Designierter schulpolitischer Sprecher der Linken für den Landtag zu Gast in Mönchengladbach • Marc Mulia zeigt Schwachstellen in der rot-grünen Schulpolitik auf [mit Audio]

Bernhard Wilms [ - Uhr]

[01.05.2017] Wie FDP und CDU übt auch die Partei DIE LINKE erhebliche Kritik an der Schulpolitik der rot-grünen NRW-Landesregierung.

Um etwas Licht in das Dunkel dieses sensiblen Themas und die Positionen der Linken zu bringen, hatten Mönchengladbacher Linken den designierten schulpolitischen Sprecher – so die Linke es am 14.05.2017 in den Düsseldorfer Landtag schaffen sollte – Marc Mulia zu Vortrag mit anschließender Diskussion eingeladen.

Torben Schultz, Landtagskandidat der Linken für den Wahlkreis 49, hatte mit mehr als die etwa 25 erschienen Teilnehmer gerechnet, meinte jedoch, dass es u.a. daran lag, dass am selben Abend (25.04.2017) die Borussen ein Europapokalspiel auszutragen hatten.

In der Tat hätten die Ausführungen Mulias eine größere Zuhörerzahl verdient gehabt.

Dies auch vor dem Hintergrund, dass Mulia selbst Studienrat ist, 10 Jahre lang als Lehrer an einer Duisburger Schule tätig war und aktuell u.a. in der AG Schulforschung an der Ruhr-Universität beschäftigt ist.

Darüber hinaus erstellte er im Auftrag der Rosa-LuxemburgStiftung eine Studie unter dem Titel „Nach dem NRW-Schulkonsens: auf dem Weg zu einer Schule für alle?“, in der die Verhältnisse einer kreisfreien Stadt (Krefeld) und eines Landkreises (Kreis Viersen) untersuchte.

… auf dem Weg zu einer Schule für alle?

Im Anschluss an den etwa 30-minütigen Vortrag, dessen Aufzeichnung am Ende dieses Artikels im O-Ton zur Verfügung steht, führten wir mit Marc Mulia ein Vis-á-vis-Interview mit diesen Schwerpunkten:

.

  • Gliedrigkeit des Schulssystems in NRW
  • Ganztagsschule
  • Schulische Inklusion
  • Unterrichtsausfälle
  • Lehrervergütung

Gliedrigkeit des Schulssystems in NRW

DIE LINKE setzt sich für „Eine Schule für alle“ ein, was politische Gegner als „Einheitsschule“ interpretieren.

Dem widersprach Marc Mulia, indem er konkretisierte, dass nach den Vorstellungen der Linken gemeinsames Lernen durchgehend bis zur 10. Klasse zu gewährleisten sein müsse.

Darin sieht er keine weitere Schulform, sondern mittelfristig ein Nebeneinander von Gesamtschulen und Gymnasien und eine (horizontale) Durchlässigkeit zwischen diesen beiden Schulformen.

Entwicklungen in anderen europäischen Ländern sieht er in diesem Kontext als beispielgebend und verweist auf das Land Berlin, in dem ein ähnlicher Weg beschritten worden sei.

Auf Dauer sieht er keine Möglichkeiten für den Erhalt von Haupt- und Realschulen, weil die Tendenz deutlich wäre, dass sich immer mehr Eltern für ihre Kinder einen Platz in einer Gesamtschule oder einem Gymnasium wünschen würden.

[audio: 712_0987-interview-mulia-01-gliedrigkeit.mp3]

.

Ganztagsschule

DIE LINKE fordert die Umsetzung des im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2012 enthaltenen Zieles, flächendeckend einen so genannten „Gebundenen Ganztag“ zu ermöglichen, der aus Steuergeldern zu finanzieren sei.

Darauf hatte sich 2012 die Bildungskonferenz verständigt.

Während im „Offenen Ganztag“ die Schüler nach dem Unterricht von „Externen“ betreut werden, liegt der „Gebundene Ganztag“ in der Zuständigkeit der Schule, ohne dass nach dem eigentlichen Schulunterricht noch weitere Lehrinhalte vermittelt werden.

