60 Jahre Vereinigte Städtische Bühnen Krefeld und Mönchengladbach: eine Erfolgsgeschichte

Red. Kunst & Kultur [ - Uhr]

logo-vsb[pmg] Die Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach, die älteste Theater-Ehe Deutschlands, feiert diamantene Hochzeit: Am 19. April jährt sich der Tag des Ja-Wortes zum 60. Mal. Allerdings:

Wenn man sich mit der Geschichte dieser Theaterfusion befasst, alte Zeitungs- oder Festschriftartikel liest und Zeitzeugen befragt, dann fällt auf, dass bei dieser Eheschließung selten von einer Liebesheirat die Rede ist.

Der derzeitige Generalintendant Jens Pesel beschrieb in der 50-Jahre-Festschrift „Habe nun, ach…“ das interkommunale Treiben dergestalt, „dass die chaotischen Fusionsverhandlungen damals eher Konfusionsverhandlungen glichen, die sogar Beleidigungsklagen nach sich zogen“.

Gern wird diese Verbindung auch als „Zweckbündnis“ bezeichnet.

Heute wissen wir, dass aus der „wilden Theaterehe“ eine äußerst stabile und sturmerprobte Beziehung wurde, die am 19. April 1950 mit der Unterzeichnung des Fusionsvertrages ihren Anfang nahm.

Einen Monat zuvor wurde der seit 1925 bestehende Zweckverband der Städte München-Gladbach und Rheydt aufgelöst.

Dreimal insgesamt wurde in den letzten sechs Jahrzehnten, mal von der einen, mal von der anderen Seite, die „Scheidung“ eingereicht. „Die Trennung konnte dank der großen Dialogfähigkeit beider Städte immer wieder verhindert werden“, so Pesel.

Rückblickend sagt er: „Heute, 60 Jahre später, feiern wir eine funktionierende Ehe mit gleichberechtigten Partnern. Eine einzigartige Leistung, auf die viele Beteiligte stolz sein dürfen. Dank schulden wir vor allem jenen vorausschauenden, kunstengagierten und verantwortungsbewussten Menschen, die vor 60 Jahren die Notwendigkeit sahen, den Bestand der Bühnen operativ und dauerhaft zu sichern.“

Mönchengladbachs Oberbürgermeister Norbert Bude bewertet die interkommunale Zusammenarbeit damals wie heute als beispielhaft: „Die Städte Krefeld und Mönchengladbach sind zwei starke Partner in der Region Mittlerer Niederrhein.

Zusammenarbeit über die Stadtgrenzen hinaus praktizieren wir auf verschiedenen Ebenen. Besonders eng ist die Verbundenheit aber durch die gemeinschaftliche Trägerschaft der Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach.

Heute, 60 Jahre nach der Gründung des lebendigen Gemeinschaftstheaters, können wir sagen: Das Konzept hat sich auch und gerade in turbulenten Zeiten einer dramatischen Finanzsituation der Städte bewährt und ist zum Erfolgsmodell geworden.

Keine vergleichbare Fusion in Deutschland hielt so lange.

Krefeld und Mönchengladbach haben es geschafft, bis heute ein anspruchsvolles und attraktives Drei-Sparten-Theater zu erhalten, von dem Menschen aus einem großen Einzugsbereich, der bis in die Niederlande reicht, aber auch das Image beider Städte selbst profitieren.“

Dabei stand vor sechs Jahrzehnten das ganze Unterfangen noch eine Woche vor dem Vertragsabschluss auf Messers Schneide: Mit nur einer Stimme Mehrheit (22 : 21) beschloss der Mönchengladbacher Rat (damals noch München-Gladbach) am 12. April 1950, die Theater-Ehe mit Krefeld einzugehen.

Die ersten Premieren des Gemeinschaftstheaters waren dann am 27. September 1950 Georges Bizets „Carmen“ in der Mönchengladbacher Kaiser-Friedrich-Halle und am 29. September 1950 William Shakespeares „Othello“ in der Aula des Krefelder Lyzeums, dem heutigen Ricarda-Huch-Gymnasium.

Wie es sich für ein junges Paar gehört, folgten sodann Nestbauaktivitäten: In Krefeld gab’s zunächst die „Kulturscheune“, die 1952 auf dem vormaligen Parkhofplatz und jetzigen Theaterplatz eröffnet wurde.

Die Mönchengladbacher zogen mit den Planungen für ein neues Schauspielhaus an der Hindenburgstraße nach – der Spielbetrieb begann dort 1958.

Anfang der sechziger Jahre entstand in Krefeld an der Stelle der Kulturscheune ein Theaterneubau, das 1963 mit Mozarts „Don Giovanni“ eingeweihte Stadttheater.

