„Erinnern für die Zukunft“ – Gedenken an die Pogromnacht den 9. November 1938 im heutigen Mönchengladbach [mit O-Tönen]

Bernhard Wilms [ - Uhr]

DSC00840[11.11.2011] Im Rahmen einer Gedenkfeier erinnerten sich über einhundert vornehmlich Rheydter Bürger an die Pogromnacht des 9. November 1938 (auch „Reichschristallnacht“ genannt) als vom Nazisystem in ganz Deutschland jüdische Synagogen angezündet und in Schutt und Asche gelegt wurden und die offene Judenverfolgung begann.

DSC00901DSC00897An der Gedenkstätte der Rheydter Synagoge Ecke Wilhelm-Strater-Straße/Werner-Gilles-Straße in Rheydt lagen zwei Kränze – einer von der Stadt Mönchengladbach und ein weiterer von den christlichen Gemeinden aus Rheydt.

An dieser Stätte erinnerten OB Norbert Bude und die Vorsitzende der Mönchengladbacher Jüdischen Gemeinde, Leah Floh, an die damaligen Ereignisse.

DSC00835Begleitet wurde das Gedenken von einem Bläserquartett der Mönchengladbacher Musikschule mit Margarita Schweng-Osterloh, Renate von Gehlen, Maria Kreuels und Annette Bauernfeind-Gormanns.

DSC00842Zu Beginn seiner Gedenkrede erinnerte OB Bude an die etwa 1.300 jüdischen Bürger, die 1933 auf dem heutigen Mönchengladbacher Stadtgebiet lebten. Fast die Hälfte von ihnen wurden zumeist nach Deportation durch den nationalsozialistischen Terror ermordet.

Rund 600 emigrierten, weniger als 30 Mönchengladbacher Juden überlebten den Holocaust.

Die Opfer seien nicht anonym gewesen. Sie hatten einen Namen, ein Gesicht, eine Biographie. Es waren Nachbarn, Kollegen, Mitschüler, der Arzt nebenan, der Ladenbesitzer, bei dem man einkaufte, und die Kinder, die auf der Straße spielten. Sie alle hätten durch die Nazis unvorstellbare Gewalt erlebt. Ihr Leben habe sich „schlagartig“ – im übertragenen wie im eigentlichen Sinne dieses Wortes – verändert.

Bude erinnerte aber auch an die vielen anderen Menschen, die nicht in die „Schablonen“ der Nazis gehört hätten. Bude wörtlich: „Ziel des nationalsozialistischen Terrors waren neben den Juden auch weitere Gruppen, die nicht in die Schablone des Faschismus passten oder sich ihm widersetzten: Sinti und Roma, engagierte Christen, Sozialdemokraten, Kommunisten, Humanisten und Pazifisten. Und all jene, die – wie etwa Homosexuelle oder geistig Behinderte – nicht die Nazi-Kriterien von  sogenannter„Volksgesundheit“ erfüllten. Auch diesen Opfern gilt unser heutiges Gedenken.“

Man könne heute – aus sicherer Distanz – zwar fragen, was „wir für richtig halten und wie wir damals womöglich agiert hätten“. Wissen könne man es aber nicht.

„Wissen können wir nur, wie wir uns heute verhalten. Und genau da liegt unsere Verantwortung“, so Bude.

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Hilde Sherman-Zander, die März diesen Jahres verstarb, beschrieb in ihrem bewegenden Buch „Zwischen Tag und Dunkel, Mädchenjahre im Ghetto“ ihre Erlebnisse, die Judenverfolgung im Rheinland und ihre Deportation in das Ghetto von Riga.

Aus einem Kapitel, das ihre Erlebnisse aus der Nacht des 9. November 1938, in der die Synagoge in Wickrathberg angezündet wurde, schilderte, zitierte OB Bude:

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Abschließend wies Bude u.a. auf die Aktionen, wie den „Zug der Erinnerungen“, die mittlerweile 228 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig und das Mönchengladbacher Bündnis „Aufstehen! – für Menschenwürde – gegen Rechtsextremismus“ hin:

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DSC00871Die beiden Mitarbeiter der Stadtverwaltung, Katharina Braczynski und Christian Spormann, berichteten über einen Besuch in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem im Oktober 2010.

