Schulentwicklungsplanung: Weiterführende Schulen – Wie geht es weiter?
Red. Schule, Studium & Arbeitswelt [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Die Antwort kann man auch kurz fassen: warten wir bis nach der Wahl, denn im Herbst wird Kultur-, Sport- und Schuldezernent Dr. Fischer (CDU) ein Gesamtkonzept vorstellen.
Weder zeigten mehrheitlich die Parteien, noch die in ihrer Funktion als beratende Mitglieder dem Schulausschuss beisitzenden Schulleiter sonderlich viel Interesse, dieses emotional-beladene Thema vor der Kommunalwahl noch einmal konstruktiv anzugehen.
Wer glaubte, dass die Mehrheit sich zumindest zu richtungsweisenden politischen Aussagen bequemte, um dem Schuldezernenten auch die Richtung vorzugeben, sah sich getäuscht.
Obwohl: keine Vorgabe ist auch eine Vorgabe, denn Schuldezernent Dr. Fischer gilt wohl unter Insidern eher als konservativer Verfechter des 3-gliedrigen Schulsystems und konsequenter Ablehner einer weiteren Gesamtschule. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte die Richtung so gesehen doch klar sein.
Nun zur Schulausschusssitzung am 01.04.2009 so ablief, damit Sie sich ein eigenes Bild von der Situation der weiterführenden Schulen in unserer Stadt machen können:
Dr. Fischer verwies auf die bekannte demographische Entwicklung mit einem diesjährigen Schülerrückgang von ca. 8,5% in der Sekundarstufe I und präsentierte zusammenfassend folgende Anmeldeergebnisse der weiterführenden Schulen für das Schuljahr 2009/10:
- die Gymnasien würden diesjährig mit ca. -3% Rückgang einen relativ stabilen Zulauf aufweisen,
- die Realschulen hätten (trendgerecht) ca. -8% und
- die Hauptschulen ca. -18% weniger Schüleraufnahmen.
Bei den Gesamtschulen verwies Dr. Fischer auf einen Rückgang von ca. -6%.
Dr. Fischer sagte zu, dass in dem von ihm noch zu entwickelnden Schulkonzept auch die Versorgung integrativer Lerngruppen berücksichtigt wird.
Ebenso wird die Förderschullandschaft dahingehend betrachtet, ob Platzprobleme möglicherweise gelöst werden können.
Diese „vergessene“ Schulform weißt seit Jahren (traurigerweise) stabile bis steigende Zahlen auf. Die Gründe reichen von „Elternhaus ist Schuld“ bis „selektives Schulsystem“.
An dieser Stelle könnte die Vorstellung des Konzepts noch für Zündstoff sorgen:
- Soll die Situation der Förderschulen als gegeben hingenommen und schlicht den Platzbedarf durch leere Hauptschulgebäude bedienen?
- Oder gibt es sonst noch ergänzende Maßnahmen, vielleicht im Verbindung mit dem Jugendamt im Rahmen aufsuchender Familienhilfe, außerschulischer Hausaufgabenbetreuung, Schulschwänzerprogramme etc.?
- Ist das 3-gliedrige Schulsystem für die Zunahme der Förderschüler verantwortlich, von welchen Schulen kommen überhaupt diese Schüler?
SPD und Bündnis 90/Grüne beantragten jeweils in separaten Anträgen die Erarbeitung jenes Schulkonzeptes, das Dr. Fischer bereits eingangs zusagte, jedoch mit konkreten Vorgaben:
Beide Fraktionen forderten Planungssicherheit (Benennung zukunftssichernder Schulstandorte) und Berücksichtigung des Elternwillens. In Ihrer mündlichen Begründung des Antrags verwies Monika Schuster (SPD) auch auf die (spätestens seit Aufgabe des Gymnasiums Neuwerk vor 5 Jahren) bekannte Tatsache hin, dass mittelfristig auch die Schließung eines weiteren Gymnasiums abzusehen ist.
Die Grünen gehen hier einen Schritt weiter: sie forderten auf der Basis des bekannten Schulentwicklungsplans die Aufgabe des Gymnasiums Rheindahlen, die Reduzierung der Hauptschulstandorte auf 5 bis 6, sowie die Errichtung einer 6. Gesamtschule in Rheindahlen und Benennung weiterer Gesamtschulstandorte. Diesem weitestgehend konkreten Antrag der Grünen wollte allerdings auch die SPD in der Abstimmung nicht folgen.
CDU-Schulausschusssprecher Herbert Backes möchte erst einmal das Gesamtkonzept der Verwaltung abwarten und verwies im übrigen auf die Hauptschuloffensive der CDU-NRW.
„Wir geben der Verwaltung nur Knackpunkte vor, die zu lösen sind fern von jeder Ideologie. Ihre Schulpolitik ist ein Scherbenhaufen, 45 % der Kinder kommen nicht bei der Schulform an, die gewollt ist. Wir leisten uns eine Schulpolitik, die eine Differenzierung in den Hauptschulen nicht mehr zulässt, die finanzielle Mittel verschwendet durch Investitionen in Gebäude, die möglicherweise aufgegeben werden müssen“, entgegnete Gerd Schaeben (Bündnis90/Grüne).
