Pionier im Textilmaschinenbau: Vor 70 Jahren starb Wilhelm Reiners, der Schlafhorst aufbaute
Hauptredaktion [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
„Ich bin Maschinenbauer; streicht die Maschine, dann bleibt der Bauer übrig!“ Dieses Zitat Wilhelm Reiners‘ zeugt nicht nur von Humor und Selbstironie.
In dieser Aussage spiegelt sich auch der Stolz des erfolgreichen Unternehmers auf seine Herkunft. Seine Familie stammt aus einem alten Bauerngeschlecht im Selfkant bei Aachen.
Mit Akribie erstellte er einen Familienstammbaum, der bis ins Jahr 1585 zurückreicht. Ebenso intensiv beschäftigte er sich in seiner Freizeit mit der rheinischen Heimatgeschichte. Mönchengladbach wurde zur Wahlheimat des Aacheners.
Wilhelm Reiners, der am 11. November 1873 in Aachen geboren wurde, machte nach dem Besuch der Volksschule eine Schlosserlehre. Dem schloss sich ein Studium an der Königlich-Preußischen Maschinenbauschule in Köln an, wo er 1896 das Ingenieurexamen bestand.
Die Familie übersiedelte schließlich nach Mönchengladbach – der Stadt, die als Standort einer aufblühenden Maschinenindustrie galt.
Dort erhoffte sich der junge Reiners beste Berufschancen. Der Bruder seiner Mutter, August Monforts, lebte ebenfalls hier. In seiner Maschinenfabrik fand Wilhelm Reiners jedoch keine Anstellung.
Er trat 1896 in die damals noch kleine Firma W. Schlafhorst ein, wo er die technische Leitung übernahm und die kleine Werkstätte führte. So ganz füllte den Mann mit den großen Ideen seine Beschäftigung damals wohl nicht aus.
Einmal beklagte er gegenüber einem Onkel August Monforts: „Der Laden ist mir zu klein.“ Dieser antwortete knapp: „Dann mach‘ ihn groß!“
Dies ließ sich der ehrgeizige und fleißige Wilhelm Reiners nicht zweimal sagen. Er krempelte den Betrieb um, stellte neue, fähige Leute ein und konstruierte kurz darauf die erste komplette Textilmaschine des Unternehmens.
Für mehrere Maschinen meldete er – mittlerweile Teilhaber der Firma – das Patent an. Wie erfolgreich die Produkte waren, belegen die vielen Auszeichnungen bei Ausstellungen, zum Beispiel Großer Preis und Goldmedaille bei der Weltausstellung 1913.
Zahlreiche Neukonstruktionen wurden über den deutschen Markt hinaus bis in die westlichen Nachbarländer, nach Polen, Russland und später bis nach Ostasien und Südamerika exportiert.
Der Betrieb wuchs kontinuierlich. Wilhelm Reiners zielte stets auf technischen Fortschritt und Wirtschaftlichkeit. Niemals verlor er dabei aber soziale Aspekte aus den Augen.
So setzte er sich für gerechte Löhne ein und förderte die Ausbildung der Jugendlichen.. 1919 errichtete er eine der ersten Lehrlingswerkstätten.
Neben Erfindergeist und sicherem Instinkt zeichnete Reiners unternehmerische Anpassungsfähigkeit aus.
So führte er das Unternehmen Schlafhorst, das er 1910 nach dem Ausscheiden Oskar Schlafhorsts als alleiniger Inhaber übernahm, sicher durch den Ersten Weltkrieg.
Er stellte einen Teil der Produktion auf Rüstung um und produzierte Granaten. Den schweren Verlust seines Maschinenparks durch die belgischen Besetzer verkraftete er schnell.
Ebenso die Ruhrbesetzung 1923 durch die Franzosen. Von den herben Rückschlägen im Zweiten Weltkrieg ließ sich der energische und willensstarke Unternehmer, der nach der nationalsozialistischen Machtübernahme von allen Ehrenämtern zurücktrat, ebenfalls nicht in die Knie zwingen.
Es galt, nach einem Bombenangriff am 30. August 1943 „zu retten, was zu retten ist“. Wilhelm Reiners, dem 1930 von der TH Aachen die Würde eines Doktor-Ingenieurs ehrenhalber verliehen wurde, arbeitete unermüdlich weiter. Auf einer Geschäftsreise erlitt der 70-jährige am 16. Dezember 1943 in Den Haag einen Herzinfarkt und starb.
In der Begründung für seine Ehrendoktorwürde hieß es, er habe „Pionierleistung auf dem Sektor des Webereivorbereitungsmaschinenbaus vollbracht.
Seine Maschinen haben das Ansehen des deutschen Imperiums und des deutschen Maschinenbaus in der Welt gehoben und gefestigt“.
Vorausschauend wie der geniale Unternehmer und leidenschaftliche Familienvater war – in der Ehe mit Johanna Scheins wurden sechs Kinder geboren -, sorgte er in seinem Testament für die Nachfolge im Betrieb. Sein Sohn Walter übernahm die Firma gut vorbereitet.
1952 drückte die Stadt Mönchengladbach ihre Anerkennung für Wilhelm Reiners dadurch aus, dass sie eine Straße im Stadtteil Holt nach ihm benannte.
So erinnert sie heute noch an den menschlichen Unternehmer, den Herbert Müller-Jena so beschreibt: „Wilhelm Reiners vereinigt in sich viele Züge des linksrheinischen Unternehmertums, das auf Bodenständigkeit, Solidität und fachlichem Können basiert, weitab jedenfalls von Machthunger und Gewinnsucht, aber auch sehr fern von jener Zwielichten Abenteuerlichkeit mancher Financiers und Konzernbauer aus seiner Zeit.“