Zu Beginn der achtziger Jahre kam es dann zum ersten Ehekrach:

„Ein neuer Fusionsvertrag zwischen Krefeld und Mönchengladbach wurde 1983 nach mühsamen Verhandlungen verabschiedet, weil die bisherige Vereinbarung durch die überraschende einseitige Kündigung durch den Mönchengladbacher Oberstadtdirektor nötig geworden war“, erinnert Pesel.

Grund war der Mönchengladbacher Wunsch, durch die Verlagerung des Musiktheaters nach Rheydt volle Parität in der Theatergemeinschaft zu erlangen.

Im Herbst 1984 wurde das (damalige) Opernhaus an der Odenkirchener Straße mit Alban Bergs „Lulu“ eröffnet.

Zehn Jahre später drohte erneut die Scheidung, denn „1993 kündigte die Stadt Krefeld den Theatervertrag auf – aus finanziellen Gründen und um eine bessere Position in der ‚Ehe‘ zu erstreiten“, wie Friederike Bernau in ‚die Heimat 71/2000′ schreibt.

Das Resultat: Viele Arbeitsplätze gingen verloren, alle Sparten blieben jedoch erhalten. Bernau: „Aber es war knapp.“

Pesels Vorgänger Wolfgang Gropper (1991-1996) musste zum Ende seiner Amtszeit einen weiteren herben Schlag hinnehmen: Das Mönchengladbacher Schauspielhaus an der Hindenburgstraße wurde geschlossen und an ein privates Musicalunternehmen vermietet. Fortan gab es in Mönchengladbach nur noch ein Haus: das „Theater Mönchengladbach“ an der Odenkirchener Straße.

In den vergangenen 14 Jahren stand Jens Pesel als Kapitän am Ruder des Theater-Dampfers und auch ihm gelang es, das Schiff erfolgreich an Klippen vorbei und durch Untiefen zu manövrieren. Auch wenn die Zeiten mitunter sehr stürmisch waren und auch das Klima häufig sehr rau war.

So standen seine Intendanzjahre sehr oft unter heftigen Sparanstrengungen.

Ganz besonders turbulent ging es 2009 zu, denn nachdem die Vereinigten Städtischen Bühnen im Herbst 2008 aufgrund der Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst mit massiven Finanzproblemen zu kämpfen hatten, gelang es in den ersten Monaten des neuen Jahres der Theaterleitung gemeinsam mit den Vertretern der Trägerstädte Mönchengladbach und Krefeld, die drohende Insolvenz des Gemeinschaftstheaters abzuwenden.

All das hielt diese Ehe – neben den ganz praktischen Herausforderungen, die die Umbauspielzeiten im TaZ in Krefeld sowie im TiN in Mönchengladbach mit sich brachten – diamantenhart aus.

2010 nun wird sicherlich ein Jahr großer personeller und struktureller Veränderungen: Im Sommer übergibt Jens Pesel die Generalintendanz an seinen im Herbst 2008 gewählten Nachfolger Michael Grosse, und zudem wird damit begonnen, die im Actori-Gutachten empfohlenen Maßnahmen wie beispielsweise die Umwandlung der GbR in eine gGmbH umzusetzen.

Dabei stützt sich Grosse für seine mittelfristige Planung auf ein von den beiden Städten und der Theaterleitung vereinbartes Konzept mit dem Titel „Theater mit Zukunft“.

Mönchengladbachs Oberbürgermeister Norbert Bude sieht diese Entwicklung positiv: „Ich bin mir sicher, dass mit der derzeitigen Umstrukturierung des Theaters die Weichen für die Zukunft im positiven Sinne gestellt
werden.“

Christian Tombeil, stellvertretender Generalintendant dazu: „Durch die erfolgte Festschreibung der Zuschüsse beider Städte in einer Höhe von jeweils rund 11,45 Millionen Euro bis 2014/15 hat das Theater eine enorme Planungssicherheit erfahren“.

Derzeit wird an der inzwischen 17. Novellierung des Theatervertrages seit Bestehen der Ehe gearbeitet.

Die Verträge, die unter anderem eine neue Rechtsform als gGmbH und die Übertragung des spielfertigen Hauses an das Theater vorsieht, sollen im Sommer den beiden Räten vorgelegt werden.

Auch Krefeld Oberbürgermeister Gregor Kathstede sieht die Vereinigten Städtischen Bühnen als Erfolgsgeschichte: „Diese Theater-Ehe hat sich künstlerisch wie finanziell für beide Kommunen und ihre Bürger bewährt. Während in unserer Region und im Land ein großflächiges Theatersterben droht, haben die Städte Krefeld und Mönchengladbach im vergangenen Jahr gemeinsam wegweisende Entscheidungen für den sicheren Fortbestand der Häuser und ihrer Ensembles auf den Weg gebracht. Es war eine gemeinsame Kraftanstrengung. Es musste gespart werden. Wir wollten, und das war stets das Ziel, die Häuser in ihrem vorhandenen Angebot nicht einschränken, sprich, keine Sparte schließen. Das ist uns in enger Zusammenarbeit mit dem Theater gelungen“.

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