Maria Hattemers (†) Erinnerungen zur Weihnachtszeit [mit O-Ton und Slideshow]
D. Pardon [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Bei der Zusammenkunft des VdK-Ortsverbands Neuwerk zum Jahresausklang erinnerte sich Maria Hattemer, geboren 1919, an ein Gedicht, das sie als Schulkind immer den Eltern und Geschwistern zu Weihnachten vortrug.
Damit überraschte sie auch ihre jüngste Schwester Sophie Hamacher (80), die gar keine Erinnerung mehr an dieses Gedicht hatte – so viele Jahrzehnte hatte ihre älteste Schwester es nicht mehr vorgetragen.
Eine beachtliche Gedächtnisleistung auch wegen der Länge dieses Gedichtes, dessen Verfasser unbekannt ist.
Das Gedicht
Als Kind hatte Maria Hattemer das Gedicht aus der Schule (oder war es ein Zettel von Bekannten? Sie weiß es nicht mehr so genau) nachhause mitgebracht und es immer wieder gelesen, bis sie es auswendig konnte. Maria Hattemer hat zwar altersbedingte Hörschwierigkeiten, trotzdem trägt sie das Gedicht sehr schön betont vor.
„Früher sagte der Lehrer immer „Sprich klar und deutlich!“, heute fehlen wohl solche Aufforderungen, viele Kinder nuscheln nur noch“, meint die 91-jährige, der man ihr hohes Alter nicht ansieht.
Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit für Maria Hattemer’s wunderschönen Vortrag über die Nöte eines kleinen Mädchens und einem glücklichen Ende:
[audio:11-12-11-hattemer-gedicht.mp3]Wem’s gefällt, der kann dieses Gedicht hier auch lesen.
Weihnachtszeiten
Welche Erinnerungen bewegen Maria Hattemer zur Weihnachtszeit?
Vater Fritz Pimpertz war Müller. „Wir hatten eine schöne Jugend, obwohl wir zuhause 11 Kinder waren.“
Ihre Eltern gehörten zu den ersten Bewohnern der Siedlung Engelbleck in Neuwerk und wohnten auf der Weberstraße Haus Nr. 20. Maria Hattemer zog nie von dieser Straße fort; heute wohnt sie im Nachbarhaus.
Wie kinderreich diese Siedlung einst war, läßt eine alte Fotographie aus den Anfängen der Siedlung erahnen.
„Mein Bruder Jakob, geboren 1922, ist auf dem Bild zu sehen (mittlere Reihe, 2. von links). Er war auf diesem Foto ungefähr 6 oder 7 Jahre alt“, überlegt Maria Hattemer. Das Bild wurde auf der Weberstraße aufgenommen und dürfte zu den ältesten Zeugnissen der Siedlungsgeschichte zählen.
Fritz Pimpertz verlor seine 1. Ehefrau 1918 im Kindbett. Drei Kinder wurden zu Halbwaisen und mußten versorgt werden.
„Meine Mutter war Dienstmädchen in einem herrschaftlichen Haushalt. Eine Schwägerin des Vaters war dort Wäscherin und brachte die beiden zusammen. Die Kinder waren im Waisenhaus und denen mußte ja schnell geholfen werden. Also haben meine Eltern Anfang 1919 geheiratet und ich war das erste Kind dieser Ehe.“
Noch sieben weitere Kinder sollten folgen. Traurig wird sie bei den Erinnerungen an die inzwischen verstorbenen Geschwister. „Drei Schwestern sind im letzten Jahr verstorben.“
„Mein Vater hat sich immer was Schönes ausgedacht zur Weihnachtszeit. Den Tannenbaum schmückte er selbst. Den Vormittag verbrachte er im Garten, währendem ich die Wohnung putzte“, erinnert sie sich weiter.
Die Gärten in der Siedlung Engelbleck dienten früher dem Anbau von Kartoffeln, Bohnen und verschiedenem Gemüse. Auch Kaninchen in Ställen und die Haltung von Hühnern und selbst von Ziegen war keine Seltenheit, bereicherten sie doch den Speiseplan der Bewohner.