Christian Spormann hat der Besuch der Gedenkstätte über das Wissen aus den Medien, Literatur und Überlieferungen hinaus dem Verstehen der Geschehnisse näher gebracht. Gedenkstätten wie Yad Vashem seien dazu geeignet, aus der Vergangenheit zu lernen, mahnten zu Mitgefühl und Toleranz gegenüber den Mitmenschen und dazu, nicht wegzusehen und zu schweigen:

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Für Katharina Braczynski beschrieb die Aufgaben von Yad Vashem. Den Besuch der Gedenkstätte empfand Sie als eine „Reise in die deutsche Geschichte“. Sinn der Ausstellung sei, mehr vom Leben der einzelnen Opfer zu berichten, als von ihrem Tod.

Besonders berührt habe sie die Kindergedenkstätte, die an die 1,5 Million ermordeten Kinder erinnert:

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DSC00876Die Vorsitzende der Mönchengladbacher jüdischen Gemeinde Leah Floh, die mittlerweile wieder über 700 Mitglieder hat, erinnerte in ihrer eindrucksvollen Gedenkrede nicht nur an die Reichschristallnacht.

Sie erinnerte auch daran, dass schon in frühen Jahren (ab 1895) auf dem heutigen Mönchengladbacher Stadtgebiet die Einladung zur Einweihung von Tora-Rollen (eine Rolle aus Pergament, auf der die fünf Bücher in hebräisch von Hand aufgeschrieben sind und aus der in jüdischen Gottesdiensten gelesen wird) von damaligen Bürgermeistern abgelehnt worden sei.

Floh kritisierte, dass manche Medien, den 9. November nicht nur auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 reduzieren haben wollen, sondern auch auf andere geschichtliche Ereignisse (jeweils am 9. November) bis hin zum Mauerfall 1989 hinwiesen.

Wie kam es damals zu der Entwicklung? Floh stellte „Warum die Deutschen und warum die Juden?“ Sie erklärte die Entstehung des damaligen Antisemitismus und in der Folge den Boykott jüdischer Firmen und Geschäfte durch die öffentlichen Verwaltungen ab 1933.

Sie erinnert daran, dass die von SA-Leuten angezündete Synagoge in Mönchengladbach nicht gelöscht werden konnte, weil die Feuerwehr daran gehindert wurde. In Rheydt habe die Feuerwehr beim Brand der Synagoge die Nachbarhäuser geschützt und die Synagoge dem Feuer überlassen.

Abschließend wies Leah Floh auf ein Versprechen hin, für einen symbolischen EURO ein Gebäude für eine neue Synagoge und ein jüdisches Gemeindezentrum, erwerben zu können. Man werde warten …

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DSC00887Zum Ende der Veranstaltung sprach Georg Steindler das Gebet „Kaddish“, eines der wichtigsten Gebete im Judentum, in hebräischer und deutscher Sprache

[audio:11-11-09-gedenken-pogrom-rheydt-07-georg-steindler.mp3][ca. 2 Min]

DSC00892… und sprach Igor Kossjanski das Gebet „El Maler Rachamin“ (ebenfalls in Hebräisch und Deutsch):

[audio:11-11-09-gedenken-pogrom-rheydt-08-el-maler-rachamin.mp3][ca. 2 Min]

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Weiteres zu diesem Themenkomplex:

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pfeil-rechts1http://www.bz-mg.de/stadtbezirk-west/wickrath/spd-wickrath-weitere-aktion-gegen-rechts-spd-wickrath-gedenkt-der-familie-albert-zander-mit-einem-stolperstein.html

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pfeil-rechts1http://www.bz-mg.de/brauchtum-gesellschaft-menschen/inclusion-integration-nachbarschaft/aktionswochen-fur-freiheit-und-menschenrechte-in-monchengladbach.html

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Ein Kommentar zu “
„Erinnern für die Zukunft“ – Gedenken an die Pogromnacht den 9. November 1938 im heutigen Mönchengladbach [mit O-Tönen]”
  1. Der Terror einer Dikatur trifft letztlich alle:
    http://www.bz-mg.de/geschichtliches-historisches/stolperfallen-2.html

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