Hervorragendes Chorkonzert in der Evang. Hauptkirche in Rheydt
Red. Theater [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Ein außergewöhnliches Konzert in feinster Ausführung konnten die Besucher des 2. Chorkonzertes in der leider nur schütter besetzten Evangelischen Hauptkirche zu Rheydt hören.
Leider stellt sich hier immer wieder eine bittere Frage:
Wo nur sind Politiker, Musiklehrer, die Schulklassen, die Sänger anderer Chöre, bei einem solchen Ereignis? Ist die 8. Sinfonie Schuberts, die ja gewiss ein Ohrwurm ist, nicht für junge Menschen ein Erlebnis, das zur Hinführung an die Musik dienen könnte?
Dazu dann noch eine fast unbekannte Messe Beethovens, die an Wert der immer wieder aufgeführten Missa solemnis, die gewiss eine Sternstunde abendländischer Musik ist, fast gleichzusetzen ist. Hierzulande wird sie kaum aufgeführt.
Ich erinnere mich aber an eine Aufführung durch den Städt. Musikverein Rheydt unter Walter B. Tuebben in den 50 er Jahren, die mich als jungen Menschen vom Hocker riss und für diese Musik begeisterte.
Im Soloquartett waren damals die junge Ursula Boese und Kenneth Spencer zu hören, Ursula Boese, mit einer gewaltigen Stimme gesegnet, später Bayreuths Fricka, der Spiritual-Sänger Kenneth Spencer, der, wie er bewies, ein großartiger Sänger klassischer Musik war, außerdem für volle Häuser sorgte.
Schuberts Sinfonie Nr. „8“ nicht Nr. 7 oder 9; die Nr. 7 ist die ebenfalls nicht fertiggestellte E-Dur Sinfonie D 729, Nr. 9 ist die große C-Dur-Sinfonie, ist nicht nur das populärste Instrumentalwerk Schuberts, sondern ein künstlerisches Phänomen sui generis. Ein Werk, das weder ein Vorbild seiner Art hat, noch eine Nachfolge.
Nicht bekannt ist, ob ein Zusammenhang zwischen der Unvollendeten und einer merkwürdigen Erzählung, betitelt „Mein Traum“, die Schubert im Jahr 1822, dem Entstehungsjahr der Sinfonie niederschrieb, besteht. Sie diente als Grundlage zu einem Schubertfilm von 1953.
Der erste Satz hat über weite Strecken etwas Antikisches. Etwas von der Unerbittlichkeit eines Verhängnisses liegt in den Spannungen und Ausbrüchen der Musik.
Nach dem akzentuierten Abschluss des ersten Teils das Seitenthema, durch die Celli eingeleitet, von den Violinen etc. aufgenommen, eine Musik, die keinen Hörer unbeteiligt läßt. Der Satz endet in harten trockenen Schlägen des Orchesters.
Der zweite Satz ist eine einzige Holdseligkeit in der Süße seiner Kantilenen, seiner schwebenden Übergänge.
Maria Beyumova blieb in ihrer Ausdeutung dieser edelsten Musik nichts schuldig. Mit sehr präziser Gestik, feiner Ausdeutung durch die Sprache der Hände, gab sie Schuberts Musik mit dem hervorragend mitgehenden Orchester beredten Ausdruck.
Die Übergänge , sehr fein vorbereitet, die nobel spielenden Holzbläser, das sehr gute Blech und die tiefen Streicher gefielen sehr gut.
Leider klangen die hohen Streicher nicht immer klangschön. Liegt es an der Auffassung der Dirigentin, die die Geigen zum Teil mit kleinem Vibrato, zum Teil ohne Vibrato spielen ließ, oder verselbständigte sich hier das Orchester?
Für mich erklang es gewollt, der etwas fahle Klang im ersten Satz schien mir zur Stimmung der Musik jedoch richtig.
Allerdings ist die sehr durchsichtige Akustik des Raumes gerade für die hohen Streicher recht gefährlich.
