Rheydter Hauptbahnhof: Stadt bereitet Planungs- und Vorkaufsrecht vor – Gerät Verwaltungschef Bude durch Versäumnisse ins Hintertreffen?
Bernhard Wilms [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Seit Jahren geistert durch örtliche Medien und städtische Gremien die Absicht der DB AG, den Rheydter Hauptbahnhof verkaufen zu wollen. Richtig konkret wurde es erst in den letzten Wochen.
Der Verkauf soll gegen Höchstangebot von mindestens 750.000 EURO vonstatten gehen. Schriftliche Angebote für das ca. 4.000 qm große Areal sollen bis zum 30.11.2012 bei der DB Services Immobilien GmbH vorliegen.
Dass die Bahn AG und ihre Töchter oft ein eigenartiges Kommunikationsverhalten an den Tag legen, stellen sie auch in diesem Fall wieder einmal unter Beweis.
Die Stadt wurde auf die konkreten Verkaufsabsichten der Bahn-Tochter erst durch ein Verkaufsexposé aufmerksam, nachdem es lange Zeit still um dieses Vorhaben war.
- Etwas Historisches
- Zwei Grundstücke
- Freistellung/Entwidmung
- Wer darf rechtswirksam planen?
- Interessenlagen der Stadt
- Vorkaufsrecht
- Fazit
- Die Ampel
Vor nicht allzu langer Zeit hatte die DB Services Immobilien GmbH kommuniziert, dass McDonalds an einer Anmietung interessiert sei. Diese Vermietung kam bekanntlich nicht zustand.
Davor gab es Angebote der Bahn an die Stadt, das Objekt erwerben zu können.
Diese Angebote wurden ignoriert, wodurch aktuell eine prekäre Situation entstand,die die Stadt nun unter städtebaulichen und Stadtentwicklungsgesichtspunkten in selbst verschudeten Zugzwang setzt.
In Zusammenhang mit der Diskussion um den „letzten Landeplatz“ der Ju 52 in Rheydt gab es ein Konzept für die Nutzung des Bahnhofsgebäudes als Event-Location, das sowohl bei der Bahn als (zunächst) auch bei der WFMG auf Interesse gestoßen war.
Diese Nutzungsidee hatte die WFMG dennoch nicht weiter verfolgt, weil der Verein der Freunde historischer Flugzeuge e.V. als Eigentümer der Ju 52 partout darauf bestanden haben soll, dieses Flugzeug nicht in Rheydt, sonderen nur am Luftlandeplatz Mönchengladbach abstellen zu wollen.
Dieser Forderung gaben WFMG und OB Bude letztendlich nach und akquirierten für einen neu zu errichtenden „Eventhangar“ ca. 4 Mio EURO öffentliche Mittel, von denen die Stadt 20% zu tragen hat.
Inzwischen stehen faktisch zwei Bahngrundstücke zum Verkauf:
- Das Grundstück mit dem aufstehenden Empfangsgebäude, den Nebengebäuden und der von der Stadt mit öffentlichen Mitteln errichteten Radstation, die weiterhin im Eigentum der Stadt steht. Diese wiederum ist an die Diakonie Mönchengladbach verpachtet, die damit ein sehr erfolgreiches Beschäftigungsprojekt betreibt. Das Grundstück für die Radstation hat die Stadt nur von der DB über einen zeitlich befristeten Vertrag gepachtet.
- Das Grünanlagengrundstück südlich des Fußgängertunnels entlang der Wickrather Straße
Der Fußgängertunnel ist rechtlich auch Bahngelände, wurde jedoch offensichtlich nicht in die Vermarktung einbezogen, um dem (ggf. privaten) Käufer nach dem Verkauf des Bahnhofsgebäudes die Möglichkeit zu geben, den heutigen Hauptzugang durch das Bahnhofsgebäude zu den Bahnsteigen schließen zu können.
Dieser vermeintliche „Trick“ hat eine eisenbahnrechtliche Grundlage.
Um ein Bahngrundstück verkaufen zu können, muss die Bahn nachweisen, dass es nicht mehr für den Eisenbahnbetrieb bzw. Eisenbahnverkehr erforderlich, also entbehrlich ist.
Grundlage hierfür ist das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) über dessen Einhaltung das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) wacht. Diese Bundesbehörde erteilt nach Prüfung des Antrages der Bahn, ob die Bedingungen für eine so genannte „Freistellung“ (früher: „Entwidmung“) gegeben sind.
