Bärbel Höhn zur Unterstützung der Grünen-Landtagskandidaten in Mönchengladbach und mit massiver Kritik an Ilse Aigner (CSU)
Red. Politik & Wirtschaft [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Unterstützung aus Berlin erhielten Dr. Boris Wolkowski und Hajo Siemes durch die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion und ehem. NRW-Umwelt- und Landwirtschaftsministerin am Freitag, den 20.04.2012.
Gemeinsam mit der Mönchengladbacher Grünen-Sprecherin Gaby Brenner stellten sie sich den Fragen der Rheindahlener Wochenmarktbesucher.
Zuvor erläuterten Höhn, Wolkowski und Siemes in der Grünen-Geschäftsstelle ihre Positionen u.a. zu aktuellen Themen wie Verbraucherschutz und Landwirtschaft.
Einleitend erklärte Höhn, dass man momentan zwei Arten von Landwirtschaftspolitik erlebe. Eine der CDU und eine der Grünen; SPD und FDP seien bei diesen Themen nicht vertreten.
Sie erinnerte daran, dass sie seinerzeit eine ökologische Landwirtschaft mit regionaler Vermarktung gefördert habe, die vom nachgefolgten CDU-Landwirtschaftsminister Uhlenberg zurückgefahren und durch Förderung der Schweinemassenproduktion ersetzt worden sei.
Die gleiche Linie verfolge die Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner (CSU). Das Ergebnis seien Mais-Monokulturen und die Förderung intensiver Massentierhaltung.
Folgen davon seien erhebliche Wasserverschmutzungen u.a. in Form von Nitraten, Rückgang der Artenvielfalt und Reduzierung der Qualität des Bodens.
Ziel der Grünen sei daher, die bäuerlichen Betriebe zu fördern, und weiterhin den Verbraucherschutz in den Mittelpunkt zu stellen, auch indem den Verbrauchern das Wissen über Lebensmittel wieder näher gebracht werden soll.
Höhn bemängelt, dass den Bauern nicht gestattet sei, Flächen für Windkraftanlagen zu vermarkten, wodurch ihnen die Chance für ein weiteres wirtschaftliches Standbein genommen werde. Dadurch würden Landwirten Einnahmen zwischen 50.000 bis 100.000 EURO pro Jahr verwehrt.
Weitere Themen waren u.a. die Käfighaltung bei der Geflügelzucht, die aktuellen Dioxin-Vorfälle und die Wasserverunreinigungen durch das Einbringen von Gülle in den Boden, die letztlich zur Grundwasserverunreinigung führen und der Einsatz von Medikamenten in der Viehhaltung.
Die geringe Anzahl von Tierärzten in sehr ländlichen Gebieten, beispielsweise im Norden von NRW und in Niedersachsen, sei ein Grund des überbordenden Einsatzes von Antibiothika.
Ein und derselbe Tierarzt stelle vielfach die Diagnose, verschreibe die Medikamente und verkaufe dem Mäster diese auch noch. Der Landwirt erhält sozusagen alles „aus einer Hand“ und der Veterinärmediziner verdient gleich mehrfach.
Zufrieden mit diesem Geschäft sind beide: Landwirt und Veterinär.
Der Landwirt profitiert, weil dank des Antibiotikaeinsatzes die Tiere schneller das Schlachtgewicht erreichen und falsche Tierhaltung (hohe Dichte in der Massentierhaltung) überdeckt wird. Der Veterinär wird gerne, selbst bei nichtigen Erkrankungen, Antibiotika verordnen, da er durch deren Verkauf ebenfalls profitiert.
Die Grünen wollen diese Praxis des „Dreimal-Verdienens“ und dessen katastrophale Folgen eindämmen, und zentral dokumentiert wissen, wer was wie lange diagnostiziert hat. Ob es sich tatsächlich um eine akute Erkrankung gehandelt hat oder ob es eine vorbeugende Diagnose war und wer letztendlich die Medikamente verkauft habe.
Dies habe Bundeslandwirtschaftsminiserin Aigner bislang verweigert, weil die Tierärzte nicht wollen, dass man durch solche Praktiken zurückverfolgbar machen könne wer beteiligt war und verdiente. Denn durch diese Transparenz würden die Tierärzte sofort als eines der Probleme und Profiteure des Systems erkannt.