Maria Hattemer erinnert sich, dass ihr Vater auch mal ein einzelnes Schwein im Nutzgarten hinter dem Haus aufzog.
„Wir Kinder trugen immer Gedichte unter dem Tannenbaum vor.“ Das war das Programm am Heilig Abend. Vater Fritz erzählte überhaupt gerne das ganze Jahr über seinen Kindern Geschichten.
„Über ein kleines Püppchen haben wir uns mehr gefreut als die Kinder heute über die größten und teuersten Geschenke“, meint Maria Hattemer. Anziehsachen für Puppen waren übliche Gaben am Heiligabend. Ein einzelnes Spielzeug brachte Freude für das ganze Jahr.
„Auch wenn wir nicht so viel Geld hatten, mein Vater war immer gut zu uns Kindern. Zum Nikolaus gab es immer einen Teller Lecker und meine Mutter sorgte natürlich für eine warme Mütze, Schal oder ein paar Schuhe.“
Der Vater
Maria Hattemer spricht besonders gerne von ihrem Vater. „Er versorgte in Kriegszeiten viele Nachbarn mit Mehl-Päckchen.
„Geh mal nach dem oder dem, klingel und leg das Päckchen einfach vor die Tür.“ Fritz Pimpertz machte nicht viel Aufhebens um seine Hilfsbereitschaft, er gab ganz einfach das, was er als Müller für Nachbarn abzwacken konnte.
Die Siedlung Engelbleck hat die Kriegstage unbeschadet überstanden, doch bleiben gerade die Kriegsjahre prägend im Gedächtnis.
„Im Krieg haben wir ganze Nächte im Bunker verbracht, am Fahres war früher ein Erdbunker, dort haben wir die Matratzen hingebracht und geschlafen“, erinnert sich Maria Hattemer und fügte hinzu: „Die Hin-und-Her-Rennerei war einfach unmöglich mit all den Kindern und dem nötigsten Zeug.“
Trotz der Kriegsjahre, den Entbehrungen, den Nöten, dem wenigen Geld in einem Haushalt mit vielen Kindern und aus heutiger Sicht beengten Wohnverhältnissen, blickt Maria Hattemer auf eine glückliche Kindheit zurück. Die Familie hielt immer fest zusammen.
Dies war auch möglich, weil viele der Geschwister und Angetraute als Erwachsene, so wie Maria Hattemer selbst, ebenfalls ihren eigenen Haushalt auf der Weberstraße in der Siedlung Engelbleck führten. Statt „Weberstraße“ wurde diese Straße früher deswegen scherzhaft „Pimpertzstraße“ genannt.
Erinnerungsfotos
Maria Hattemer hat noch mehr alte Fotographien aus ihrem Familienalbum hervorgesucht. „Früher wurden nicht so viele Aufnahmen gemacht“, meint sie. Umso wertvoller und erhaltenswerter sind diese Bilder von der Weberstraße.
Zum Vergleich diese Bildergalerie:
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„Es gibt auch heute viele arme Kinder“, meint Maria Hattemer, „aber so arm wie wir, das gibt es heute nicht.“ Zank und Streit gab es trotz des schmalen Geldbeutels nie im Hause Pimpertz und auch als Erwachsene verstanden sich alle Geschwister sehr gut.
Maria Hattemer’s Familie war arm, aber sie hatte eine reiche Kindheit mit liebevollen Eltern.
2.
si1402 schrieb am 8.01.2014 um 20:00 Uhr:
Ich bin froh, dass meine Oma Ria dieses Interview gegeben hat. Ich weiß, dass sie ein bisschen nervös war und sich Sorgen darüber machte, etwas zu vergessen. Wie man hören und lesen kann, war die Sorge unbegründet.
Jetzt ist Oma Ria nicht mehr da, aber Dank der Redaktion bleibt sie uns so ein kleines bisschen erhalten. DANKESCHÖN!
1.
anba schrieb am 29.12.2011 um 12:24 Uhr:
Herzlichen Dank an die Redaktion für das Interview und diesen schönen Artikel über meine Oma und das Leben auf der „Pimpertzstraße“.