TTIP – ein Trojaner?

Red. Natur, Umwelt & Energie [ - Uhr]

Seit Tagen taucht immer wieder ein Thema in den Medien auf: Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz: TTIP.

Die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ zwischen EU und USA.

Von den einen in den höchsten Tönen und als logische Folge der europäisch-amerikanischen Freundschaft und wirtschaftlichen Zusammenarbeit gelobt, von den Kritikern als inakzeptabel abgelehnt, da in Geheimverhandlungen zustande gekommen, ohne dass Parlamente (weder EU noch die einzelnen Länderparlamente) und die Öffentlichkeit Zugang zu Informationen erhalten haben, geschweige ein Mitspracherecht gehabt hätten.

22 Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Umweltschutz, Entwicklungs- und Handelspolitik sowie Jugendorganisationen erklären in einem Aufruf, warum TTIP eine Mogelpackung ist.

Befürchtungen sind u.a. die Zunahme der Einfuhr gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel, sowie Klonfleisch. Die überwiegende Zahl der Bürger in Europa, insbesondere Deutschlands, lehnt dies ab.

Bisher dürfen „nur“ rund 50 gentechnisch veränderte Pflanzen (darunter Mais und Soja) dank der Gentechnikfreundlichkeit des ehemaligen EU-Kommissars John Dalli eingeführt werden, der sich stets dafür stark machte. Aktuell steht eine weitere Sorte genmanipulierter Mais der Sorte „SmartStax“ (Hersteller Monsanto) zur Debatte.

Dank des ebenfalls erlaubten Handels mit Samen von Klontieren, gibt es auch in Deutschland längst Tiere, die zur Hälfte von einem Klon abstammen.

Informationen dazu? Kennzeichnung der betroffenen Produkte daraus?

Fehlanzeige!

In der EU ist schon vor Jahren die Pflicht zur Kennzeichnung oder gar das Verbot von Klonfleisch und Klonmilch mit Hilfe der Blockadepolitik der Deutschen Bundesregierung gescheitert.

Eine Zulassungspflicht gibt es nicht, ebenso kein Verbot.

Sogar eine Kennzeichnungspflicht wenigstens bei Rindfleisch wurde rigoros abgelehnt.

Nicht einmal eine solche Minimallösung wurde akzeptiert, sondern damals (März 2011) eine Prüfung in zwei Jahren vorgeschlagen. Gelegenheit für eine solche Prüfung würde nun mit den weiteren TTIP-Verhandlungen bestehen.

Die Gegner des Verbotes von Klonfleisch- und milch argumentierten, dass ein solches zu einem weiteren Handelsstreit mit den USA führen könnte.

Kein Wunder also, dass im Hinblick auf das Freihandelsabkommen viele Organisationen und Verbände alarmiert sind.

Nachstehend das Positionspapier deutscher Nichtregierungsorganisationen zum geplanten Freihandels- und Investitionsabkommen EU – USA:

 

„TTIP“ NEIN DANKE!

TRANSATLANTISCHE PARTNERSCHAFT GEHT ANDERS

Die Regierungen Europas und der USA planen das »transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen« (TTIP).

BMW und Monsanto freuen sich; auch Deutsche Bank und JP Chase Morgan, BASF und Google, Bertelsmann und ExxonMobil.

Doch brauchen die Menschen in Europa, den USA und im Rest der Welt wirklich einen großen, deregulierten transatlantischen Markt? Eine Antwort auf die eigentlichen Fragen gibt TTIP nicht: Wie wollen wir leben?

Was ist „gutes Leben“ ohne die Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt? Wie können wir in den ökologischen Grenzen des Planeten wirtschaften und dabei gute, fair bezahlte Arbeit sichern? Wie können wir Ernährungssouveränität für alle erreichen?

Schon jetzt stecken wir in ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Krisen. Wir erleben viel zu wenig – nicht zu viel – Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Finanzmarktkontrolle.

Wir erleben zu wenig − nicht zu viel − solidarisches Wirtschaften, Schutz kleinbäuerlicher und gemeinwohlorientierter (Land-)Wirtschaft sowie wirksamen Verbraucher-, Daten- und Rechtsschutz gegenüber den Geschäftsinteressen internationaler Konzerne.

