VdK fordert Sozialstaatsoffensive
Red. Gesundheit & Soziales [ the_time('d.m.Y'); ?> - the_time('H:i'); ?> Uhr]
Faire Löhne, freie Schulformwahl und Verbesserungen bei der Pflegeberatung – das sind die Kernanliegen des Sozialverbands VdK, die beim Neujahrsempfang des VdK NRW vorgetragen wurden.
„Wir alle sollten dazu beitragen, dass Menschlichkeit und Solidarität nicht auf der Strecke bleiben und durch Gewinn, Produktivität und Kapital weiter verdrängt werden“, forderte Karl-Heinz Fries, Vorsitzender des Sozialverbands VdK Nordrhein-Westfalen, beim Neujahrsempfang des VdK NRW am 12.01.2012 in Düsseldorf, vor 150 Gästen aus Politik, Verwaltung und sozialem Leben in NRW.
Fries ging in seiner Rede auf die Armutsentwicklung ein. Er stellte fest, dass Armut inzwischen sehr wohl auch diejenigen treffen könne, die ein Leben lang durchschnittlich verdient hätten, und eine durchschnittliche Rente bekämen: „Wenn hier keine weiteren Altersleistungen hinzukommen, gerät man schnell an die Armutsgrenze.“
Es sei falsch zu denken, dass Armut nur eine Minderheit treffen könne.
Die Arbeitslosenzahlen seien zwar insgesamt im vergangenen Jahr gesunken, zugenommen habe dagegen die Zahl schwerbehinderter Menschen ohne Arbeit sowie der Menschen, die für einen Lohn arbeiteten, der zum Lebensunterhalt nicht oder kaum ausreiche.
„Kurz- und mittelfristig wird sich die Lebenssituation der Menschen nur ändern, wenn auch auskömmliche Löhne gezahlt werden“, so Fries.
NRW-Sozialminister Guntram Schneider (SPD) sagte: „Trotz eines Wirtschaftswachstums von drei Prozent in den letzten beiden Jahren gibt es in Deutschland einen wachsenden Billiglohnsektor, in dem die Menschen von ihren Löhnen allein nicht leben können.“
Der DGB habe errechnet, dass der Staat im vergangenen Jahr vier Milliarden Euro aufwenden musste, um die Niedriglöhne aufzustocken.
„So können wir nicht weitermachen. Wir wollen endlich für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Wir brauchen mehr unbefristete, sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze mit einer fairen Bezahlung“, so Minister Schneider.
Deshalb fordere er einen flächendeckenden Mindestlohn, von dem die Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
VdK-Landesvorsitzender Karl-Heinz Fries führte weiter aus: „Wir alle wissen, was es für Kommunen wie Dortmund oder Gelsenkirchen – wo heute jeder Fünfte armutsgefährdet ist – bedeutet, wenn immer mehr Bürger auf Transferleistungen angewiesen sind. Obwohl gerade ältere, kranke, behinderte und pflegebedürftige Menschen auf eine gute kommunale Daseinsvorsorge angewiesen seien, werde aus Haushaltsgründen bei öffentlichen Dienstleistungen und sozialen Programmen und Projekten gekürzt (hierzu auch BZMG-Bericht „Kommunale Armut“ – Tagung in Mönchengladbach am 20.10.2011).
„Wir appellieren an Sie alle, sich in Ihren Verantwortungsbereichen dafür einzusetzen, dass Sozialleistungen und die allgemeine Daseinsvorsorge in Zeiten von Eurokrise und Schuldenbremse nicht noch weiter abgebaut werden“, sagte Fries.
Zum Thema Inklusion merkte Fries an: „Wir müssen kritisch feststellen, dass der seit langem angekündigte Aktionsplan der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention noch nicht vorliegt (siehe hierzu auch BZMG-Bericht vom 29.04.2010: „VdK NRW wartet auf Beantwortung vieler Kernfragen„).
Besonders hinsichtlich der Realisierung eines inklusiven Schulsystems bedauere der VdK diese Verzögerung (hier: Stellungnahme des VdK Mönchengladbach zur Situation vor Ort).
„Das Bildungssystem ist eine der zentralen Schaltstellen zur Schaffung einer inklusiven Gesellschaft. Wir brauchen das bedingungslose Wahlrecht der Eltern für die Schulform von Kindern mit Behinderung. Sonst werden Schulen Kinder mit Behinderung weiterhin ablehnen mit dem Hinweis auf mangelnde Barrierefreiheit oder nicht vorhandene Förderpädagogen.“
Auch auf das Thema Pflege ging der VdK-Landesvorsitzende ein. Der VdK begrüße die Novellierung des Landespflegegesetzes und des Wohn- und Teilhabegesetzes der nordrheinwestfälischen Landesregierung.
Fries äußerte aber für NRW noch weiteren Handlungsbedarf: „Pflegebedürftige und deren Angehörige sind bei Eintritt eines plötzlichen Pflegefalls oft innerhalb von Sekunden überfordert. Wer hilft dann? In NRW mangelt es an qualitativ ausreichenden Pflegestützpunkten. Die kommunale Pflegeberatung gleicht vielfach einem Flickenteppich.
Wir brauchen in NRW transparente, gleichwertige und vor allem flächendeckende Pflegeberatung. Gute Pflege darf nicht vom Wohnort abhängen.“ (hier: BZMG-Bericht vom 18.08.2011 zum 1. Mönchengladbacher Pflegegespräch).
Armin Lang, Vorsitzender des Bundesausschusses des Sozialverbandes VdK Deutschland, stellte in seiner Rede klar: „Lebenschancen und Lebensalltag klaffen zwischen den sozialen Schichten unserer Gesellschaft immer weiter auseinander.“ Würdiges Leben“ sei bei unterschiedlichen Notlagen für viele Menschen immer weniger möglich.
Die Verfassung gebiete aber „die Würde des Menschen zu schützen“ und das Sozialstaatsgebot fordere den „sozialen Ausgleich“. Mit diesen Feststellungen forderte Lang eine „Sozialstaatsoffensive“.
Er begründete dies mit vielfältigem Handlungsbedarf beim Abwenden steigender Dauerarmut von Rentnern, Langzeitarbeitslosen, erwerbsgeminderten Menschen, bei Alleinerziehenden mit Kindern und bei behinderten Menschen.
„Die wachsenden und lähmenden Zukunftsängste bis tief in die Mitte der bundesdeutschen Gesellschaft hinein müssen schnellstens zurück gedrängt werden“, so Lang.