Kein Wahlabend im Rathaus, wie viele andere • Eine Nachlese [mit Audios]
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
[28.09.2017] Wahlabende im Rheydter Rathaus waren in der Vergangenheit teilweise bis in den späten Abend hinein gut besucht. Kandidaten, Parteispitzen und -mitglieder und Bürger starrten interessiert auf Leinwände mit den ersten Prognosen und Hochrechnungen und später mit den Ergebnissen aus den Wahlbezirken und diskutierten miteinander.
Das war am Abend der Bundestagswahl 2017 irgendwie anders.
Während noch um 18:05 Uhr alle gespannt auf die Fernsehübertragung schauten, harrten um 19:15 nur noch wenige aus, denn die Wahl war „gelaufen“ und das Abschneiden der AfD und die Absage der SPD an eine weitere GroKo im Bund musste zunächst erst einmal „verdaut“ werden.
Unter ihnen Mitglieder der Verwaltungsspitze, die sicherlich auch noch über fehlende Wahlzettel diskutierten.
Das „Verdauen“ geschah bei den Mönchengladbacher Kandidaten und Wahlkampfleitern relativ schnell, wie sich in den Interviews noch am Wahlabend zeigte.
Auch Tage danach haben die Aussagen der Interviewpartner nichts an Aktualität verloren.
Dieter Breymann, CDU-Wahlkampfleiter, fand die Ergebnisse der FDP und der Grünen „ok“, alle anderen nicht.
Schwer verständlich war für ihn, dass das Thema „Flüchtlinge“ auch an den Wahlständen immer wieder angesprochen wurde und offensichtlich auch die Wahlergebnisse beeinflusst habe.
Grund für „das Hochjazzen“ dieses Themas habe seit dem „Nicht-Fernsehduell“ Merkel-Schulz zugenommen. Seitdem seien die Umfrageergebnisse für die AfD wieder gestiegen.
Das Problem sei, dass die AfD inhaltlich nicht gestellt werden könne.
Eine erneute GroKo hielt Breymann für schädlich, weil damit „die Ränder“ weiter gestärkt würden. Es würde eine starke Opposition im Bund nötig.
Eine (wahrscheinlichen) Jamaika-Koalition fände er spannend, meinte Breymann. Das Problem liege bei der CSU, die offensichtlich ebenfalls hoch verloren hätte. [audio:17-09-24-712_1063-breymann.MP3]
Hans-Willi Körfges (Archiv-Bild), Wahlkampfleiter von Gülistan Yüksel, war ob des Wahlergebnisses der SPD maßlos enttäuscht und sich in seiner „Grundskepsis“ gegenüber einer GroKo „dramatisch“ bestätigt.
Die Verluste der CDU und das Ergebnis der AfD sei für alle eine Lehre und habe für ihn die Schlussfolgerung, dass diese GroKo abgewählt worden sei und die SPD nun den Auftrag hätte, der Opposition im Bundestag „eine Stimme zu geben“.
„Wir müssen zeigen, dass wir eine starke sozialgestaltende Kraft sind…“ sagt Körfges.
Auf die Frage, wie die Erfahrungen auch auf die Mönchengladbacher GroKo zurückzuführen sind, erklärte er das die Erfahrungen nicht ohne weiteres auf Mönchengladbach übertragen werden könnten.
Gleichwohl sehe er auch in Mönchengladbach ein Problem (Anm.: für die SPD) in der Wahrnehmbarkeit der eigenen politischen Überzeugung in der GroKo: „Da wir als SPD in Zukunft erkennbarer werden müssen, um nicht kommunal in eine ähnliche Richtung abzudriften“.
Basierend auf seine Erfahrungen mit der AfD im Düsseldorfer Landtag stellt Körfges fest, dass diese Partei „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen sei.
Vor dem Hintergrund müsse man sich mit der AfD in eine sachliche Auseinandersetzung begeben, sie inhaltlich stellen und sie dadurch „entzaubern“, wie das augenblicklich im Landtag geschehe.