„Und Sie machen keine ideologische Schulpolitik?“, fragte ihn Backes daraufhin. „Nein“, so Schaeben. „Wir wollen keine Hauptschulen abschaffen, die Landesregierung verhindert dagegen neue Gesamtschulen. Diese werden allgemein ganztags geführt, allen anderen weiterführenden Schulformen wird ein Ganztagsbetrieb bewilligt, neuen Gesamtschulen aber nicht mehr.“
Monika Schuster (SPD) bemängelte, dass die Verwaltung auf die bekannte Entwicklung viel zu spät mit dem in Aussicht gestellten Herbst-Gutachten reagiert. Das stimmte nicht so ganz.
Dr. Fischer hatte bereits im letzten Jahr die Schließung von Hauptschulen zur Stabilisierung der anderen Hauptschulen angeregt, jedoch konnte sich die CDU zu diesem Schritt nicht entschließen und zog die „Vogel-Strauss-Politik“ vor. Schließlich möchte man sich ja keine Wähler verprellen.
Gerd Schaeben (B90/Grüne) fand auch unter diesem Aspekt deutliche Worte: „Ich finde es nicht gut der Verwaltung die reine Verantwortung zuzuschieben. Politische Vorgaben sind notwendig als verantwortliche Partei. Die Umfragen widerlegen im übrigen, dass nicht der Ganztagsbetrieb, sondern die Schulform entscheidend für die Eltern ist.“
Dem mochten in der Abstimmung allerdings CDU, FDP und FWG nicht folgen, die beratenden Schulleiter mahnten einen einvernehmlichen Weg zum Wohle aller Kinder an, gleich welcher Schulform. Einig war man sich jedoch, dass das Gesamtkonzept rechtzeitig vor dem nächsten Anmeldetermin vorliegen soll.
Die in dem SPD-Antrag geforderte Respektierung des Elternwillens und damit verbundene Erweiterung des Gesamtschulangebots bei der Umsetzung des Konzeptes wurde nur von den Grünen mitgetragen, alle anderen Parteien lehnten dies ab.
Den bisherigen Ergebnissen nach, werden an 6 Hauptschulen nur noch eine Eingangsklasse gebildet werden, zwei zittern noch, ob überhaupt genügend Schüler für eine Klasse angemeldet werden (der Sitzungstermin war auch der letzte Termin für den Prognoseunterricht, erst nach den Osterferien ist das Anmeldeverfahren endgültig abgeschlossen). Wenn 18 Schüler an einer Hauptschule angemeldet werden, bleibt diese allerdings auch 1-zügig (zumindest vorerst) bestehen. „Die Zulassung einer 1-Zügigkeit ist fast fahrlässig und die Politik hierfür verantwortlich“, so Gerd Schaeben (Bündnis 90/Grüne). Auch Dr. Fischer stimmte dem Schulausschussvorsitzenden Ulrich Elsen (SPD) zu: „Eine 1-zügige Hauptschule ist auf Dauer nicht haltbar.“
Dr. Fischer prognostizierte für die nächsten beiden Schuljahre Zahlen auf dem diesjährigen Niveau, aber zum Schuljahr 2012/13 käme nochmals ein deutlicher Einbruch von Schülerzahlen für das 5. Schuljahr.
Die für den Herbst angekündigte Vorlage eines Gesamtkonzepts dürfte für Spannung sorgen nach dem Motto „wer kann das beste Rededuell liefern?“.Für die Eltern dürften die Aussichten weniger spannend sein. Das könnte passieren:
- Dr. Fischer fördert in höherem Maße integrative Klassen, was grundsätzlich gut wäre und viel zu lange vernachlässig wurde – und vor allen Dingen rechtens ist. Dadurch werden die Klassen kleiner, Schulen sind leichter zu erhalten, die derzeitige städtische Schullandschaft kann so trotz rückgehender Schülerzahlen stabilisiert werden.
- Einzügige Hauptschulen werden mit benachbarten Hauptschulen erst kooperieren und zur Stabilisierung der übrigen Hauptschulen gesteuert auslaufen.
- Förderschulen bekommen mehr Platz durch Nutzung frei werdender Hauptschulgebäude.
- Die Schließung eines Gymnasiums zur Stabilisierung der übrigen Gymnasien wird dem Markt, also den Anmeldeergebnissen, überlassen. Möglicherweise wird ja das schon seit Schließung des Gymnasiums Neuwerk unter rückgehenden Schülerzahlen leidende Gymnasium Rheindahlen sich auch über das integrative Angebot erst einmal weiter retten; das Schuljahr 2012/13 wird den weiteren Weg zeigen…
- Eine 6. Gesamtschule wird es nicht geben, denn diese würde zu stärkeren Einbrüchen bei den Realschulen führen (44% der abgewiesenen Schüler haben Realschulempfehlung, 8% gymnasiale Empfehlung). Nebenbei bemerkt zeigen die Zahlen auch, dass die Gesamtschulen „nur“ 20% Kinder mit reiner Hauptschulempfehlung aufgenommen haben, sie also nicht „die bessere Hauptschule“ sind, wie im allgemeinen erzählt wird (siehe hierzu unser Bericht „Wie sind die Anmeldeergebnisse des ersten Termins?“)
Vermutlich wird abgewartet, ob die Ganztagsoffensive bei den Haupt-, Realschulen und Gymnasien in Verbindung mit sinkenden Schülerzahlen auch zu weiterer sinkender Nachfrage nach Gesamtschulplätzen führt. Den Eltern abgewiesener Gesamtschulkindern wird das allerdings zwischenzeitlich nichts nutzen.
Fazit unserer Prognose: Im Prinzip bleibt alles beim alten und die Stadt spart künftig am Unterhalt von Schulgebäuden.