Strebt die FDP über eine „Sozial-Liberale Koalition“ wieder an die Macht in Düsseldorf? • Christian Lindner mit Auftritt in voll besetztem Cinema Center ohne „Koalitionsvision“

Red. Politik & Wirtschaft [ - Uhr]

[09.04.2017] Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Wunsch der FDP erfüllt, in NRW gemeinsam mit der CDU das Ruder übernehmen zu können, dürfte sich angesichts der nicht nur in Umfragewerten deutlichen Schwäche von Armin Laschet und seiner Landes-CDU kaum erfüllen.

So realistisch sind die Liberalen sicherlich schon, aber viele Alternativen haben sie auch nicht, nachdem sie eine Ampel im Land kategorisch ausgeschlossen haben.

Dass eine „Sozial-Liberale Koalition“ für die NRW-FDP vorstellbar sein könnte, hat Christian Lindner, Bundes- und Landesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender seiner Partei in NRW, bei seinem Auftritt am 07.04.2017 im Comet Cine Center in Mönchengladbach zwar nicht thematisiert, wohl jedoch sein Fraktionsvize Joachim Stamp beim FDP-Kreisparteitagstag am 18.03.2017 andeutungsweise und Christof Rasche, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Landtag am 30.03.2017 bei der FDP West im Schloss Wickrath schon etwas deutlicher.

Nach einer geringen zeitlichen Verzögerung im Beginn der Veranstaltung konnte Christian Lindner entspannt der Begrüßung folgen, bevor er selbst das Mikro in die Hand nahm.

Im voll besetzten Kinosaal fühlte er sich sichtlich wohl, wusste er sich doch umgeben von überwiegend politischen Mitstreitern (mit Familienangehörigen) und Sympathisanten, wobei nur die wenigsten aus Mönchengladbach gekommen sein dürften, was bei ca. 185 Parteimitgliedern in Mönchengladbach auch nicht weiter verwunderlich ist.

Wie schon 2012 am selben Ort waren viele Zuhörer aus der näheren Umgebung zu diesem „Mönchengladbacher Wahlkampfauftakt“ der FDP gekommen, um den 38-Jährigen Parteivorsitzenden zu erleben.

Wie auch schon 2012 diente diese Veranstaltung vornehmlich zur Motivation der FDP-Mitglieder, sich im bevorstehenden Wahlkampf aktiv für die Partei einzusetzen, aber auch, um für die politischen Positionen zu werben.

Wie es sich für eine Opposition gehört, kritisierte Lindner, wie schon Stamp und Rasche bei deren Veranstaltungen in Mönchengladbach, die rot-grüne Landesregierung auf fast allen politischen Themenfeldern und fanden in den jeweils zuständigen Ministern die Schuldigen und natürlich allen voran in der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

Dazu nimmt selbst ein FDP-Parteivorsitzender einmal eine BILD-Zeitung in die Hand, wo man doch sonst nur New York Times und entsprechende deutsche Printmedien liest.

„Erzfeind“ (wenn auch etwas martialisch ausgedrückt) der FDP sind und bleiben die Grünen, denen sie vorwirft, in den letzten sieben Jahren für eine „Durchgrünung“ der Landespolitik gesorgt zu haben.

Besonders im Fokus der FDP standen hierbei die Bildungsministerin Sylvia Löhrmann, der sie eine insgesamt desolate Schulpolitik, insbesondere eine Schwächung der Gymnasien und eine gescheiterte „Inklusionspolitik“ vorwirft. Lindner erklärte dazu,  dass man Löhrmann unbedingt in den „unverdienten Ruhestand“ schicken solle.

Er lobte die Institution und die Arbeit der Förderschulen, die jedoch von Löhrmann geschlossen würden, damit alle Schüler in die Regeschulen gehen könnten, obwohl dort die baulichen und Betreuungsvoraussetzungen nicht vorhanden seien.

Es müsse eine Ende damit haben, dass Inklusion zu einer Ideologie gemacht werde, unter der die ganze Gesellschaft zu leiden habe.

Nicht minder heftig waren die Angriffe auf den grünen Umweltminister Johannes Remmel, der durch seine restriktiven Anordnungen die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ver- und behindert habe.

So seien beispielsweise gesetzliche und andere Vorgaben des Bundes und der EU in NRW nicht etwa 1:1 umgesetzt worden, sondern regelmäßig noch „verschärft“ worden.

Bei den verkehrlichen Infrastrukturmaßnahmen habe die rot-grüne Landesregierung „auf Druck der Grünen“ 170 Projekte, wie Umgehungsstraßen usw. gestrichen und vorhandene Bundesmittel zurückgegeben, die letztendlich in Bayern gelandet wären, weil dort entsprechende Planungen vorgelegen hätten.

Die Folge davon seien 388.000 km Stau pro Jahr in NRW, die man umrechnen könne in Zeit, die ein Handwerker nicht beim Kunden, sondern auf der Autobahn verbringe, die man aber auch umrechnen könne in ökologisch unsinnigen Kraftstoffverbrauch.

Sicherlich nicht ohne Kalkül widmete sich Lindner gegen Ende seiner Wahlrede auch der Bundespolitik und der weltpolitischen Sicherheitslage. Schließlich erhofft er sich von einem guten Abschneiden in NRW den Wiedereinzug der FDP im September in den Bundestag mit ihm als Fraktionsführer.

Hier sieht Lindner die westlichen Ordnungen und Werte für Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Demokratie in Gefahr und verweist auf die Entwicklung in den USA, wo es im Wahlkampf vordergründig um die Vernichtung des politischen Gegners und nicht um die Auseinandersetzung mit politischen Inhalten gegangen sei.