Mit dem TTIP-Abkommen versprechen Wirtschaftsvertreter in der EU und den USA mehr Wachstum. Sie wollen mehr Handelsströme und mehr Marktfreiheit für Unternehmen.

In der Realität kann das aber bedeuten: Gentechnik-Lebensmittel und Hormonfleisch landen ungekennzeichnet auf unseren Tellern.

Das geplatzte ACTA-Abkommen zum Urheberrecht kommt durch die Hintertür erneut −

Meinungsfreiheit und Datenschutz bleiben auf der Strecke.

Nur die niedrigeren Verbraucherschutz- und Umweltstandards bleiben übrig.

Bundesregierung und EU-Kommission setzen auf Geheimverhandlungen unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente.

WIR WOLLEN:

Demokratie und Transparenz:

Statt Geheimverhandlungen braucht es eine breite öffentliche Diskussion um ein soziales und ökologisches Verhandlungsmandat auf beiden Seiten. Hierzu müssten umfassende und aktuelle Informationen und der vollständige Einblick in alle Verhandlungsdokumente für die Öffentlichkeit und Parlamente gewährleistet sein. Zudem muss die Kommission eine umfassende Nachhaltigkeitsprüfung von unabhängiger Seite durchführen lassen.

Rechtschutz für Menschen – statt privilegierte Klagerechte für Konzerne:

Wir lehnen es ab, dass US-Konzerne Klagerechte gegen europäische Umwelt- und Sozialgesetze bekommen.

Die besonders von der EU geforderten Sonderklagerechte für Unternehmen im Rahmen so genannter Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit unterlaufen grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats. 

Kernprinzipien des Klima- und Umweltschutzes,

so wie sie 1992 in Rio aufgestellt wurden, sind das Vorsorge- wie auch das Verursacherprinzip: Wenn von Produkten oder Technologien Risiken ausgehen können, dann müssen diese Risiken vorausschauend vermieden werden.

Im TTIP aber sollen auf Druck von US-Exportinteressen bereits bestehende wie geplante Regeln, die diesen Prinzipien folgen, zum Handelshemmnis erklärt werden.

Ein besonderer Dorn im Auge der US-Lobbygruppen sind v.a. die in ihren Augen zu langsame Zulassung und die Kennzeichnung von Gentechnik-Lebensmitteln in Europa

und die europäischen Nachhaltigkeitsstandards von Biokraftstoffen. Aber auch die Weiterentwicklung der EU-Chemikalienrichtlinie REACH und der EURO-Norm für Auto-Emissionswerte wie auch die EU-Strategie zur Begrenzung der von Kunststoffen ausgehenden Umweltgefahren laufen den US-Exportinteressen zuwider.

Auch für neue Technologien muss das Vorsorgeprinzip gelten, etwa für die gefährliche Gewinnung von Gas mit Fracking.

Wir brauchen eine klima- und ressourcenschonendere und gerechtere Wirtschaftsweise auf beiden Seiten des Atlantiks. Die niedrigsten Standards dürfen nicht zur Richtschur werden. Verbote sind dafür genauso erforderlich wie Steuern und Zölle für besonders schädliche Verfahren.

Das ist mit der TTIP-Freihandelslogik nicht zu vereinbaren. 

Kleinbäuerliche und ökologischere Landwirtschaft

schützen: Bauern und Verbrauchern in Europa bringt TTIP keine Vorteile. In den USA ist der Verzehr von Klon und Hormonfleisch sowie von Milch von mit gentechnisch erzeugten Wachstumshormonen gedopten Turbo- Kühen erlaubt.

Geflügelfleisch wird mit Chlor behandelt, für gentechnisch veränderte Pflanzen gibt es weder ein durchgängiges, stringentes Zulassungsverfahren noch eine Kennzeichnungspflicht.

Gentechnisch veränderter Lachs steht vor der Zulassung. Alles das wäre dann auch in Europa erlaubt.