Körfges prangert an, dass der AfD mit ihren Provokationen in der Berichterstattung (in öffentlich-rechtlichen und privaten Medien) einen viel zu großen Raum eingeräumt worden sei. [audio: 17-09-24-712_1064-koerfges.MP3]
Naturgemäß sehr zufrieden war Stefan Dahlmanns über den Wiedereinzug der FDP in den Deutschen Bundestag und das auch noch mit einem zweistellige Ergebnis, als er sich am Wahlabend zu einem Interview zur Verfügung stellte.
Der Wahlkampf sei für den „Newcomer“ auf einer größeren politischen Bühne eine neue Erfahrung und Herausforderung gewesen, weil er sich in für ihn neue Themenbereiche habe einarbeiten müssen, um die Position der FDP dazu an Wahlständen und bei Podiumsdiskussionen vertreten zu können.
Hilfreich sei dabei gewesen, dass er seit mehreren Jahren als Delegierter an Bundesparteitagen teilgenommen und so das Parteiprogramm mitzuarbeiten in der Lage gewesen sei.
Die Verluste der Kandidaten von CDU und SPD sind für Dahlmanns Anlass dafür sich Gedanken darüber zu machen, wie man den Erststimmen in der Wahrnehmung der Wähler eine größere Bedeutung zumessen könnte.
Geärgert hat sich Dahlmanns über einen RP-Artikel vom Samstag vor dem Wahltag, in dem als sicher dargestellt worden sei, dass Dr. Krings (CDU) die meisten Erststimmen auf sich vereinigen würde.
Die übrigen Kandidaten seien „kleingeredet“ worden. Es fehle an einer Erklärung dafür, welchen Wert die Erststimme für einen Wahlkreis habe.
In der nahen und fernen Zukunft wird Dahlmanns sich neben seinen Beruf weiterhin in der Kommunalpolitik und in der Kreispartei engagieren.
Die AfD müsse man politisch „bearbeiten“ und inhaltlich „stellen“.
Dahlmanns bemängelte – ebenso wie zuvor Körfges – dass die Veranstalter von Podiumsdiskussionen bislang vermieden hätten, die AfD einzuladen und damit die Grundlage für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem AfD-Programm nicht gegeben war.
Es sei auch ein großer Fehler der „großen Parteien“ gewesen, die AfD zu ignorieren.
Als in dieser Hinsicht positiv hob Dahlmanns die Podiumsdiskussion im Stiftisch-Humanistischen Gymnasium (HUMA) hervor, zu der sich die Schüler sehr gut vorbereitet hätten und in der „freien Runde“ der AfD-Kandidat letztlich der einzige gewesen sei, der mit Fragen „gelöchert“ worden sei.
Dessen Anwesenheit habe ihm letztlich nicht geholfen.
Zur sich möglicherweise abzeichnenden Jamaika-Koalition im Bund ist Dahlmanns sehr gespannt, was „seine Leute“ auch angesichts der schon gezogenen „Linien“ aushandeln würden und welche Hürden die einzelnen Verhandler nehmen müssten. [audio: 17-09-24-712_1066-dahlmanns.MP3]
Peter Walter wird als dem so genannten „linken Flügel“ von B90/Die Grünen nahestehend zugeordnet. Im Interview gibt er zu, mit dem Ergebnis von 8,9% nicht gerechnet zu haben, insbesondere angesichts der bis dahin nicht berauschenden Umfrageergebnisse für seine Partei.
Das Engagement zur Landtags- und zur Bundestagswahl habe sich gelohnt und das Team zusammengeschweißt.
Walters Begeisterung für eine „SchwAmpel“ (Jamaika-Koalition) hält sich in Grenzen und er zitiert dazu Anton Hofreiter bei dessen Besuch in Mönchengladbach: „Das mit der Merkel ist ja gar nicht so schlecht, aber man kriegt die ‚puckelige Verwandtschaft aus Bayern mit dabei“.