Aufmunternd schloss Lindner seine Ausführungen mit der Aufforderung an seine Parteimitglieder nicht nur Wahlunterstützung zu leisten, sondern auch für die FDP zu werben, denn parteipolitische Neutralität sei in diesen Zeiten, in denen „die Welt aus den Fugen“ geraten sei, keine Option mehr.

„Parteipolitisch neutral zu sein, ist ein Luxus, den man sich nicht mehr erlauben kann“, so Lindner wörtlich.

Bemerkenswert war die insgesamt äußerste Zurückhaltung Lindners in seiner gesamten Rede gegenüber CDU und SPD. Kein Wort zu Laschet, kein Wort zu Merkel.

Lediglich zu Beginn hatte er den Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, als „Wunderheiler“, „Regenmacher“, „Wünschelrutengänger“ und „Schlangenbeschwörer“ bezeichnet.

Solche Betitelungen eines politischen Gegners mögen zwar zu Beginn einer Rede „einstimmend“ auf die Zuhörer wirken, ob es aber angesichts nicht auszuschließender Koalitionsverhandlungen in NRW zielführend ist, darf bezweifelt werden.

Aber vielleicht gehört das zum Wahlkampf … und danach ist alles wieder gut … ?

… spätestens nach der Wahl läuft dann wieder alles im üblichen Politik-Partei-Modus, in dem Bewusstsein und der Sicherheit, dass die Wähler ihre Stimmen abgegeben haben und deren Entscheidungen für die nächsten vier oder fünf Jahre unumkehrbar sind.

4 Kommentare zu “
Strebt die FDP über eine „Sozial-Liberale Koalition“ wieder an die Macht in Düsseldorf? • Christian Lindner mit Auftritt in voll besetztem Cinema Center ohne „Koalitionsvision“”
  1. @ Ypsilon und Pluto

    Das mit den Schulden und Statistiken ist ja der Punkt.

    Die Leute denken bei Durchschnitt: Mist – ich bin noch nicht mal Durchschnitt und habe (womöglich) nur Schulden. 🙁

    Je nach Lebensumständen auch noch unverschuldet in die Schuldenfalle geraten (Arbeit verloren, egal warum, Erwerbsunfähigkeit, Hartz IV diese Riesenschweinerei und Hinterlassenschaft von Rot-Grün – Schröder/Fischer).

    Zu Statistiken gibts einige Sprüche.

    Lüge, Meineid, Statistik

    oder

    Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

    So läuft das leider mit Vielem. Genau so. wir werden Tag für Tag für dumm verkauft.

  2. @ Pluto

    Von Apopluto zu Lindner:

    „Mein Gott, so streng wie er da auf dem Plakat guckt und die Faust ballt, da fürchten sich ja die kleinen Kinder. Und dann noch die Schulden dazu. Noch nicht raus aus dem Kindergarten und schon ist das kleine Wesen am Boden zerstört.“

    Irrtum, das kleine Wesen, wäre, so es schon so weit im Moment seiner Geburt denken könnte, sofort am Boden zerstört und würde vermutlich am liebsten sofort wieder weg wollen, denn mit dem ersten Atemzug ist das Neugeborene auch direkt verschuldet. 2011 waren das 24.771 Euro.

    Gratulation! Willkommen im Kapitalismus!

    Perspektive: Immer weniger besitzen immer mehr! Das sieht durchschnittlich betrachtet allerdings sehr gut aus.

    Spiegel-online anhand von Daten der Bundesbank:

    „Im Durchschnitt betrugen die Nettovermögen pro Haushalt 214.500 Euro.“

    Klingt gut, ist es aber nicht! Ist eben nur Durchschnitt und nicht die Wirklichkeit.

    Weiter: „So besaß 2014 die untere Hälfte der Haushalte lediglich 2,5 Prozent des gesamten Nettovermögens.

    Den obersten zehn Prozent der Haushalte gehörten hingegen 59,8 Prozent des Vermögens. Im Jahr 2010 waren es noch 59,2 Prozent.“ Zitat Ende.

    Also durchschnittlich sähe es für einen neuen Erdenbürger gar nicht so übel aus, wäre da nicht die brutale Realität, die dieser sehr schnell zu spüren bekommt.

    Wird/würde die FDP daran etwas ändern? Mit Sicherheit nicht!

    Aber auch keine andere Partei. Lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.

  3. Was ich zum Wahlkampf der FDP zu sagen habe, steht hier: https://www.apopluto.de/news-aus-m%C3%B6nchengladbach/

  4. Lindner erklärt: „Parteipolitisch neutral zu sein, ist ein Luxus, den man sich nicht mehr erlauben kann.“

    Doch kann man.

    WANN wurde nach Wahlen wirklich zu Gunsten des Volkes = der Bürger, die letztendlich der Staat sind, durch irgendeine Partei umgesetzt, was vorher versprochen wurde?

    Mit welcher Partei veränderte sich etwas zum Vorteil für das Stimmvieh?

    Kanzlerin Merkel und andere haben es doch längst offen und unverblümt gesagt und auch durch Taten bewiesen, Zitat:

    „Man kann sich nicht darauf verlassen, dass das, was vor den Wahlen gesagt wird, auch wirklich nach den Wahlen gilt. Und wir müssen damit rechnen, dass das in verschiedenen Weisen sich wiederholen kann.“

    https://www.youtube.com/watch?v=vJUlAEXm6O8

    Das Einzige, worauf man sich verlassen kann, ist, dass es anders sein wird als alles, was vorher in Wahlkrämpfen erzählt wurde.

    Von Versprechen will ich schon gar nicht mehr schreiben, da viele Aussagen so kunstvoll gedrechselt sind, dass sie nur Worthülsen sind.

    PR-Berater haben bei Wahlen wichtigere Aufgaben als wirkliche Inhalte ins rechte Licht zu rücken.

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