„Wie bekomme ich einen Job, von dem ich leben kann?“ • Bundestagskandidaten ohne Antworten

Herbert Baumann [ - Uhr]

[15.09.2017] Langzeitarbeitslose dürfen nicht länger das „Stiefkind der Politik“ sein, sie müssen mehr als bisher gefördert werden, damit sie auf dem Arbeitsmarkt überhaupt noch eine Chance haben.

Das ist der Tenor einer Polit-Veranstaltung am gestrigen Abend im Gladbacher Arbeitslosenzentrum (ALZ), übrigens die wohl einzige einer unabhängigen sozialen Einrichtung in Mönchengladbach anlässlich der Bundestagswahl am 24.09.2017.

Doch eine 46-Jährige stahl in der Runde den Politikern die Schau – und ließ sie quasi sprachlos werden.

Die Frau hat was gelernt, sie ist Bankkauffrau, Finanzexpertin, Alleinerziehende, zwei erwachsene Kinder – und hangelt sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten.

Im Rheydter Jobcenter habe sie ein paar Monate als „Fall-Managerin“ arbeiten dürfen, dann sei sie gegen eine viel jüngere Frau mit abgebrochenem Studium ausgetauscht worden.

Diese Frau habe einen unbefristeten Vertrag erhalten, sagt die blonde Gladbacherin.

Und fügt hinzu: „Seilschaften eben“.

Ähnliche „unbefristete Joberfahrungen“ habe sie in der Gladbacher Stadtverwaltung gemacht.

Mittlerweile fürchte sie, in die Dauerarbeitslosigkeit mit ihren finanziell-wirtschaftlichen Risiken abzurutschen. Und dann sei sie in dieser Gesellschaft ja nichts mehr.

Forsch fragte sie die Politiker: „Wie bekomme ich einen Job, von dem ich leben kann?“

Die Reaktion der vier anwesenden Bundestagskandidaten glichen eher Worthülsen.

Das ALZ in Stadtmitte am Donnerstagabend. Gülistan Yüksel (SPD), Markus Kurth (Bündnis-Grüne), Sebastian Merkens (Linke), Stefan Dahlmanns (FDP) und Bernhard Stein (CDU) stellen sich den Fragen der rund 30 Gäste.

Stein vertritt Günter Krings, der sei an diesem Abend „leider verhindert“.

Es geht in diesen zweieinhalb Stunden um Arbeitslosigkeit und die Folgen für die, die davon betroffen sind.

„Arbeitslosigkeit ist kein Top-Thema mehr in unserer Gesellschaft“, bedauert Karl Sasserath. Der langjährige ALZ-Leiter moderiert und betont, dass Arbeitslosigkeit krank macht.

Die so genannten etablierten Parteien kümmerten sich eher um die Belange der Ober- und Mittelschicht. Menschen ohne Arbeit seien da „ausgeblendet“.

Yüksel, seit 2013 im Bundestag, widerspricht kaum.

Sie wirbt für das SPD-Programm „Q“ für Erwerbslose, das berufliche Weiterbildung mit Geldzahlungen bietet.

FDP-Mann Dahlmanns, der als Facharbeiter nach Berlin möchte, will die vielen Programme abschaffen, spricht von den Vorteilen des „liberalen Bürgergeldes“ seiner Partei, von „neuem Denken“ und einem langfristigen Quali-Programm, das wirklich Abhilfe schaffe.

Stein als integrationspolitischer Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion gibt unumwunden zu, dass „das hier heute Abend ein ernstes Thema“ sei, doch nicht alle könnten teilhaben.

Auf den Punkt bringt es da der grüne Dortmunder Kurth: Es sei dramatisch, dass trotz sehr guter Arbeitsmarktdaten die Langzeitarbeitslosigkeit nicht zurückgeht.

Seine Forderung: Ein sozialer Arbeitsmarkt für die rund 400 000 Menschen, die aufgrund der langen Arbeitslosigkeit nicht mehr fähig seien, voll zu arbeiten.

Konkret: Persönliche Förderung, Weiterbildung, damit sie im 1. Arbeitsmarkt eine Chance haben.

Das aber koste Geld.

Linker, Grüner, Liberaler und Sozialdemokratin wollen die „sachgrundlose Befristung“ von Arbeitsverträgen abschaffen.

Fast alle Politiker geißeln die zunehmenden, oftmals missbräuchlichen Leih-, Werk- und Zeitverträge, wie sie sie verhindern bzw. eindämmen wollen, sagen sie nicht oder deuten es vage an.

Dahlmanns und Stein ernten Kritik, als sie sinngemäß sagen: Leiharbeit in Unternehmen müsse weiterhin möglich sein, Missbrauch derselben aber nicht.

Der Gladbacher FDP-Politiker: „Die öffentliche Hand missbraucht das Instrument der Befristung.“

Beim Thema Mindestlohn (Yüksel: „Darauf sind wir stolz“) werden bekannte Unterschiede deutlich.

Der linke Merkens fordert zwölf Euro die Stunde, Yüksel betont, dass sie „nach oben“ nichts versprechen kann.

Und: Grundsätzlich solle der Mensch vom Verdienst seiner Arbeit leben können.

Derzeit beträgt der Mindestlohn 8,84 Euro/brutto.

Für die FDP ist das schon zu hoch, meint ein älterer Mann aus dem Publikum.

Er nennt es pervers, dass „gerade die Deutsche Post“ Leiharbeiter vor Weihnachten kündigt, damit sie kein Weihnachtsgeld zahlen müsse; zum Jahresbeginn würden die neuen/alten Leiharbeiter wieder auf Tour geschickt.

