Sozialverband VdK: Wir stehen vor großen Herausforderungen
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Gastredner auf dem Kreisverbandstag des VdK Mönchengladbach war der Geschäftsführer des VdK-Landesverbandes NRW Rechtsanwalt Thomas Zander. Er gab in einem von den Delegierten aufmerksam verfolgten Vortrag Einblicke in die aktuell anstehenden Themen, denen sich der VdK-Landesverband und damit auch die Kreisverbände zu stellen haben.
Hier ein Auszug aus dem Vortrag von Thomas Zander – exklusiv für die BürgerZeitung Mönchengladbach:
„Unser Sozialverband VdK in Nordrhein-Westfalen steht im Moment vor drei großen Herausforderungen:
Armutssituation
Bereits sehr lange befassen wir uns nachhaltig mit dem Thema Armut. Dazu haben wir im Herbst 2007 das 2. Soziale Forum NRW in Düsseldorf“ veranstaltet, mit dem wir namhafte Vertreter aus Wissenschaft und Politik an einen Tisch gebracht haben, um über Strategien zur Armutsvermeidung und Armutsbekämpfung zu reden.
Einer der wichtigen Gründe von Altersarmut in Deutschland sind die unregelmäßigen Erwerbsverläufe der Menschen. Während es bislang möglich war, auf 40, 45 oder zum Teil sogar noch mehr Beschäftigungs- und Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung zu kommen, erfolgt heute der Berufseintritt immer später.
Häufig treten dann während des Erwerbslebens Erkrankungen auf, die bei Beschäftigten ab dem 50. Lebensjahr die Gefahr von langfristiger Arbeitslosigkeit entstehen lassen. Auch hierzu ein Beispiel. Der einjährige Bezug von Hartz-IV-Leistungen bringt später einen monatlichen Rentenanspruch von 2,19 € im Alter.
Ein Langzeitarbeitsloser erwirbt also in 5 Jahren Arbeitslosengeld-II-Bezug nur einen Rentenanspruch von knapp unter 11 EURO monatlich. Uns muss klar sein, welche großen Auswirkungen dies später auf die Höhe der gesetzlichen Rente hat.
In 10 oder 15 Jahren werden wir deshalb in Deutschland vor viel schärferen Problemlagen bei der Altersarmut stehen als heute. Die Bedeutung des Begriffes Altersarmut werden wir deshalb in Zukunft viel schärfer zu spüren bekommen, als wir uns dies heute möglicherweise vorstellen können.
Diese Ãœberlegung leitet zu dem zweiten großen Thema über, mit dem wir uns im Moment in Düsseldorf beschäftigen:
Aktuelle Rentenerhöhung
Etwa seit Ostern diesen Jahres wird eine – wie ich meine unselige – Diskussion um die Erhöhung der Renten zum 01.07.2008 um 1,1 Prozent geführt.
Einige derjenigen, die sich da zu Wort melden, versuchen den Eindruck zu erwecken, als müsse man sich bei dieser Frage zwischen den Belangen von Jung und Alt, von Beitragszahlern und Rentnern, entscheiden und als bestünden hier Gegensätze. (Red.: siehe auch BZMG-Artikel http://www.bz-mg.de/index.php/12042008-was-erlauben-herzog-und-clement/)
Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit sagen: Das ist nicht so!
Zunächst die Situation der Renterinnen und Rentner: Sie haben 3 Jahre mit Nullrunden hinter sich (2004, 2005 und 2006) und im letzten Jahr eine magere Erhöhung von 0,54 Prozent erhalten.
Unabhängige Berechnungen – beispielsweise des Chef-Volkswirtes der UniCredit-Bankengruppe – belegen, dass die Rentnerhaushalte in der Bundesrepublik Deutschland reale Kaufkraftverluste von 8,5 Prozent in den vergangenen 4 Jahren hinzunehmen hatten.
Noch nicht einmal eingerechnet sind dabei die Mehrbelastungen, die durch Eigenbeiträge und gestiegene Beitragsanteile im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung entstanden sind.
Diesem Personenkreis eine Erhöhung von 1,1 Prozent zum 01.07. d. J. zuzugestehen kann deshalb nicht ernsthaft als „zuviel“ oder „unangemessen“ bezeichnet werden. Vor allen Dingen aber sollte einem hier keiner einreden, dass damit gegen die Interessen der jüngeren Generation gehandelt wird.
Denn einen Hinweis bleiben diejenigen, die sich zum Interessenwalter der jüngeren Generation erklärt haben, schuldig:
Auch die Beitragszahler sind in den Jahren 2004 bis 2006 von den Nullrunden und sind jetzt in 2007 und 2008 von den Mini-Anpassungen betroffen.
Denn es werden nicht nur die Renten zum 01.07. eines jeden Jahres angepasst – oder eben nicht – , sondern es erfolgt eine Anpassung der Rentenwerte der Entgeltpunkte, also vereinfacht gesagt, der Wertgutschriften der jeweiligen Anwartschaften der Beitragszahlerinnen und -zahler in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Jahre der Nullrunden waren deshalb auch Nullrunden für die Beitragszahler. Vereinfacht erkläre ich das immer so: Es ist, als würde man auf ein Sparbuch einzahlen und auch eine entsprechende Gutschrift hierüber erhalten, als wären aber diese Gutschriften 3 Jahre lang mit 0 Prozent verzinst worden.
