sich mit Seiner Majestät schmücken und damit eine historische Ungerechtigkeit gut machen. Denn Gladbach (obwohl aufstrebende Stadt der preußischen Rheinprovinz) war es nicht vergönnt, den Kaiser zu Lebzeiten höchstpersönlich zu feiern und in der Stadt willkommen heißen zu dürfen.
Dabei hatte das konkurrierende Krefeld Wilhelm II. gleich zwei Mal zu Besuch! Anlaß für die nachempfundene Kaiser-Visite ist ein Jubiläum. Vor 100 Jahren wurde Gladbachs imposanter Wasserturm eröffnet. Daran wollen die Schützen mit einem stilechten Wilhelm Zwo-Nachbau erinnern und Kaiser und Wasserturm am ersten September-Sonntag gleichermaßen hochleben lassen.
Gut und gerne 2.500 Schützen und Musikanten wollen Seiner Berliner Majestät zujubeln. Wie so was geht, hat der gastgebende Bruderrat in alten Akten aus Krefeld nachgelesen, woselbigst seine Majestät 1906 [Garnison: ab 01.04.1906 Krefeld] hoch zu Ross an der Spitze eines Husarenregiments [2. Westfälisches Hus.-Reg. Nr. 11] vorritt, vom Oberbürgermeister mit gesetzten Worten, von der OB-Tochter mit einem Gedicht und von der Bevölkerung mit Hurra-Rufen begrüßt wurde. Sodann sang ein Chor von 1400 Schulkindern.
Abends gab es Theater und dann noch ein Festmahl mit Riesentorte, die leider auseinander brach (da war der Kaiser aber schon weg). [Mehr zu preußischen Husaren-Regimenter bei: www.der-chronist.de]
Das Husarenregiment stellen diesmal Gladbachs Bruderschaften. Allerdings kommen die Husaren per pedes, weil die Schützen hierzulande bescheiden sind. Der Gast-Kaiser darf und kann (?) jedoch reiten.
Das hat er in denn Vorjahren schon bewiesen: Michael Schroeren schlüpft in die kaiserliche Uniform, setzt sich den Goldhelm auf und läßt sich den martialischen Schnurrbart ankleben. Schroeren, auch schon als „alter Fritz“ und Napoleon im Schützeneinsatz, läßt als kostümerfahrener Perfektionist derzeit klären, welche Orden Seine Majestät bei Gelegenheiten dieser Art getragen hat. Alles muß stimmen – auch das Lametta!
Zum kaiserlichen Hohenzollern-Gefolge gehören deshalb die Hochwohllöblichen aus Stadt- und Gesellschaftsspitze (die beiden Norberts – Bude und Post sind, unabhängig vom Wahlergebnis, in jedem Fall dabei (einer zu Pferd, der andere in der Kutsche, die seinen Namen trägt). Professor Gunter Konrad reitet als Reichskanzler Otto von Bismarck mit.
Ex-Oberbürgermeisterin Monika Bartsch gibt die Fürstin und Ehren-Oberbürgermeister Heinz Feldhege erinnert an seinen legendären Vorgänger Hermann Piecq (Ober-Bürgermeister 1921-1930 und Erbauer des Wasserturms). Zahlungskräftiges Geleit geben die beiden Banker Lothar Erbers (im Generalslook) und Hartmut Wnuck (als Finanzrat).
Rechtsanwalt Peter Backes gibt als Justizrat dem Gaul die Sporen – und auch die edlen Bürger Gert Kartheuser, Hans-Peter Jansen und Karikaturist Nik Ebert geben dem Kaiser standesgemäßes Geleit. In Claque und Frack. Neu dabei ist Polizeipräsident Hans-Herrmann Tirre, mit Pickelhaube Respekt verbreitend!
Bei den Schützen sorgen Generalfeldmarschall Klaus Schnock und Rittmeister zu Fuß Heinz-Josef Katz – beide mit (echtem) Wilhelm-Zwo-Bart und buntem Preußenrock – für die richtige Grundhaltung eines Kaisermanövers.
Dabei war der eigentliche Wasserturm-Festakt 1909 eher bescheiden. Denn statt des Kaisers kamen vor hundert Jahren – wie in Gladbach bis heute üblich – zu den beiden Wasserturm-Feiern die örtlichen Prominenten, die beim ersten Termin mit der neuen Straßenbahn anreisten und von draußen zuguckten, wie oben Herolde in mittelalterlicher Kluft ins Horn stießen. Beim zweiten Fest durften sie im hohen Turmsälchen, unter Musikbegleitung des Stadtorchesters, speisen.
Oberbürgermeister Hermann Piecq sprach launig aus 40 Meter Höhe und hatte den Überblick. Zitat: „Jetzt ist es uns vergönnt, unsere gute Stadt M. Gladbach aus den Lüften heraus zu sehen und in den fernsten Winkel hineinzuleuchten. Ich kann den Herren Stadtverordneten nur anheim machen, recht häufig hier herauf zu steigen, um nachzusehen, wo etwas steht und wo scheußlich gebaut wird.“
Stolz lobte er das Bauwerk, das „Jahrhunderte überdauern“ werde, und sah Gladbachs Zukunft golden – sofern die Stadt den Mut nicht verliere. „Wir wollen keine nachhinkenden Leute sein, sondern unsere Stadt muß für andere Städte ein Vorbild werden. Machen wir etwas Gutes und Schönes, so schreiten wir voran, sind wir aber ängstlich, so gehen wir zurück. Also mit Volldampf und Mut voraus!“ deklamierte er. Dann ließ er die Stadt hochleben. „unsere gute, alte, aber immer mehr sich verjüngende Stadt M. Gladbach, sie lebe hoch!“
Genau das wollen die vereinigten Bruderschaften um Schützenchef Horst Thoren auch wieder tun: Gladbach hochleben lassen! Und das am 6. September beim Stadtschützenfest. Der Kaiser reitet um 15 Uhr bei Festzug und Parade voran, zeigt sich mit Gefolge am Alten Markt, wo auch die Schützen um 16 Uhr paradieren.
Später wird auf dem Kapuzinerplatz angestoßen: Nicht mit Wasser (trotz des Wasserturm-Jubiläums), sondern mit würzigem Altbier und (mindestens) dreifachem „Hurra!“