Schon bei geringen Anzeichen von Krankheiten in einer Massentierhaltung würden deshalb „vorsorglich“ diese Medikamente eingesetzt, die dann über den Fleischverzehr auch auf das Immunsystem der Verbraucher Einfluss nehmen.
Studien hätten ergeben, so Höhn, dass 90% der Masttiere medikamentös behandelt würden.
Ergebnis: antibiotikaresistente Keime. Diese ESBL- und MRSA-Keime können bei Menschen (besonders bei immungeschwächten) zu schweren Erkrankungen und sogar zum Tod führen.
Antibiotikaresistenzen sind gefürchtet, weil bei erforderlicher Behandlung Antibiotika nicht mehr wirken. Damit nicht genug.
Diese Keime können sogar ihre Resistenzeigenschaften an weitere Erreger im Körper übertragen. Behandlung und Hilfe für betroffene Patienten wird somit nahezu unmöglich und Erkrankungen enden deshalb oft tödlich.
Eine Änderung dieser unheilvollen „alles-aus-einer-Hand“-Praxis ist derzeit nicht in Sicht, da Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner blockiert, weil Landwirtschaft und Veterinäre den Nutzen haben.
Den Verbraucher, dessen Interessen und vor allem Wohl, Gesundheit und Leben sie als Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Fokus haben müsse, lasse sie letztendlich machtlos zurück.
Sie mache damit deutlich, dass sie eine „knallharte Lobbyistin“ sei.
Um die Verbraucher besser zu schützen, fordern beispielsweise die Piraten ein eigenständiges Verbraucherschutzministerium einzurichten. Das sieht Höhn nicht so, wie sie im anschliessenden BZMG-vis-á-vis-Interview vertiefend begründete.
Auf das Ausbringen von (niederländischer) Gülle auf Feldern der Region angesprochen, meinte Höhn, dass dies von der „Viehdichte“ in der Region abhänge. [Aufnahmen vom 19.04.2012 gegen 12:00 Uhr in Pongs]
Im Kreis Borken beispielsweise seien durch die dort vorhandenen Mastbetriebe die zulässigen Werte für das Ausbringen von Gülle überschritten, so dass dort keine zusätzliche Gülle ausgebracht werden darf.
Die Niederländer haben durch die starke Viehhaltung ihr Grundwasser verseucht, so dass sie bereits versuchen, Trinkwasser aus Deutschland zu „importieren“.
Aus demselben Grund „exportieren“ die Holländer ihre Gülle in Regionen von NRW, in denen es nicht so hohe Viehbestände gibt, denn Gülleentsorgung ist in den Niederlanden richtig teuer, während die deutschen Landwirte ihnen gerne noch etwas dafür zahlen.
Denn diese Gülle ist kostengünstiger als Kunstdünger. Für den Boden ist es, egal wovon, immer nachteilig.
Höhn sieht darin zusätzliche Belastungen durch Überdüngung der hiesigen Felder und plädierte seinerzeit dafür, Gülle aus NRW „zwichenzulagern“, um diese dann bei Bedarf ausbringen zu können, statt den „Gülletourismus“ aus den Niederlanden zu begünstigen.
Zwischenzeitlich hat es zu diesem Thema auch auf EU- und NRW-Ebene Aktivitäten gegeben, die unsere Redaktion noch in Erfahrung bringen wird.
Durch einen Parlamentsbeschluss aus Den Haag sei die Massentierhaltung in den Niederlanden inzwischen nicht mehr erlaubt.
Höhn prangert an, dass die momentane Landwirtschaftspolitik keine Rücksicht auf die Wasserproblematik, die Bodenqualität, die Luftbelastungen und den Verlust von Artenvielfalt nehme. Dies müsse beendet werden.
Im Anschluss daran führten wir mit Bärbel Höhn ein vis-á-vis-Interview über diese Themen:
- Eigene Verbraucherschutzministerien: sinnvoll oder nicht?
- Veränderung des Bergrechtes (Braunkohletagebau)
- Rechtliche Perspektiven zu Garzweiler II
- Fracking
2.
Kerstin Königs schrieb am 22.04.2012 um 22:35 Uhr:
Dank an Frau Höhn für die klaren Worte.
Was bei uns und anderen Industrieländern hinsichtlich der Massentierhaltung geschieht ist unhaltbar.
