22 „Hohnsteiner“ schlafen im Koffer
Red. Neuwerk [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
„Hohnsteiner“ sind Handpuppen mit holzgeschnitzten Köpfen, die heute noch nach alten Vorlagen in Handarbeit in Hohnstein, Sachsen angefertigt werden.
Neben der Polizeibühne, die diese tradtitionellen Handpuppen zur Verkehrserziehung in Kindergärten und Grundschulen nutzen, ist noch das Neuwerker Puppentheater in Mönchengladbach ansässig und beherrscht dieses spezielle Spiel mit dem Publikum.
Original-Hohnsteiner Handspielpuppen sind patentrechtlich geschützt.
Max Jacob, geboren 1888 in Ems und 1967 in Hamburg verstorben, ist Begründer der Hohnsteiner Puppenspiele. 1921 sah er, der sich schon in jungen Jahren Brauchtum und Volkskunst verbunden fühlte, zum ersten mal als Zuschauer ein Puppenspiel.
Er erlag der Faszination dieser besonderen Theaterwelt, kaufte einige Handpuppen und übte sich selbst in dieser Kunstform.
Auf Burg Hohnstein, Ort einer Jugendherberge in der sächsischen Schweiz, führte er mit weiteren Künstlern in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts Kasperstücke auf.
Zur Künstlergruppe zählten auch der Holzbildhauer und Puppenschnitzer Theo Eggink (1901 bis 1965) und die Erzieherin und Kostümbildnerin Elisabeth Grünwaldt (1871 bis 1961).
Zusammen schufen sie einen neuen Kasper, wobei Theo Eggink zwar die bekannten „Charakterköpfe“ der Hohnsteiner Puppen schnitzte, selbst aber nicht als Puppenspieler agierte.
Max Jacob begründete einen neuen Stil des Handpuppenspiels: statt des bis dahin auf den Jahrmärkten üblichen rabiaten Gesellen, der Schwierigkeiten mit dem Prügel löste, formte er einen fröhlichen Freund der Kinder, der mit Humor und Einfallsreichtum Probleme löste.
Dabei hält der Hohnsteiner Kasper den Kindern keine Moralpredigten, sondern er ist allein durch sein Tun ein Vorbild: Ein vorlauter und witziger Wortverdreher mit einem goldenen Herzen.
Typische Hohnsteiner sind neben der Hauptfigur Kasper, sein Freund Seppel und die Großmutter (Bild 1), Prinzessin, Teufel, Hexe (Bild 2), Polizist und auch ein Krokodil.
In vielen Puppenspielen ergänzen noch Räuber (Bild 3) und König die Puppengemeinde. Mehr braucht es allerdings wirklich nicht, um ein gutes Puppenspiel für Kinder auf die Bühne zu bringen.
Max Jacob lehrte auch das Spielen im Raum: weg von der Spielleiste und die Tiefe des kleinen Theaters nutzen gilt auch heute noch für ein lebendiges Handpuppenspiel. Die Puppenspieler übertragen dabei ihre Bewegungen auf die von ihnen geführte Handpuppe: tanzen die Puppen, tanzen auch die Puppenspieler.
Und so schön und reichhaltig manche Bühnenausstattung wirkt, wichtig sind allein die Puppen. Ein guter Puppenspieler benötigt eigentlich nur seine Handpuppe und die für das Spielgeschehen wesentlichen Requisiten, um kleine Kinder in seinen Bann zu ziehen.
Unter Max Jacob entstand eine neue Form des Kaspertheaters, das als pädagogisches Mittel und Theaterform Anerkennung fand.
„Kunstform“ mögen manche belächeln, doch ist allein schon die korrekte Führung einer Handpuppe in der Tat eine Kunst für sich, die neben langer Übung auch gute Lehrmeister erfordert.
Ein solcher Lehrmeister war für Michael Thielen, Gründer des Neuwerker Puppentheaters, sein Vater Heinz Thielen, der als Polizist zusammen mit speziell geschulten Kollegen mit Hohnsteiner Puppen auf der bekannten Mönchengladbacher Polizeibühne Kindern Verkehrserziehung und Umgang mit fremden Personen beibrachte.
Disziplin mit einem gewissen Hang zum Perfektionismus – oder nennen wir es besser Liebe zum Detail – gepaart mit einer gehörigen Portion Mutterwitz und natürlich viel Kreativität hauchen der Handpuppe das richtige Leben ein, damit auch das Puppenspiel für den Zuschauer lebendig wird.
Die Handpuppe wirkt authentisch, wenn auch der Puppenspieler authentisch spricht und agiert, nur dann ist es möglich dem Holzkopf mit seiner starren Mimik und dem Puppenkostüm mit seinen kleinen Stummelärmchen das Leben einzuhauchen, das ein gutes Puppenspiel ausmacht.
Max Jacob bildete viele Puppenspieler aus, doch nach dem Tod sämtlicher ihm nahestehender Bühnenleiter existiert heute tatsächlich keine einzige Hohnsteiner Puppenbühne mehr, die in einer direkten Beziehung zu Jacob steht.
Wohl gibt es einige Handpuppenbühnen, die den Namen „Hohnsteiner“ im Namen führen, doch ein legitimer Nachfolger der von Max Jacob begründeten Hohnsteiner Puppenbühne ist keiner von ihnen.
Michael Thielen ist sich der Hohnsteiner Tradition bewußt, gibt Max Jacobs Lehren an seine Kasperfamilie weiter und adaptiert dieses traditionsreiche Puppenspiel auf die heutige Zeit.
In seinem Puppenkoffer schlafen 22 echte Hohnsteiner und ab und zu wird der Kasper wach und fragt „Seid ihr alle da?“