Diese Prüfungen stellt das EBA vor allem unter dem Gesichtspunkt des „diskriminierungsfreien Zuganges“ für alle Eisenbahnunternehmen zum staatlichen Eisenbahnnetz (betrieben durch die DB Netz AG) an. Dazu gehört auch, dass für die Reisenden ein uneingeschränkter Zugang zu den Bahnen (ob DB oder private Bahnen) sicherzustellen ist.
Es ist nicht auszuschließen, dass ein privater Investor, der die Grundstücke kauft, die Gebäude abreißt, um neu zu bauen und damit den momentanen Zugang zu den Bahnsteigen durch den Bahnhof „abschneidet“.
Hier könnte der „Trick“ der DB AG greifen, den Fußgängertunnel im südlichen Teil des Bahnhofes als Zugang zu den Bahnsteigen zu deklarieren und auf dieser Basis die „Freistellung“ für den Bahnhof Rheydt zu erreichen.
Sollte dies das Ziel der DB sein, würde Gleis 1 nicht mehr zugänglich sein, denn ein Aufgang zu diesem Bahnsteig existiert vom momentanen „Nachtzugang“ über den Tunnel aus nicht, sondern nur durch das Bahnhofsgebäude.
Es sei denn, DB oder der Investor würden diesen Zugang zu Bahnsteig 1 über den „Nachtzugang“-Tunnel noch herstellen.
Auch andere zugangsrelevante Investitionen, wie Sanierung der Treppenaufgänge, behindertengerechte Aufzüge usw. wären an dieser Stelle erforderlich. Für den Hauptzugang befinden sich nach Ankündigung von Lothar Beine (SPD) behindertengerechte Aufzüge in der Planung.
Dass die DB Services Immobilien die täglich tausenden Reisenden, die den Rheydter Bahnhof frequentieren, nicht im Blick hat und ihnen längere Wege sowohl auf den Bahnsteigen, als auch zu den Verkehrsmitteln im Bereich des Bahnhofsvorplatzes zumuten würde, ist sicher nicht nur eine Vermutung.
Das Eisenbahnplanungsrecht steht seit jeher über dem Planungsrecht einer Kommune. Somit kann eine Kommune zwar planen, die Planungen können jedoch nur Rechtskraft erlangen, wenn ein Eisenbahnplanungsrecht nicht mehr besteht.
Dies gilt für das gesamte Gelände entlang der Eisenbahnstrecken des Bundes einschließlich der Bahnhöfe und anderen eisenbahnnotwendigen Anlagen.
Wenn Eisenbahngelände oder Teile davon nicht mehr benötigt werden und die Bahn dies nachweist, kann das entsprechende Gelände, wie schon erläutert, durch das EBA „freigestellt“ werden.
Nach übereinstimmender Auskunft des EBA und der Bahn hat die Bahn für das Gelände des Rheydter Bahnhofsgebäudes noch keinen „Freistellungsantrag“ gestellt. Auch in der Vergangenheit hatte es einen solchen Antrag nicht gegeben.
Je nach Prüfumfang zu diesem Objekt und dem Aufwand für andere Freistellungsanträge kann mit einer langen Bearbeitungszeit gerechnet werden.
Bestandteil des Prüfverfahrens ist die so genannte Öffentlichkeitsbeteiligung, in der u.a. die Kommune gehört wird und deren Anregungen und Bedenken in die Prüfung mit einbezogen werden.
Diese Öffentlichkeitsbeteiligung wird im Bundesanzeiger bekanntgegeben. Ab diesem Zeitpunkt haben andere Verkehrsträger, die Kommunen, andere Behörden und Organisationen, aber auch Bürger 6 Monate lang Zeit, sich mit dieser Problematik auseinander zu setzen und Stellung zu beziehen. Somit auch der VRR.
Die Interessen der Stadt sind mehrschichtig.
Primäres Ziel ist es, den Rheydter Hbf als einen zentralen „Zugang“ zur Rheydter Innenstadt zu erhalten. Ob damit der Erhalt des Gebäudes einher gehen muss, ist diskutabel.