Auch das Patent- und Haftungsrecht unterscheidet sich in beiden Handelszonen an vielen Stellen. TTIP öffnet die Türen für Agrar-Exportschlachten zu Dumpingpreisen.

Europäische Bauern gerieten unter noch mehr Wettbewerbsdruck. US-Exporteure würden verstärkt mit Soja und Milchprodukten auf den EU-Markt drängen und unsere Bemühungen, Soja durch einheimische Futterpflanzen zu ersetzen, unterlaufen.

Statt noch mehr „Wachsen oder Weichen“ brauchen wir den Schutz kleinbäuerlicher und ökologischer Landwirtschaft. 

Hohe Verbraucher- und Gesundheitsstandards:

Die strengeren europäischen Standards müssen Grundlage aller Verhandlungen sein.

Zudem ist eine umfassende Kennzeichnungspflicht zwingend – auch für verarbeitete Produkte. 

Arbeits- und Menschenrechte

durch klare und durchsetzbare Regelungen verbindlich schützen: Der Öffentlichkeit wird TTIP als Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen verkauft. Dabei haben bestehende Freihandelsabkommen wie der NAFTA-Vertrag zwischen den USA, Kanada und Mexiko eher das Gegenteil bewirkt. 

Gewerkschaften beklagen Arbeitsplatzverluste in der Industrie, sinkende Löhne, Unterlaufen vor Arbeitsmindeststandards und wachsende Einkommensunterschiede als Folge des Freihandels, indem Arbeitsstandards an das jeweils niedrigere Niveau nach unten angeglichen werden.

In der EU sind Massenarbeitslosigkeit, Druck auf Löhne und die Ausweitung prekärer Beschäftigung die Folgen schwacher Sozialstandards im liberalisierten Binnenmarkt.

Dies ist kein Modell für eine transatlantische Freihandelszone. 

Internationale Solidarität und Kooperation

statt immer mehr Wettbewerbsdruck. Mit dem TTIP wollen EU und USA ihre globale Vormachtstellung absichern. Aufstrebende Schwellen- und Entwicklungsländer sollen durch das Abkommen Marktanteile verlieren. 

Schutz und Ausbau öffentlicher Dienstleistungen

statt weiterer Liberalisierungsoffensive. Essentielle Dienstleistungen der Daseinsvorsorge – z.B. in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wasser, Energie oder Verkehr – dürfen nicht privatisiert werden. Sie müssen für alle zugänglich sein und hohen qualitativen, sozialen und umweltpolitischen Standards genügen.

Den dazu nötigen Gestaltungsspielraum auf nationaler und kommunaler Ebene drohen die TTIP Verhandlungen weiter zu beschneiden – mehr Druck in Richtung Privatisierung ist zu erwarten. 

Schutz und Förderung der Vielfalt kulturellen Ausdrucksformen

 statt weiterer Liberalisierung. Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sichert beispielsweise Film-, Theater, Orchester- und weitere Kulturförderung sowie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seinen Landesprogrammen. Dieser Gestaltungsraum wird durch die TTIP Verhandlungen zur Disposition gestellt.

Regulierung des Finanzsektors und Abbau ökonomischer Ungleichgewichte

statt mehr Deregulierung und Freihandel. Die Liberalisierung der Finanzmärkte und ökonomische Ungleichgewichte innerhalb der EU infolge von Lohnkonkurrenz sind eine wesentliche Ursache der europäischen Wirtschaftskrise.

Mit TTIP sollen Finanzdienstleistungen noch weiter liberalisiert werden. Die politische Macht der Finanzindustrie würde gestärkt, Lohn und Steuerdumping und damit sinkende Einnahmen der öffentlichen Haushalte wären die Folge. 

Innovationen, Bildung und Informationsfreiheit

statt noch mehr Exklusivrechte an „geistigem Eigentum“ der Konzerne: Schützbares „geistiges Eigentum“ findet sich in vielen Sektoren – Technologien, Pharmaprodukte, Saatgut, Filme und Musik.