Es ist klar, dass man am Ende dieser Periode auch in der gesetzlichen Rentenversicherung Kaufkraft bereinigt Verluste bei der Höhe der Anwartschaften hinnehmen muss. Mit diesem Mechanismus wird das Rentenniveau in den nächsten 22 Jahren in der Bundesrepublik auf einen Versorgungssatz von etwa 43 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohnes aus den Versicherungsjahren abgesenkt.
Dieser Zusammenhang wird aber von der Politik verschwiegen. Antworten darauf, wie die gesetzliche Rente als Lebensstandard sicherndes Alterseinkommen auch in 20 oder 30 Jahren noch zur Verfügung stehen soll, bleiben unbeantwortet.
Wenn wir also nicht wollen, dass die gesetzliche Rente auf das Niveau des Existenzminimums abrutscht oder eine Armutsgefahr entsteht – in Nordrhein-Westfalen geht unser Sozialministerium davon aus, dass man etwa ab einem monatlichen Haushaltseinkommen von 630 € armutsgefährdet ist – und wenn man will, dass die gesetzliche Rente auch in 20 und in 30 Jahren noch die wesentliche Einkommensart für Menschen nach Abschluss ihres Erwerbslebens ist, dann haben die Rentner und die Beitragszahler von heute ein gemeinsames Interesse: dass es jedes Jahr zu vernünftigen Rentenanpassungen kommt!
Und damit komme ich zum letzten und 3. Punkt:
Gesundheitsreform
Zum 01.01.2009 wird die Gesundheitsreform in Kraft treten, jedenfalls der Teil, mit dem der sog. Gesundheitsfonds als „Geldsammelstelle“ für die Kassenbeiträge der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung wirksam wird. Ab diesem Datum soll es einen Einheitsbeitrag geben.
Entgegen allen Ãœberlegungen und Versprechungen wird der durchschnittliche Kassenbeitrag nicht etwa bei 13,9 oder 14,4 Prozent liegen, sondern nach allen Informationen, die wir heute haben, wohl über 15 Prozent liegen. Damit ist das wesentliche Sparziel der Reform – jedenfalls aus Sicht der Versicherten – nicht mehr erreichbar. Auch ist nicht ersichtlich, für welche Probleme in unserem gesetzlichen Gesundheitswesen der Gesundheitsfonds eine Lösung bieten sollte.
Wichtig zu wissen ist aber noch etwas ganz anderes: In den nächsten 6 Jahren werden in Deutschland 36.000 Arztpraxen aus Altersgründen oder aus wirtschaftlichen Gründen abgegeben und suchen einen Ãœbernehmer. Es wird für niedergelassene Ärzte, die überwiegend Patienten aus der gesetzlichen Krankenversicherung betreuen, immer schwieriger, ein vernünftiges Auskommen zu finden. Heute ist für eine wirtschaftlich erfolgreiche Praxisführung erforderlich, etwa 1.000 Kassenpatienten zu behandeln.
Dies ist häufig nicht mehr der Fall, für junge Mediziner ist es nicht mehr wirtschaftlich vernünftig, eine Praxis mit all ihren Verpflichtungen zu eröffnen oder zu übernehmen. Dieser Effekt wird in ländlichen und bevölkerungsärmeren Regionen zuerst spürbar und zwar durchaus nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern auch bei uns in Nordrhein-Westfalen.
Wir stehen deshalb in den nächsten 5 bis 10 Jahren vor großen Umwälzungen, bei denen wir bspw. die Gründung von zentralen Gesundheitsagenturen und Gesundheitszentren erleben werden, bei denen mehrere Ärzte und andere Anbieter von Dienstleistungen aus dem Gesundheitswesen zusammenarbeiten und bei denen mit Hohl- und Bringdiensten aus dem Umland die Patienten angesprochen werden, die keine eigene hausärztliche Versorgung mehr in ihren Ortschaften haben.
Dieser Trend zeichnet sich zwar erst ab, wird aber, wenn wir nicht eine grundlegende Strukturreform in unserem Gesundheitswesen erleben, wohl unumkehrbar sein.
Den sozialen Wandel in allen 3 Bereichen konstruktiv zu begleiten und dabei die sozialen Interessen unserer Mitglieder, d. h. der Rentnerinnen und Rentner, der chronisch Kranken, der Behinderten und oftmals sozial schwächeren Bevölkerung wirksam zu vertreten, ist unser Anliegen.
Dafür, dass Sie im Kreisverband Mönchengladbach und in Ihren zahlreichen Ortsverbänden diese Arbeit ehrenamtlich leisten, möchte ich mich im Namen des Landesverbandsvorstandes und auch persönlich bei Ihnen bedanken.
Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit viel Kraft und Ausdauer und hoffe, dass Sie mir zustimmen, wenn ich sage:
Die sozialen Belange der Menschen in Nordrhein-Westfalen sind bei unserem Sozialverband VdK sehr gut aufgehoben!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“