Willi Wirtz malt sein Leben bunt
D. Pardon [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
„Wenn ich alle meine Bilder erklären könnte, wäre ich Schriftsteller.“ Warum Kunst erklären? Kunst fühlt man. Willi Wirtz malt nicht nur sein Leben bunt, er malt auch das der Neuwerker bunt. Ob den Neuwerkern das eigentlich so recht bewußt ist?
Bunte, vielfältige Wirtz-Spuren in Neuwerk:
Motivgläser des Jakob-Brunnen-Festes und Kalenderblätter mit Heimatmotiven finden sich in zahlreichen Neuwerker Haushalten
Der Schützenbaum am Neuwerker Marktplatz (Peter-Schumacher-Platz)
Kulissen des Neuwerker Puppentheaters
Darüber hinaus:
- Themenbilder „Die 7 Barmherzigkeiten“ in der Pfarrkirche Üdding
- „Kreuzwege“ in der Pfarrkirche Neuwerk
- „Niederrheinbilder“ und „Farbleitbilder“ für Demenzerkrankte im Ludwig-Weber-Haus (Ehrenstraße). Die Farbleitbilder entstanden in Zusammenarbeit mit Altenheimleitung, Fachkräften und Psychologen.
- Bilder „Licht in der Niederrheinlandschaft“ und Gestaltung des Aufenthaltsraums des Caritas-Hauses (Engelblecker Straße). Ein Gemeinschaftsbild von Heimbewohnern und Kindern des Bettrather Kindergartens entstand hier unter seiner Anleitung.
- Krippenbild der Pfarrkirche Neuwerk
- Gestalterische Beiträge zu Festschriften
- Bühnenbilder von Vereinen
- Schilder für Schützenfeste
- Ungezählte Vereinslogos und Entwürfe für Standarten
- Wandbilder in Einrichtungen, Gaststätten, Privathäusern
- …
Die Summe seines Schaffens ist unvorstellbar, er kann sie nicht mehr komplett aufzählen – und irgendwann war es ihm auch nicht mehr wichtig.
Seit 1971 gestaltet er immer wieder Ausstellungen – entweder alleine oder gemeinsam mit anderen Künstlern. Hier erfährt er Inspiration und fachlichen Austausch.
Von seinem Schaffensdrang und seinem offenen Herzen profitier(t)en die Neuwerker (und übrigens auch einige Einrichtungen über Neuwerk hinaus) im Laufe der Jahrzehnte also überreich. Es gibt kaum eine Gruppierung in Neuwerk, für die Willi Wirtz noch nichts gestaltet, gemalt, gepinselt, entworfen und kostenlos gearbeitet hätte.
Daneben säubert und restauriert er Gemälde und Figuren (auch in Kirchen) – diese Arbeiten gehören ebenfalls zu den „Arbeiten für Gottes Lohn“.
Und doch scheint’s, ist den Neuwerkern die Summe seines Schaffens nicht so recht bekannt. Vielleicht weil es so viel ist?
Oder so „selbstverständlich“?
Bezeichnend die Geschichte, als ein alter Mann ihn in der Kirche verprügeln wollte. Willi Wirtz besserte gerade das von ihm geschaffene Krippenbild nach. „Do hot sesch enner vel Möh met jejoave, lött’ste dat wohl blieve…“ Den Neuwerkern gefallen offenbar seine Werke, doch wer kennt den Künstler?
Das Haus des Künstlers kennen die, die wie selbstverständlich einen Zettel in seinen Briefkasten werfen „Wir brauchen bis….“ Und Willi macht.
Vielleicht sind die Menschen mit ihren Anforderungen und Umgangsarten auch ein Grund, warum Willi Wirtz immer wieder „Gesichter und Masken“ in seine Werke einfließen lässt.
Mit jeder herangetragenen Bitte „Willi, könntest du für uns…“ bahnt ungebremste Kreativität und Freude an Farben den Weg zum Ergebnis. Den künstlerischen Weg zu erfassen, fällt bei der Menge unterschiedlicher Wünsche, die im Laufe der Jahrzehnte an ihn herangetragen wurden, schwer.
Ein Blick ins Atelier genügt: man kommt aus dem Staunen, Gucken, Schauen und Erfassen nicht mehr heraus.
Erlebnisse und Geschichten zu vielen seiner Bilder und Werke kann er erzählen. Dabei erinnert er sich auch an Verletzungen, die er erfuhr. Aber auffallend ist, dass er diese nur kurz und nebenbei erwähnt, ohne Namen zu nennen, die schönen Erlebnisse dagegen ausführlich schildert, mit viel Herz.