Zum zweiten Hauptwerk des Abends, der C-Dur Messe Beethovens.
Ein wunderbares Werk, dem Beethoven, anders als in der Missa Solemnis, nun eben doch an die großen Messen Joseph Haydns anknüpfend, eine bekenntnishafte, große, weit über irgendwelche sogenannte Gebrauchsmessen hinausgehende humanistische Kraft gibt.
Die Behandlung des Orchesters hat hier eine deutliche Nähe zu Beethovens 5. und 6. Sinfonie. Hier lebt die Musik von starken Kontrasten, Dynamik, Dramatik, Farbe. Sie führt zu keinem frommen Versenken, hier wird aktives Musizieren, aktives Hören erwartet und verlangt.
Schon im Kyrie nach dem a capella Anfang durch die Bass – Stimmen im Piano, erfolgt der Aufschrei des Chores, abgelöst vom Piano des Solistenquartetts.
Kühnste Harmonik im Amen des Gloria: vom C-Dur durch den Quintenzirkel absteigend bis Ges-Dur!
Seltsames auch im Credo. Unmittelbar vor dem „Et unam sanctam catholicam“ ein Tritonus = (Der teuflische) . Absicht?
So könnte man noch lange fortfahren, darum nun zur Aufführung.
Schon der erste Einsatz des stimmstarken Chores im schönsten Piano, die größten Ausbrüche bis zum Fortissimo, klangschön und zuchtvoll, die im Legato gesungenen Fugenthemen, die Präzision des Singens waren einfach wunderbar. Die Koloraturen kamen ohne jedes „Bachgekicher“ aus.
Der Chorklang von verblüffender Homogenität, warme, runde Soprane, sauber und klangschön, meilenweit vom heute bevorzugten Jugendchorklang der Frauenstimmen entfernt, satte, dunkle, wirkliche Altstimmen, strahlende Tenöre (leicht verstärkt durch Mitglieder unseres Opernchors), kraftvolle Bässe (unter denen auch Kapellmeister Fellner war).
Wie hier die ständigen Dynamikwechsel gebracht wurden, wie die Farben aufblühten, war einfach eine Wonne.
Ein ganz kleiner Wermutstropfen im Wonnetaumel des Rezensenten der Anfang des Sanctus, der zu Recht von allen Dirigenten und auch von großen Profichören gefürchtet wird. Ich jedenfalls habe das noch nicht wirklich sauber gehört.
Auch den Solisten ein großes Lob.
Ein tolles Ensemble, in dem nur Izabela Matula nicht so ganz richtig am Platz war. Ihre etwas metallisch geführte Stimme neigte zu kleinen Intonationstrübungen.
Hierhin gehört ein blühender lyrischer Sopran .
Die drei tiefen Stimmen des Quartetts waren solistisch und im Zusammenklang einfach fabelhaft.
Der klangschöne, in der Höhe aufgehende, sehr musikalisch geführte Mezzo von Charlotte Reese, der weiche, mit blendender Höhe samtig singende Tenor Michael Siemon, der weiche, runde Bass Andrew Nolen verbanden sich zu fabelhaftem Musizieren. Diese war vor allem im Benedictus zu hören.
Das Orchester musizierte klangschön und genau. Wieder kann man den Holzbläsern aber auch den anderen Instrumentengruppen hervorragende Qualität bescheinigen.
Ja, nun aber zu Maria Benyumova, der Spiritus-Rectorin des Ganzen.
Eine sehr genau, sehr gut vorbereitete Aufführung, die dann auch wirklich gut gelang.
Wie sie den hervorragenden Chor, den ich hier an erster Stelle nennen muss, leitete, formte, zu einem Singen brachte, das sich absolut unter Darbietungen bester Ensembles behaupten kann, verlangt nach einem Großen Lob. Bravo!
Eine tolle Aufführung, man hätte, wären nicht die beiden Werke des Abends so anstrengend, auch für den Zuhörer, noch lange lauschen können.
Großer Beifall dankte den Mitwirkenden.
Herbert Rommerskirchen