Unter dem Vorwand, die Urheber zu schützen gängeln die großen Verlage, Labels und Medienkonzerne die Nutzer von Kultur und Information immer stärker. Wissenschaft und Bildung werden behindert, immer mehr Werke verwaisen und gehen endgültig verloren, weil ihre Digitalisierung nicht erlaubt wird.

Wir brauchen einen fairen Interessenausgleich zwischen Urhebern, Nutzern und Verwertern!

2012 wurde das ACTA-Abkommen von einer Welle der öffentlichen Empörung gestoppt – der Medienindustrie hätte es umfangreiche Monopolrechte und die Kontrolle des Internets beschert.

TTIP ist ein neuer Anlauf, diese Monopolrechte einzuführen.

Wir rufen daher alle interessierten Menschen und Organisationen auf,

sich aktiv an der Debatte um dieses neue Abkommen zu beteiligen!

Machen wir – zusammen mit unseren Freundinnen und Freunden in Europa und den USA − den Politikern und Wirtschaftskapitänen deutlich, dass Freihandels- und Investorenschutz-Rezepte aus dem 20. Jahrhundert keine Lösung für die aktuellen Herausforderungen sind.

Eine transatlantische Partnerschaft für die sozial-ökologische Transformation, die wir im 21. Jahrhundert so dringend brauchen, sieht ganz anders aus!

Auch in den USA und anderen Ländern Europas regt sich der Widerstand gegen dieses geplante Abkommen – gemeinsam werden wir es stoppen!

UNTERZEICHNENDE ORGANISATIONEN

Herausgeber:

Forum Umwelt und Entwicklung

Internet: http://www.forumue.de/

Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten deutscher NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände e.V. (DNR).

Berlin, Juni 2013

Dieses Papier wurde gemeinsam von den unterzeichnenden Organisationen erarbeitet:

  • Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
  • Attac
  • Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V.
  • Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW)
  • BUND − Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
  • Bündnis für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Niedersachsen, Bremen, Hamburg
  • Campact
  • Christliche Initiative Romero e.V.
  • DNR – Deutscher Naturschutzring e.V.
  • FDCL – Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.
  • Forum Umwelt und Entwicklung
  • Gen-ethisches Netzwerk e.V.
  • INKOTA-netzwerk e.V.
  • Kampagne „Meine Landwirtschaft“
  • KLJB – Bundesverband der Katholische
  • Landjugendbewegung Deutschlands e.V.
  • klima-allianz deutschland
  • NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V.
  • PAN Germany – Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.
  • PowerShift e.V.
  • Save our Seeds
  • WEED
  • Zukunftsstiftung Landwirtschaft“

(Ende des Positionspapiers)

Ein Kommentar zu “TTIP – ein Trojaner?”
  1. Konzerne haben die Macht über uns und unser Leben in der Hand. Was wir essen bestimmen Konzerne und deren Lobbyisten!

    Durch die Schaffung der Freihandelszone EU/USA droht es noch schlimmer zu werden!

    Stört das eigentlich niemanden?

    Klonfleisch landet ganz offiziell auf unseren Tellern!

    Das war mir bisher leider nicht klar. Auch nicht, dass schon 50 genveränderte Pflanzen in der EU zugelassen sind.

    Das alles läuft ab, ohne dass man etwa davon erfährt!

    Ist das das Ergebnis von Europawahlen? In diesem Sinn habe ich nicht gewählt!

    Unglaublich, was hier ganz legal in Brüssel vor unser aller Augen und doch klammheimlich passiert.

    Ich frage mich, warum kaum jemand etwas davon weiß oder sich überhaupt dafür interessiert.

    Es wird nur schöngeredet. Das reicht wohl für die allermeisten.

    Der nächste Coup ist die Macht über das Saatgut. Mehr dazu hier:

    http://www.saatgutkampagne.org/PDF/Vorsicht_vor_Halbwahrheiten.pdf

    und hier:

    https://www.openpetition.de/petition/online/saatgutvielfalt-in-gefahr-gegen-eine-eu-saatgutverordnung-zum-nutzen-der-saatgut-industrie

    Vielleicht werden die Leute doch noch wach.

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