Sehr zu empfehlen zu dieser Thematik: Martin Schlatzer „Tierproduktion und Klimawandel“. Aus der Sicht des Umweltschutzes. Sein Fazit:
„Eine pflanzenbetonte Ernährung müsste als Option bzw. Instrument für eine nachhaltige und zukunftsreiche Umweltmaßnahme verstanden werden“, so der Autor. Seine Conclusio lautet, dass eine überwiegend pflanzliche Ernährung zur Ernährungssicherheit wie auch zum Schutz der Umwelt einen großen Beitrag leisten könnte.
Er führt außerdem aus: „Die Tierhaltung ist insgesamt zumindest für 18 Prozent (nach Einschätzung des World Watch Institute (WWI) sind es sogar mehr als 50 Prozent) aller weltweiten, vom Menschen gemachten Treibhausgase verantwortlich.
Der Beitrag des Tierhaltungssektors ist somit ähnlich hoch wie jener der Industrie und höher als der Ausstoß des gesamten Transportsektors.“
1.
Ypsilon schrieb am 22.04.2012 um 16:57 Uhr:
Passend zum Thema Antibiotika und Gülle, die schließlich nicht von ungefähr in Massen anfällt, ein interessanter Hinweis von unerwarteter Seite zum Fleischkonsum (hier wegen der Fastenzeit). Denn Fleischkonsum und die immer größer werdende Gülle-Problematik sind untrennbar:
„Wir Fleischesser“
„Antworten“ von Kardinal Christoph Schönborn in der Zeitung „Heute“ am Freitag, 9. März 2012.
Früher gehörte zur Fastenzeit das Verzichten auf Fleisch. Heute sind wir (mit Ausnahmen) fast maßlose Fleischesser geworden. Folgender Text wird uns vielleicht den Fleischappetit verderben und uns helfen, zur früheren (vernünftigen) Fastenpraxis zurückzufinden:
„Weltweit gesehen, wird mindestens ein Drittel der gesamten Getreideernte an Vieh verfüttert. Von der Getreidemenge, mit der man 100 Schlachtkühe ernährt, könnte man 2.000 Menschen Nahrung bieten. Alle Schlachttiere auf der ganzen Welt zusammengenommen verbrauchen eine Futtermenge, die dem Kalorienbedarf von 8,7 Milliarden Menschen entspricht – das ist mehr als die gesamte Weltbevölkerung… Fleischproduktion ist, was Nahrungsmittelerzeugung betrifft, die schlechteste Form der Bodennutzung: Um ein Rind ein Jahr lang zu mästen, benötigt man 0,5 Hektar Land.
Nach einem Jahr erhält man von diesem Tier rund 300 Kilo essbares Fleisch. Hätte man während dieses Jahres auf derselben Fläche Getreide oder Kartoffel angepflanzt, hätte man (mit Bio-Anbau) mindestens 2.000 kg Getreide bzw. 15.000 kg Kartoffel ernten können!
Anders ausgedrückt: Ein einziges Steak von 225 g enthält so viel Pflanzenenergie, wie benötigt wird, um einen Tag lang rund 40 hungernde Menschen zu ernähren!“
Soweit der Bericht der Gesellschaft für Ernährungskunde. Er ist dazu angetan, einem den Appetit auf Fleisch zu verderben. Zumindest macht er nachdenklich.
Was ist die Alternative? Weniger Fleischkonsum? Weniger Fleischproduktion bedeutet weniger Massentierhaltung, weniger Tier-Leid, weniger Einsatz von Antibiotika in Futtermitteln, weniger gesundheitliche Probleme bei Tier und Mensch. Tierschutz, Umweltschutz, Fleischqualität – all das ist möglich, und dringend notwendig.
Unser massiver Fleischkonsum ist mit der Energieverschwendung einer der großen Risikofaktoren für eine gute Zukunft. Im empfehlenswerten Lesebuch „Alles, was wichtig ist 2012“ (Knaus Verlag München 2011) heißt es, „dass die Welt in einem nachhaltigen System auf etwa die Hälfte des Fleisches verzichten müsste, das sie jetzt verbraucht. Die Hälfte. Das klingt eigentlich ganz machbar, oder?“ Und die Fastenzeit wäre der richtige Zeitpunkt, damit zu beginnen!“
(Kardinal Christoph Schönborn)
Wäre es wert mal darüber nachzudenken.