Im Innenstadtkonzept Rheydt wird der Bahnhof als „Frequenzbringer“ zum Marienplatz mit Marienkirche, der angrenzenden Shopping-Galerie und dem zentralen Busumsteigeplatz, Sparkasse sowie Marktplatz mit Rathaus, evangelischer Hauptkirche und Karstadt bezeichnet.
In diesem Zusammenhang sehen die Stadtplaner um Baudezernenten Andreas Wurff es als dringend erforderlich, dass der (möglicherweise private Investor) den Hauptzugang zu allen Bahnsteigen sicherstellt und, dass dort nur „reise-affine“ Nutzungen angeboten werden.
Diese Aspekte sollen ebenso in einem Bebauungsplan ihren Niederschlag finden, wie der Ausschluss von Spielhallen und Erotikgeschäften wie der Erhalt der zentralen Vernetzungsfunktion des Bahnhofsgebietes. Auch zentrenrelevanter Einzelhandel soll an dieser Stelle ausgeschlossen werden.
Nach der Anhörung der Bezirksvertretung Süd in der Sondersitzung am 22.10.2012 beschloss der Planungs- und Bauausschuss am 23.10.2012 die Aufstellung eines Bebauungsplanes mit den vorstehenden Zielen.
Das Gebiet des B-Planes schließt auch die dem Bahnhof vorgelagerte öffentliche Straßenfläche und den Bereich des öffentlichen Bushaltebereiches mit ein.
Damit definiert die Stadt einen weiteren Teil ihres öffentlichen Interesses, dessen Einhaltung von einem Investor beim Erwerb gegenüber der Stadt nachgewiesen werden muss.
Bei alledem handelt es sich um eine städtische Vorsorgeplanung, die erst dann Rechtskraft für das zum Verkauf stehende Gelände erlangen kann, wenn das Eisenbahnplanungsrecht durch „Freistellung“ (Entwidmung) aufgehoben ist.
Im Freistellungsbescheid bestimmt das EBA den genauen Zeitpunkt des Wechsels der Planungshoheit,, wodurch die rechtsstaatliche Eindeutigkeit gewährleistet wird. Dieser Bescheid liegt noch nicht vor.
Erst nach Vorliegen des Freistellungsbescheides ist für alle Beteiligten eindeutig erkennbar, ab welchem Zeitpunkt die Zuständigkeit des EBA endet und die kommunale Zuständigkeit beginnt.
Erst für den Fall, dass sich ein privater Investor nicht verpflichtet, die primären öffentlichen Ziele und Bedingungen der Stadt mit seiner Planung umzusetzen, will die Stadt für sich ein Vorkaufsrecht beanspruchen und so die wichtige Funktion des Bahnhofs als „Stadteingang“ zu stärken und in seiner verkehrlichen Bedeutung als Verkehrsverknüpfungspunkt sichern.
Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie die Stadt erst dann ein Vorkaufsrecht beanspruchen will, nachdem ein Investor den Zuschlag im Bietungsverfahren (von der DB Immobilien Services), das am 30.11.2012 endet und nicht verlängert wird, erhalten hat.
Wie will sie nach Abschluss des Bietungsverfahren, weil bis zu diesem Zeitpunkt evtl. noch keine Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes vorliegt, überhaupt noch irgendetwas beanspruchen können?
Nach Baugesetzbuch (BauGB) kann eine Gemeinde zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht.
Dieses nach BauGB zulässige „besondere“ Vorkaufsrecht bedarf als Grundlage einer städtischen Satzung, die der Rat, nach Anhörung der Bezirksvertretung Süd (22.10.2012), auf Empfehlung des Planungs- und Bauausschusses (23.10.2012) und des Hauptausschusses (31.10.2012) am 07.11.2012 beschließen soll.
Auch ein jetzt schon interessierter Investor kann erst ab dem Zeitpunkt der „Freistellung“ wirklich planen.
Die Deutsche Bahn will alle Immobilien verkaufen, die sie für den Eisenbahnverkehr nicht mehr benötigt bzw. die sie auf dem Vermietungsweg nicht vermarkten kann.
Dazu wendet sie manchmal Methoden an, die hart an der Seriösität vorbei schrammen, wie beispielsweise keine oder die nur unzureichende Kommunikation mit den betreffenden Gemeinden/Kommunen, für die die Aufteilung von Bahn-Grundstücken und die dahinter stehende Intention schwer bis gar nicht nachvollziehbar ist.