Sein Fazit: „Was ist das für eine Republik!“.

Maschinensteuer, Digitalisierung, bedingungsloses Grundeinkommen und die Globalisierung werden ebenso kontrovers diskutiert wie die möglichen Folgen (gravierender Stellenabbau) einer weiteren industriellen Revolution – Arbeit 4.0, die Roboterisierung der Arbeitswelt.

Eine mittelalte Frau verlangt „ein Ende der Diskriminierung im Jobcenter“.

Aufmerksam hören auch die Politiker zu, als Karl Sasserath beklagt, dass es kein Recht für Arbeitslose auf Qualifizierung/Fortbildung gebe.

Hier könne, hier müsse sich etwas im neuen Bundestag tun, verbunden mit klaren wie verbindlichen Förderregeln.

 

Ein Kommentar zu “
„Wie bekomme ich einen Job, von dem ich leben kann?“ • Bundestagskandidaten ohne Antworten”
  1. Politik/er den Langzeitarbeitslosen helfen?

    Gerne doch!

    Obwohl, geholfen wird nach den (a)sozialen Ideen von Nahles & Co./GroKo CDU/CSU/SPD vor allem Arbeitnehmenden (Arbeitgeber sagen die meisten, was aber falsch ist, denn ihre Arbeit geben die, die diese ausführen) und das auch noch in finanzieller Hinsicht und aus Steuergeldern!

    Nicht wahr? DOCH!

    Ein unverschämtes Politikerstück aus dem Tollhaus: Bis zu FÜNF Jahren UMSONST arbeiten!

    Dafür bedienen sich Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, beim deutschen Michel/Steuerzahler mit 750 Millionen Euro, um damit bei einer Laufzeit bis Ende 2018 rund 20.000 Plätze zu „fördern“.

    Im Klartext: bis zu 750 Millionen Euro erhalten ARBEITGEBER GESCHENKT!

    Die geförderte Beschäftigung muss ab 2018 auch nicht mehr „zwingend zusätzlich und wettbewerbsneutral“ sein.

    Zitat*):

    „Der Anteil des Sozialversicherungsbeitrags für die Beschäftigten ist nicht vollständig, es werden dabei nur die Beiträge für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet.

    Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden nicht gezahlt, denn dies soll „Fehlanreize zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit Drehtüreffekte im Leistungsbezug“ vermeiden.

    Will heißen, dass die Beschäftigten keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld I erwerben und so die Maßnahme nicht vorzeitig, finanziell abgesichert, verlassen können.“ Zitat Ende.

    Und weiter geht’s, Zitat*):

    „Die Menschen sollen als Hilfsarbeiter bei Kommunen und privaten Unternehmen bis zu FÜNF Jahren eingesetzt werden und das Entgelt wird im ersten Jahr komplett vom Staat übernommen.

    Im zweiten Jahr muss der Unternehmer nur zehn Prozent beisteuern, im dritten 20 Prozent und die weiteren Jahre jeweils 10 Prozent mehr, ohne dass die Beschäftigten Ansprüche auf Arbeitslosengeld I erwerben und damit die Möglichkeit verlieren, die Maßnahme vorzeitig verlassen zu können.

    Diese menschenverachtende Arbeitsmarktpolitik wird von Andrea Nahles und Detlef Scheele ganz neutral als Ausbau des Bundesprogramms „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ verkauft, dabei ist es nichts anderes, als dass die Jobcenter erwerbslose Menschen auch Privatfirmen als KOSTENLOSE Hilfskräfte anbieten können.“ Zitat Ende.

    Dreist und ekelhaft, Zitat*):

    „Der Einsatz der „Programmkräfte“ hat auch schon in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Maßnahme- bzw. Anstellungsunternehmen Dienstleistungen für sich selbst nicht mehr bei Fremdfirmen mit tarifgerechten Entgelt einkaufen muss, sondern z.B. die Reinigungen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten durch die „Programmkräfte“ erledigen lässt.

    Diese Menschen werden dann noch in privaten Haushalten eingesetzt, die dann für eine Stunde Reinigungsarbeit 18,00 – 20,00 Euro zuzüglich Fahrtkosten an den Maßnahme- bzw. das Anstellungsunternehmen zahlen müssen.“ Zitat Ende.

    *) Zitate aus:

    Umsonst arbeiten: Neuauflage der Bürgerarbeit
    Arbeiten lassen für lau: Neuauflage der sogenannten Bürgerarbeit – Ausbau des Bundesprogramms „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“

    Dieser Artikel ist dringend empfohlen, da es so unglaublich, unerschämt und dreist ist, was sich da abspielt und JEDEN infolge Arbeitsverlust treffen kann, dass ein normal denkender Mensch es nicht fassen kann.

    http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/umsonst-arbeiten-neuauflage-der-buergerarbeit.php

    Menschenverachtender geht es kaum noch. WIDERLICH!

    Pfui, Frau Nahles, pfui GroKo (CDU/CSU/SPD), pfui alle im Bundestag, die das mit abgenickt haben!

    Wie war das? Deutschland geht es gut und nie besser als mit Muddi Merkel????

    Merkelt hier noch jemand was?

    Wer unterstützt wieder mal Verrat am Bürger und insbesondere den (meist unverschuldet) in die Arbeitslosigkeit geratenen: die Sozialdemokraten, angeführt von Nahles.

    Besonders zynisch: SOWAS wird auch noch von Nahles, Scheele und Politik als Erfolg verkauft und gefeiert!!!

    🙁 🙁 🙁 🙁 🙁

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