Das sei das eine Problem, das zweite seien jedoch die demagogischen Äußerungen von Christian Lindner bei einem Vergleich der Grünen mit der AfD. Selbst abgesehen davon glaube er nicht, dass eine Jamaika-Koalition funktionieren werde und werde diese Konstellation auch persönlich ablehnen.
Am 30. September gibt es bei den Grünen eine so genannte „Länderkonferenz“, auf der darüber intensiv diskutiert und sicherlich auch eine Urabstimmung zu Jamaika gefordert werde.
Dem schleswig-holsteinischen Umweltminister der Grünen, Robert Habeck, ordnet Walter eine wichtige Rolle in den anstehenden Verhandlungen zu, weil dort schon eine Jamaika-Koalition besteht.
Wichtig sei, dass insbesondere bei den grünen Vorstellungen zur Klimapolitik ein Maximum erreicht würden.
Die verbreitete Meinung, dass die Grünen fordern würden, dass ab 2030 keine Dieselfahrzeuge mehr fahren dürften, sei ein „ausgemachter Blödsinn“. Vielmehr sei es so, dass ab diesem Zeitpunkt keine Dieselfahrzeuge mehr neu zugelassen werden dürften.
Begonnen werden müsse auf jeden Fall beim ÖPNV.
Mit sehr vielen Fragezeichen versehen sieht Walter, wie die deutsche Automobilindustrie den Schwenk zur E-Mobilität schaffen wolle und gibt dazu im Interview Hinweise auf diverse „Knackpunkte“.
Diesbezüglich hofft er, dass Jürgen Trittin mit in der Verhandlungskommission aktiv wird.
Dass die Grünen in Mönchengladbach beim Bundestagswahlkampf nicht zu Sozialthemen plakatiert haben, erklärt Walter mit pragmatischen Gründen. Gleichwohl seien dazu die grünen Positionen in fast allen Veranstaltungen thematisiert worden.
In diesem Zusammenhang lobt Walter seinen Mitbewerber von den Linken, Sebastian Merkens, der solche Themen auch nach außen hin geschickt aufgegriffen habe.
Auswirkungen der GroKo-Ergebnisse auf die GroKo in Mönchengladbach sieht er nicht, weil die Seilschaften so gestrickt seien, dass im Sinne von CDU und SPD alles optimal laufe.
Eine rechnerisch mögliche schwarz-gelbe Kooperation könnte nicht in Betracht kommen, wenn Bernd Kuckels als ausgesprochen guter Kämmerer „gehen muss“.
Die GroKo in Mönchengladbach werde Themen auch weiterhin aussitzen, wie schon bisher. [audio: 17-09-24-712_1067-walter.MP3]
Mit seinem persönlichen Wahlergebnis war Sebastian Merkens von den Linken durchaus zufrieden, weil es sich in dem Rahmen bewegte, was er erwartet hatte. Das gelte auch für das Ergebnis im Bund.
Die Entwicklung im Bund sieht Merkens ganz entspannt, man sei ausgeschlossen worden und habe damit nichts zu tun und werden nun abwarten.
Dass die SPD nicht wieder in eine GroKo gehen wolle, sieht Merkens als logische Folge der politischen Entwicklung der letzten Jahre, in denen die SPD ihr soziales Engagement verloren habe. Wäre das so in einer GroKo weiter gegangen, wäre nichts mehr übrig geblieben von der SPD.
Von dem, was die SPD als erreicht reklamiere, sei nicht viel bei dem Menschen angekommen und hätte insbesondere den unteren Einkommensniveau nicht geholfen.
Dazu gehöre insbesondere Hartz IV, das nicht „ausgelöscht“ worden und für die Linken weiterhin eines der „größten politischen Verbrechen“ sei.
Wenn er auf den grünen Bundestagskandidaten in Mönchengladbach schaue, den er als „linken Grünen“ einschätze, kann er (Merkens) es sich nicht vorstellen, das „Jamaika“ funktionieren kann. Das sieht er alledings auf Bundesebene als durchaus problemfrei.