Lebensweisheit und persönliche Entwicklung spiegeln sich in seinen Bildern. Wenn man sich dann noch die Zeit für ein Gespräch nimmt, empfängt man mehr als „nur ein Bild“ oder „nur einen Stein“.
Willi Wirtz verarbeitet seine Einstellung zu „Gott und die Welt“. „Kreuzansichten“ in der Pfarrkirche Neuwerk ist solch ein Beispiel. Ursprünglich als Kreuzweg begonnen blieb es nur bei vier Stationen. Schnell meditierte er beim Malen über das Thema „Kreuz“, zeichnete alles dazu auf, was ihm einfiel.
Bis 1989 stellte er großformatige Tuschezeichnungen fertig, passend zur Bibelstelle „Die 7 Werke der Barmherzigkeit“, als Dauerausstellung in der Pfarrkirche Üdding zu finden.
Welch aktueller Zeitgeist und welche Brisanz: ein Jagdflieger stürzt in ein Atomkraftwerk, einem verdorrten Baum gleich steigt Jesus empor.
Das Thema „Krieg“ entstand 1989. Seine Ehefrau verfasste zu dieser Zeit Meditationstexte für die Fastenzeit, die ihn tief bewegten.
„Für jedes Bild habe ich ein Tuschefläschchen verbraucht“, erinnert er sich. Und wie lange malt er an einem Werk?
„Ich male wie die Gedanken laufen“, meint er dazu. Mal wenige Stunden, mal viele Wochen. „Auf die Bildgröße kommt es dabei nicht an.“
Es gibt Bilder, die beginnt er, stellt sie in die Ecke und nach Wochen oder Monaten arbeitet er daran weiter. Ganz nach Stimmungslage und Eindrücken, die er empfängt. Da ist das Aquarell von 1969, das nur noch als Ausschnitt aus einem großen Bild existiert… („Den Rest habe ich fortgeworfen“)
… oder er überrascht mit einem Porträt von Beuys.
Doch meist arbeitet er sich an Themen, wie die Kreuzwege oder die sieben Barmherzigkeiten, regelrecht ab. Neben solch spirituellen Themenreihen gibt es noch viele weitere:
- Gesichter und Masken – ein Thema, das immer wieder aufgearbeitet wird.
- Türen und alte Häuser
- Heimatbilder
- Farben der Jahreszeiten
- Reisebilder, zum Beispiel: Farben der Provence
- …
Tuschezeichnungen und typische Heimatmotive standen am Anfang seiner Entwicklung. Die Klosterkirche Neuwerk kann er vermutlich mittlerweile mit verbundenen Augen zeichnen.
Aquarellzeichnungen folgten ebenso wie Ölgemälde, Zeichnungen mit Kohle und Kreide – eigentlich blieb nichts unausprobiert. Dabei sucht und findet er für seine Werke auch immer selbst den „passenden Rahmen“.
Graphische Zeichnungen finden sich mittlerweile nicht nur auf Leinwänden, auch Steine, Gegenstände und Wurzeln werden bemalt. Das Atelier ist zu klein, auch im Garten malt er sich und seiner Ehefrau das Leben noch bunter.
Dabei verliert er nicht den Bezug zur Natur – im Gegenteil. Garten, Spaziergänge und Ausflüge in die Natur geben ihm Kraft und Ideen.
„Dieser Baum steht an der Cloerather Mühle. Fühl mal…“, fordert er mich auf. Es fühlt sich rau und uneben an. „Ein Stück Rinde habe ich in die Farbe eingearbeitet. Ein Stück Baum im Bild…“.
Willi Wirtz gibt reichlich, hat nie was genommen: „Auf Verdienstorden und Auszeichnungen lege ich keinen Wert mehr, sie sind für mich ohne Wert.“
Kraft, auch mit menschlichen Enttäuschungen fertig zu werden und Motivation, immer weiter zu schaffen, schöpft er aus kleinen Begebenheiten.
So erinnert er sich an den Dank eines alten Mannes, der ihm im Ludwig-Weber-Haus begegnete: „Ich kann nicht mehr nach draußen laufen, schaffe gerade noch den Weg vom Zimmer zum Speisesaal. Aber mit Deinen Bildern vom Niederrhein gibst Du mir auch hier im Haus meine Heimat.“
Welchen empfindsamen Menschen würde das nicht berühren?
Den Verdienstorden, die Ehrung, die Willi Wirtz verdient hätte, müssen die Neuwerker erst noch erfinden.