Eine Verpflichtung der Schüler an einer Teilnahme dieses Angebotes soll nicht bestehen, es sei ein Recht der Schüler.

Die Inanspruchnahme diese Angebotes soll nicht nur freiwillig, sondern auf gebührenfrei sein.

Finanzieren wollen die Linken dies perspektivisch über eine Änderung der Steuerpolitik, beispielsweise über erhöhte Einnahmen aus eine Vermögensbesteuerung, die den „normalen“ Bürger nicht belasten würde.

Die Vermögenssteuer zählt zu den so genannten „Landessteuerern“, über die das Land vollumfänglich verfügen kann.

[audio: 712_0987-interview-mulia-02-ganztag.mp3]

.

Schulische Inklusion

Die Schulische Inklusion sehen die Linken in der Form, wie sie derzeit in NRW praktiziert werde, als gescheitert an.

Die Ursache sieht Mulia darin, dass die Ausstattung der Regelschulen sowohl sachlich als auch personell nicht den Ansprüchen der etwa 50% der Eltern entspricht, die ihre Kinder mit Förderbedarf in Regelschulen unterrichtet sehen möchten.

So könnten Regelschullehrer, die keine förderpädagogische Ausbildung hätten, den besonderen Anforderungen nicht gerecht werden.

U.a. das führe zum Scheitern.

Den umgekehrte Weg einzuschlagen, nämlich personell und sachlich bestens ausgestattete Förderschulen in Regelschulen umzuwandeln, scheint in der politischen Diskussion noch nicht angekommen zu sein.

[audio: 712_0987-interview-mulia-03-inklusion.mp3]

.

Unterrichtsausfälle

In seltener Einmütigkeit bewerten DIE LINKE und CDU fast gleich. Beide sehen die Ursachen u.a. in der diskontinuierlichen Einstellungspolitik der rot-grünen NRW-Landesregierung.

So gebe es an den Schulen keine so genannten „Ausfallreserven“ mit denen Lehrerausfälle beispielsweise wegen Krankheit, Fortbildungen usw. kompensiert werden könnten.

Darüber hinaus seien die Ausfallstatistiken „geschönt“, weil nicht als „Unterrichtsausfall“ gelte, wenn z.B. Klassen wegen fehlender Lehrer ohne Vermittlung von Lehrstoff „eigenverantwortlich beschäftigt“ würden und andere Lehrer lediglich eine Art Aufsicht führten.

Das Dilemma entstehe dadurch, dass man Schulen nicht mit einer ausreichenden Zahl von Fachlehrern ausstatte.

Als dringend erforderliche Lösung sieht Mulia darin, dass für jede Schule eine „Vertretungsreserve“ von ca. 5% vorgesehen werde.

Alles das sei das Ergebnis einer generell verfehlten Personalplanung ohne jede Berücksichtigung beispielsweise demoskopischer Entwicklungen bei den Lehrern.

[audio: 712_0987-interview-mulia-04-unterrichtsausfall.mp3]

.

Lehrervergütung

Mulia sieht in der Höhe der Vergütung keinen Grund für die Entscheidung Lehramt zu studieren oder nicht.

Auch in den Vergütungsunterschieden zwischen beamteten und angestellten Lehrern, die sich – je nach Schulform – in einer Größenordnung von 500 bis 600 EURO pro Monat (zu Ungunsten angestellter Lehrer) belaufen können sieht er diesbezüglich keinen Entscheidungsgrund.

Hier erwartet Mulia ohnehin kein dauerhaften Problem mehr, weil nach der Angleichung der Ausbildungsinhalte gerichtliche Verfahren anhängig seien, durch die eine entsprechende Angleichung auch der Vergütungen erreicht werden soll.

[audio: 712_0987-interview-mulia-05-lehrerverguetung.mp3]

.

Hier der Vortrag von Marc Mulia zum Nachhören mit vielen weiteren Details zum Thema:

[audio: 712_1095-linke-mulia-cut.mp3]

Bisher keine Kommentare

Ihr Kommentar