Merkens‘ weitere politische Aktivitäten zielen auf die Kommunalwahl 2020, wozu DIE LINKE mit der Zielsetzung antreten werde, nicht das Kapital, sondern den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
Auch Merkens sieht keine Auswirkungen der GroKo-Ergebnisse im Bund auf die GroKo in Mönchengladbach.
„Die beiden Fraktionsvorsitzenden haben sich aneinander gewöhnt. … Die wissen, was sie voneinander zu erwarten haben. Und ich denke nicht, dass die beiden das riskieren werden, ihre bequeme politische Mehrheit hier aufzugeben“, sagt Sebastian Merkens dazu.
Zu einer rechnerisch möglichen schwarz-gelben Kooperation in Mönchengladbach glaubt er, dass die FDP es nicht von einer Personaldiskussion (Stichwort: Nicht-Wiederwahl von Kämmerer Bernd Kuckels) auf Dauer abhängig machen würde, wenn sie wieder „mitregieren“ könnte.
Zum kurzen Gespräch zwischen Dr. Krings (CDU) und ihm auf dem Marktplatz erläuterte Merkens u.a., er habe dem Wahlsieger gratuliert, ihm aber auch seine Enttäuschungen darüber zum Ausdruck gebracht, dass Krings gegen die „Ehe für alle“ votiert habe und er im Rahmen des Wahlkampfes kaum selbst an Podiumsveranstaltungen außerhalb des Wirkkreises der CDU teilgenommen habe.
Besonders hat sich Merkens über das Wahlergebnis im Wahlbezirk „Maria-Lenßen-Schule“ gefreut, einem Bereich wo er auch beruflich tätig war. Dort hatte er bei den Erststimmen 18% erzielt. Damit hätte er nicht gerechnet.
„Rheydt ist stabil“, war deshalb seine Resümee … für DIE LINKE. [audio: 17-09-24-712_1068-merkens.MP3]
Es ist nachvollziehbar, wenn alle so genannten „etablierten“ Parteien die AfD und deren Einzug in die Landesparlamente und aktuell in den Bundestag für eine schlechte Entwicklung halten, müssen sie sich aber die Frage gefallen lassen, warum sie sich nicht schon früher inhaltlich mit den Zielen und Absichten der AfD auseinander gesetzt haben.
Politisch Ausgrenzungen jedweder Art sind schädlich für ein politisches Gemeinwesen und hat schon nicht funktioniert als die Grünen und später DIE LINKE die poltischen Bühnen betraten.
Auch der vor der Landtagswahl 2017 weitverbreitete Irrglaube, eine höhere Wahlbeteiligung würde den „Etablierten“ nutzen und der AfD schaden, hat sich bei der Bundestagswahl nicht bestätigt.
Der Glaube der Landtagsfraktionen von CDU, SPD und Grünen, man könne durch eine fragwürdige 2,5%-Hürde für die kommenden Kommunalwahlen in NRW extreme oder extremistische Parteien aus dem Kommunalparlamenten heraushalten, war falsch.
Durch den „Rückenwind“ aus der Landtags- und der Bundestagswahl dürfte es für die AfD kaum ein Problem sein, diese Hürde – so sie denn vom Verfassungsgerichtshof in Münster als rechtens bestätigt werden sollte – zu überspringen.
Ebenso falsch – wenn nicht gar selbstüberschätzend – sind die aktuellen Äußerungen von so genannten „Spitzenpolitikern“ der meisten „etablierten“ Parteien – die meinen „an die AfD verlorene Wählerstimmen“ wieder zurückholen zu können, indem man sich nun mit den AfD-Inhalten auseinandersetzen wolle.
Es sind wohl kaum mehr als Sprechblasen und Phrasen, wie man sie – wenn man sie sich wirklich noch antun möchte – in sämtlichen fragwürdigen Talkshows von Illner, Maischberger & Co. hören kann.
Diese (Phrasen und Talkshows) kann man sich getrost sparen und die Zeit für Nutzbringenderes verwenden…