Im vorliegenden Fall kann der Bahn der Vorwurf einer unzureichenden Kommunikation aber allenfalls im Hinblick auf die aktuelle Ausschreibung gemacht werden und nicht auf die generelle Information, dass das Objekt zum Verkauf steht.
Schon vor mindestens 4 Jahren nämlich hätte die Stadt Mönchengladbach das Objekt zu einem wesentlich geringeren Preis erwerben können, als die nunmehr von der Bahn geforderten 750.000 EURO.
Hier hat die Stadtspitze die Entwicklung und deren mögliche Folgen offensichtlich unterschätzt, (bewußt?) ignoriert oder schlichtweg „verschlafen“.
Aktuell hat die Verwaltung mit dem Aufstellungsbeschluß für den Bebauungsplan und der Satzung hinsichtlich eines Vorkaufsrechtes die momentan möglichen Vorsorgemaßnahmen für eine Abwehr der gegen ein öffentliches Interesse gerichteten schlimmsten Fehlentwicklungen getroffen.
Damit die öffentlichen Interessen der Stadt aber vollständig gewahrt werden können, bedarf es mehr. Eine Option ist, dass die Stadt selbst ein Gebot abgibt.
Ob die städtische Kreisbau AG und/oder die ebenfalls städtische EWMG GmbH bis zum 30.11.2012 in der Lage ist, ein qualifiziertes Angebot auf dieses Objekt, also Grundstück einschließlich aufstehender Gebäude im Rahmen des Bieterverfahrens der DB abzugeben, erscheint zweifelhaft.
Obwohl Oberbürgermeister Norbert Bude (SPD) sowohl den Aufsichtsräten der Kreisbau AG und auch der städtische Entwicklungsgesellschaft EWMG angehört, scheinen beide städtischen Beteiligungsgesellschaften, mangels eines erforderlichen koordinierten gemeinsamen Vorgehens mit der Stadtverwaltung (ggf. unter Einbindung des Beteiligungsmanagements), die Zeit für die Erarbeitung eines wirtschaftlichen Nutzungskonzeptes für ein erfolgreiches Bieterverfahren aktionslos verstrichen lassen zu haben.
Jetzt wird es insbesondere davon abhängen, ob Oberbürgermeister Norbert Bude (SPD) als Verwaltungschef ein offensives Vorgehen von Kreisbau AG und EWMG koordiniert.
Will Bude Fehlentwicklungen im Bereich des Rheydter Bahnhofes verhindern, wird er gezwungen sein, sich verantwortlich zu zeigen.
Haupts hatte sich öffentlich für einen Erwerb des Bahnhofes Rheydt unter Beteiligung des in Giesenkirchen ansässigen, 100% städtischen Unternehmens ausgesprochen.
Nicht auszuschließen ist aber, dass Bude nichts tut und „den Dingen seinen Lauf lässt“.
Dann wären Entwicklungen nicht ausgeschlossen, die einem möglichen Bieter „Jessen“ in die Karten spielen.
Mit dem Problembereich „Fahrradstation“ erhielten die Bücker-Brüder (Geschäftsführer der Bauunternehmung Jessen) deren Nähe zu Bude mittlerweile unübersehbar ist, wieder einmal ein „Faustpfand“ an die Hand, durch das eine mögliche „Erpressung“ der Stadt nicht auszuschließen ist.
Gleichwohl gibt es fünf weitere Interessenten, von denen mindestens einer schon ein Angebot abgegeben hat.
Hinsichtlich der Entwicklung zum Rheydter Bahnhofsgelände geht es auch für den SPD-Ortsverein Süd (Rheydt/Odenkirchen) um dessen politische Glaubwürdigkeit.
Auch hier wird interessant sein zu beobachten, wie sich dessen Vorsitzende Barbara Gersmann zur Gesamtsituation positioniert. Schließlich gehört auch Ratsherr Henning Haupts (Aufsichtsratvorsitzender der Kreisbau AG) zu ihrem Ortsverein.
Das „Begrüßen“ der Verwaltungsaktivitäten zu „Bebauungsplan“ und „Vorkaufsrecht“ auf der Internetseite reicht als politische Aktivität bei weitem nicht aus.
Die Positionen der Grünen und deren Bezirksvorsteher Karl Sasserath sind bekannt.
Aus der FDP verlautete noch nichts Konkretes. Hierzu erwarten wir noch eine Stellungnahme.